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Nr. 335 Ministerkonferenz, Wien, 26. April 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 26. 4.), Bach 2. 5., Thun 2. 5., K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 1281 –

Protokoll der zu Wien am 26. April 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Pensionserhöhung für den Bezirksgerichtsadjunkten Peter Endres

Die Differenz, welche laut des Vortrags vom 14. d. M. (KZ. 1420, MCZ. 1315) zwischen dem Justiz- und dem Finanzminister in betreff der Pensionserhöhung für den gewesenen Bezirksgerichts­adjunkten Peter Endres besteht, wurde durch die Erklärung des Finanzministers behoben, daß er dem Antrage des Justizministers in der Rücksicht beitrete, weil der Abgang an der zur Erlangung des Halbsoldes erforderlichen Dienstzeit nur einen Monat beträgt, sonach der Antrag auf Gewährung von zwei Drittel des Aktivitätsgehalts als Pension als ausnahmsweise, eine Exemplifikation nicht begründende Begünstigung im Wege der Gnade sich rechtfertigen ließe1.

II. Quieszentengehalt für den Kanzlisten Wilhelm Doležal

Der Justizminister referierte über die Meinungsverschiedenheit, welche zeuge seines Vortrags vom 9. d. M., MCZ. 1255, zwischen ihm und dem Finanzminister über die Bemessung des Quieszentengehalts für den Kanzlisten des Obersten Gerichtshofs Wilhelm Doležal obwaltet.

Nachdem diesem Kanzlisten nach einer etwas mehr als 25jährigen Dienstleistung statt der normalmäßigen Hälfte aus Ah. Gnade (KZ. 1532, MCZ. 1406) zwei Drittel des Aktivitätsgehalts als Quieszentengebühr bewilligt, mithin schon eine um einen Grad höhere Beteilung zuteil geworden ist, erklärte der Finanzminister , zu einer weiteren Begünstigung desselben, (wofür ein neuer, nicht schon damals berücksichtigter Grund nicht angeführt wird) keinen hinlänglichen Anhaltspunkt zu haben. Auch der Kultusminister meinte, es sei unter diesen Verhältnissen schwer, für eine abermalige Gnadenbezeugung zu stimmen. Gleichwohl erachtete der Justizminister seinen Antrag auf Bewilligung des ganzen Gehalts für Doležal in Berücksichtigung der im Dienste sich zugezogenen Erblindung der unbegrenzten Gnade Sr. Majestät empfehlen zu dürfen2.

III. Pensionszulage für den Torschreiber Thomas Stehlik

Der Minister des Inneren referierte über die Differenz mit dem Finanzminister wegen der von dem Torschreiber des niederösterreichischen provisorischen Strafhauses Thomas Stehlik angesuchten, von dem ersteren mit seinem Vortrage vom || S. 4 PDF || 22. d. M., (KZ. 1513, MCZ. 1410) unterstützten Belassung der Personalzulage von 100 fr. bei dessen Pensionierung.

Obwohl der Finanzminister , in Aufrechthaltung des Grundsatzes, daß Personalzulagen in die Pension nicht einbezogen werden dürfen, sich gegen die Bewilligung erklärte, fand doch der Minister des Inneren – unter Beitritt des Justizministers – in den im Vortrage angeführten Motiven hinlängliche Anhaltspunkte, um den Bittsteller der Ah. Gnade Sr. Majestät zu empfehlen3.

IV. Militäreinquartierung in den Salinengebäuden in Wieliczka

Der Minister des Inneren brachte zur Kenntnis der Konferenz den Inhalt seines Vortrags vom 19. d. M., KZ. 1480, MCZ. 1374, welchen er infolge Ah. Kabinettsschreiben vom 24. Juni und 4. Oktober 1855 über die Vorstellungen des Finanzministers vom 19. Mai 1855, KZ. 1698, MCZ. 1555, und 29. August 1855, KZ. 3122, MCZ. 2809, gegen die Verwendung von Salinengebäuden in Wieliczka zu Militärbequartierungs- und Spitalzwecken erstattet hat.

Nachdem sich hieraus ergeben hat, daß diese Verwendung größtenteils durch den Drang der damaligen außerordentlichen Verhältnisse veranlaßt worden war, so fand der Finanzminister gegen den Antrag des Ministers des Inneren, die Sache auf sich beruhen zu lassen, nichts einzuwenden, aindem derselbe erklärte, neuerdings einen Vortrag an Se. Majestät über die endliche Räumung des noch immer zum Militärspital benützten Salinenbeamtengebäudes erstattet zu habena .

V. Staatsprüfungen der Jusstudenten vom zweiten Jahr aufwärts

Die Ah. Bestimmungen vom 25. September 1855 über die Einrichtung der juridisch-politischen Studien und die Verordnung vom 16. April 1856 in betreff der derselben gemäß abzuhaltenden Staatsprüfungen machen eine Modifikation der Vorschrift vom 30. Juli 1850 über die Staatsprüfungen nach dem bisherigen Systeme rücksichtlich derjenigen Hörer der Rechts- und Staatswissenschaften notwendig, welche in denselben bis zu einem gewissen Grade bereits vorgerückt sind4. Der Unterrichtsminister würde daher antragen, daß diejenigen Hörer der Rechts- und Staatswissenschaften, welche denselben bereits durch zwei Jahre oblagen, in den Staatsdienst aufgenommen werden können, wenn sie nebst der judiziellen noch eine der beiden anderen bisher vorgeschriebenen Staatsprüfungen abgelegt und den vierjährigen juridisch-politischen Kurs absolviert haben. Hiergegen bemerkte der Minister des Inneren , daß ihm eine solche allgemeine gesetzliche Dispens der in diesem Falle befindlichen Rechtshörer von der Ablegung der dritten Staatsprüfung nicht angemessen zu sein schiene, weil einerseits den Ministerien ohnehin die Befugnis zusteht, von der dritten Prüfung zu dispensieren, und andererseits eine ungleiche Behandlung der Staatsdienstkandidaten || S. 5 PDF || einträte, wenn die nach der angetragenen Verordnung zur Praxis zugelassenen Rechtshörer in allen Fällen schon ex lege von der Ablegung der dritten Prüfung befreit wären, während es bei den schon Zugelassenen erst darauf ankäme, ob sie davon von ihrem betreffenden Ministerium enthoben werden wollen oder nicht. Zur Aufrechthaltung des Instituts der Staatsprüfungen überhaupt wäre es zweckmäßig, die Ablegung jener dritten Prüfung ganz von der Entscheidung des betreffenden Ministeriums abhängig zu machen.

Auf diese Bemerkung modifizierte der Unterrichtsminister seinen Antrag dahin, daß die nach Ablegung der zwei Prüfungen in die Praxis Aufgenommenen von der nachträglichen Ablegung der dritten von dem betreffenden Ministerium dispensiert werden können. Hiermit war auch die Konferenz einverstanden5.

VI. Verhandlung wegen der galizischen Staatsbahnen

Der Handelsminister brachte zur Kenntnis der Konferenz den Stand der Unterhandlung wegen Übernahme und Ausbau der galizischen Staatseisenbahnen.

Als erster Konkurrent erscheint dabei die Nordbahngesellschaft; sie übernimmt die hergestellten Strecken um den Gestehungspreis, dann den Weiterbau bis Lemberg, eventuell auch bis Brody, nimmt den auf den Staatsbahnen geltenden Tarif an und unterwirft denselben einer Revision, sobald der Reinertrag über 7 1/2% steigt, verzichtet endlich auf die Zinsengarantie von Seite der Staatsverwaltung. Inzwischen hat sich eine Gesellschaft galizischer Adeliger ebenfalls um die Konzession der galizischen Bahnen beworben, jedoch als Ausgangspunkt Przemysl, als Endpunkt Czernowitz bezeichnet. Mit Rücksicht auf das Anbot der Nordbahn-Gesellschaft glaubte der Handelsminister die zweite Gesellschaft auf die Strecke von Lemberg bis Czernowitz, mit der Andeutung der Verbindung bis Galatz verweisen zu sollen. Allein, der Unterhändler erklärte, hierauf nicht eingehen zu können, weil auf Przemyśl wegen der leichten Verbindung mit der Weichsel ein besonderer Wert gelegt werde. Bei einer weiteren Verhandlung, wobei der Gesellschaft infolge einer Erklärung der Nordbahn die von ihr selbst gewählte Trasse zugestanden werden wollte, erklärte Fürst Sapieha, auch hierauf nicht eingehen zu können, sondern sich eine Bedenkzeit von zwei Tagen erbitten zu müssen, nachdem die Teilnehmer aus dem Krakauischen auch die Führung einer Bahn in westlicher Richtung beabsichtigen.

So wünschenswert es nun auch nach der Bemerkung des Ministers des Inneren wäre, den galizischen Adel an einem solchen Unternehmen sich beteiligen zu lassen, so ist es doch, wie der Handelsminister meinte, bei dem bloß negativen Auftreten desselben und bei der Unvermögenheit oder Weigerung, die Geldquellen näher zu bezeichnen, welche das Kapital zum Bau liefern sollen, schwer, mit den Proponenten zu unterhandeln.

Dagegen bietet die Nordbahn nicht nur die vollste Garantie für das solide und baldige Zustandekommen der Bahnen, sondern auch noch die bereits oben berührten Vorteile, unter denen insbesondere die Verzichtleistung auf jede Zinsengarantie als sehr geeignet erscheint, den Kredit der österreichischen Eisenbahnen zu heben. Auch der Finanzminister || S. 6 PDF || fände schon aus dem Gesichtspunkte der Fernhaltung neuer Kreditpapiere von der Börse (denn die Nordbahn gedächte die Kosten durch Aufteilung auf ihre Aktionäre zu decken) die Annahme der Nordbahn erwünschter als die des galizischen Adels.

Hiernach wird der Handelsminister mit dem Bevollmächtigten des letzteren, wenn er sich nach Ablauf der erbetenen Frist meldet, wegen der Bahn von Przemysl aus in Verhandlung treten. Widrigens wäre er der Meinung, daß, um dem Lande die Vorteile der Bahn bald zu gewähren, auf die Proposition der Nordbahn-Gesellschaft eingegangen werden sollte6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 11. Mai 1856.