MRP-1-3-05-0-00000000-P-0377b.xml

|

Nr. 377b Rektifizierter Entwurf der Verordnung über das Meldungswesen, o. O., o. D. (Beilage zu: MRP-1-3-05-0-18561206-P-0377.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zum MKProt. v. 6. 12. 1856.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Verordnung des Ministeriums des Inneren und der Obersten Polizeibehörde vom …. gültig für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze, betreffend das Meldungswesen.

Das Ministerium des Inneren findet einverständlich mit der k. k. Obersten Polizeibehörde in Absicht auf die Reglung des Meldungswesens folgende Vorschriften zu erlassen, welche, insoweit sie nicht ohnedies schon in Anwendung sind, {mit 1. Jänner 1857} in Wirksamkeit zu treten haben.

I. Abschnitt

Vorschriften über das Meldungswesen in Orten, in welchen sich k. k. Polizeibehörden befinden.

§ 1

In den Orten, in welchen sich k. k. Polizeibehörden (Direktionen, exponierte Kommissäre, Kurinspektionen) befinden, ist sich an die gegenwärtig bestehenden Meldungsvorschriften zu halten. Insoferne diese Vorschriften an dem einen oder dem andern Orte anicht genügen sollten, um die Wohnungs- und Unterstandsveränderungen jeder Art, den Eintritt und Austritt der Dienstboten jeder Gattung und die Ankunft und Abreise der Fremden in Evidenz zu erhaltena, hat die politische Landesstelle das Meldungswesen nach den Bestimmungen der für die k. k. Haupt- und Residenzstadt Wienb erflossenen Ministerialverordnungen vom 16. Mai 1849, RGBL. Nr. 250, und vom 29. März 1852 (Erlaß der niederösterreichischen Statthalterei vom 16. April 1852, cLGBL. Nr. 160c ) mit Rücksichtnahme auf die besonderen Lokalverhältnisse einzurichten und die hiernach zu erlassenden Meldungsvorschriften zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

II. Abschnitt

Vorschriften über das Meldungswesen in Orten, in welchen sich k. k. Polizeibehörden nicht befinden.

§ 2

In den Orten, in welchen sich k. k. Polizeibehörden nicht befinden, handhabt der Gemeindevorsteher unter der Aufsicht und Leitung der politischen Bezirksbehörde (Bezirksamt, Stuhlrichteramt, Distriktskommissariat) das Meldungswesen.

Es haben daher die durch gegenwärtige Verordnung vorgeschriebenen Meldungen an den Gemeindevorsteher zu erfolgen.

|| S. 239 PDF || Insoferne jedoch die unmittelbare Handhabung des Meldungswesens durch die politische Bezirksbehörde an dem einen oder dem anderen Orte für notwendig befunden werden sollte, haben die Meldungen an diese Behörde zu geschehen.

§ 3

Um in ausgedehnteren Gemeinden die Meldungen möglichst zu erleichtern, hat die Kreisbehörde (Komitatsbehörde, Delegation) nach dem Antrage der politischen Bezirksbehörde für die entlegenen Teile ein dort wohnendes Mitglied der Gemeindevertretung oder ein sonstiges vertrauenswürdiges Gemeindeglied aufzustellen, welches für den Gemeindevorsteher die Meldungen in Empfang zu nehmen und dieselben von Woche zu Woche zur Kenntnis des Gemeindevorstehers zu bringen hat.

§ 4

Den Besitzern vormals herrschaftlicher Gutskörper steht es jederzeitd frei, ihre Meldungen unmittelbar an die politische Bezirksbehörde zu machen.

§ 5

In Städten, in Orten, wo die politische Bezirksbehörde ihren Sitz hat, dann in allen an den bedeutenderen Straßenzügen gelegenen Ortschaften sowie auch in allen in der Nähe der Hauptstadt befindlichen Orten, wo sich Fremde aufzuhalten pflegen, endlich in jenen Orten, wo industrielle Etablissements von einiger Erheblichkeit, namentlich Fabriken, Spinnereien, Ziegelöfen, Glashütten, Zuckerraffinierien, Bergwerke u. dgl. sich befinden, haben die zur Fremdenbeherbung berechtigten Gastwirte über die bei ihnen übernachtenden Fremden ein Fremdenbuch mit folgenden Rubriken zu führen: a) Tag der Ankunft; b) Vor-und Zuname, dann Alter und Religion; c) Stand und Beschäftigung; d) Domizil; e) Begleitung; f) woher er kommt; g) wohin er reiset; h) wodurch er legitimiert ist; i) eist abgereist nache –.

Unter Fremden werden hier jene verstanden, die zur Gemeinde nicht gehörig sind oder doch im Orte ihren ordentlichen Wohnsitz nicht haben.

§ 6

Das Fremdenbuch muß vom Gemeindevorsteher oder dem Gemeindeamte paraphiert, ununterbrochen geführt und stets zur Einsicht der politischen Bezirksbehörde, der zur Handhabung des Meldungswesens nach den §§ 2 und 3 aufgestellten Organe und der k. k. Gendarmerie bereitgehalten werden.

§ 7

Der Gastwirt hat dem bei ihm übernachtenden Fremden gleich bei dessen Ankunft das Fremdenbuch vorzulegen oder vorlegen zu lassen.

Der Fremde ist verpflichtet, die Rubriken des Fremdenbuches auszufüllen oder ausfüllen zu lassen.

Sollte sich der Fremde dessen weigern, so ist hievon ungesäumt die Anzeige zu machen. In dringlichen Fällen ist diese Anzeige gleich unmittelbar an die politische Bezirksbehörde || S. 240 PDF || zu erstatten, falls der Sitz derselben dem Anzeigenden näher gelegen wäre als der Sitz des Gemeindevorstehers oder des nach § 3 aufgestellten Organes.

§ 8

Die Meldung des Fremden hat seitens des Gastwirtes in der Regel mittelst eines vollständig ausgefüllten Meldzettels, welcher die Rubriken des Fremdenbuches zu enthalten hat, zu geschehen.

Jedoch bleibt es dem Ermessen des Chefs der politischen Landesstelle anheimgestellt zu bestimmen, an welchen Orten die Meldung anstatt mittelst des Meldzettels bloß mittelst Vorlage des Fremdenbuches oder mündlich zu erfolgen hat.

Die Meldung muß in der Regel noch am Tage der Ankunft des Fremden gemacht werden.

Sollte jedoch der Fremde so spät ankommen, daß derselbe bis 8 Uhr abends nicht mehr gemeldet werden könnte, so hat die Meldung am andern Tage bis längstens 9f Uhr früh zu erfolgen.

§ 9

An den im § 5 bezeichneten Orten haben außer den Gastwirten auch alle andern Unterstandgeber die bei ihnen übernachtenden Fremden zu melden.

Die Bestimmung der Art und Weise, wie die Meldung des Fremden von Seite dieser Unterstandgeber zu geschehen hat, bleibt dem Ermessen des Chefs der politischen Landesstelle überlassen.

§ 10

In den Herbergen sind Herbergsprotokolle nach folgenden Rubriken zu führen:

a) Tag und Stunde der Ankunft; b) Vor- und Zuname des Gesellen; c) Gewerbe; d) Domizil; e) Alter und Religion; f) woher er kommt; g) wodurch er legitimiert ist; h) hier in Arbeit eingestanden; i) abgereiset.

Die Bestimmungen des § 6 gelten auch bezüglich der Herbergsprotokolle.

§ 11

Der Herbergsvater hat sich von den in die Herberge kommenden zugereisten Gesellen die Wanderbücher und sonstigen Reiseurkunden vorlegen zu lassen und hiernach die Rubriken des Herbergsprotokolls auszufüllen.

Sollte sich der Geselle weigern, seine Ausweisurkunde vorzulegen, oder sollte derselbe im Besitze solcher Urkunden nicht sein oder derselbe sonst Verdacht erregen, so ist hievon ungesäumt die Anzeige zu machen, wobei die Schlußbestimmung des § 7 zu beobachten ist.

Wenn sich der Geselle über 24 Stunden in der Herberge aufhält, so ist dies unter Vorlage der Ausweisurkunden anzuzeigen.

§ 12

Dienstboten, Gesellen und sonstige Gewerbs-, Arbeits- und Beschäftigungsgehilfen und Lehrlinge müssen in allen Orten von Seite ihres Dienst- rücksichtlich Arbeitsgebers binnen längstens drei Tagen nach ihrem Eintritte gemeldet werden.

|| S. 241 PDF || Binnen derselben Frist ist der Austritt zu melden. Die Kreisbehörde wird bestimmen, an welchen Orten diese Meldung schriftlich zu geschehen habe und an welchen Orten dieselbe auch mündlich erfolgen könne.

§ 13

Vagabunden oder sonst verdächtigen Leuten darf niemand einen Unterstand gegeben, und sollten sie nicht abgewiesen werden können, so ist sogleich unter Beobachtung der Schlußbestimmung des § 7 die Anzeige zu machen.

§ 14

Der Gemeindevorsteher ist verpflichtet, die Fremdenbücher öfters zu revidieren, mit den gemachten Meldungen zu vergleichen und in denselben zu bemerken, daß und wann die Revision erfolgt ist. Zeigt sich hiebei, daß Meldungen unterlassen worden seien, oder ergeben sich andere Anstände, so ist hierüber das gehörige Amt zu handeln. Die gleiche Verpflichtung obliegt dem Gemeindevorsteher bezüglich der Herbergsprotokolle.

§ 15

Der Gemeindevorsteher ist verpflichtet, Herbergen und abseitig gelegene Wirtshäuser öfter und unvermutet zu untersuchen und die Legitimation der dort sich aufhaltenden Fremden zu prüfen.

§ 16

Inwieferne ausweislose und sonst verdächtige Personen von dem Gemeindevorsteher anzuhalten und an die politische Behörde abzustellen sind, bestimmt die ihnen diesfalls zu erteilende besondere Instruktion.

§ 17

Der Gemeindevorsteher hat die schriftlichen Fremdenmeldungen chronologisch zu sammeln.

Insoweit es für angemessen befunden wird, ist in Gemeinden mit einem geordneten Gemeindeamte ein Fremdenprotokoll zu führen, in welches alle schriftlichen und mündlichen Fremdenmeldungen einzutragen sind.

Dieses Protokoll enthält dieselben Rubriken wie das von den Gastwirten zu führende Fremdenbuch.

In gleicher Weise sind die Meldungen von den Dienstboten, Gesellen etc. (§ 12) zu sammeln und bezüglich unter den gleichen Bedingungen in ein eigenes Protokoll einzutragen.

§ 18

Die in den §§ 14, 15 und 16 vorgezeichneten Verpflichtungen obliegen auch dem nach § 3 aufgestellten Organe für den Bezirk, für welchen er bestellt ist.

Übrigens hat sich sowohl dieses Organ wie der Gemeindevorsteher nach den besonderen Instruktionen der politischen Bezirksbehörde zu benehmen.

§ 19

Die Übertretungen der Vorschriften der §§ 5 bis inklusive 13 sind, insoweit sie nicht durch das Strafgesetz verpönt sind, von der politischen Bezirksbehörde zu untersuchen und nach dem in § 11 der kaiserlichen Verordnung vom 20. April 1854, RGBL. Nr. 96, und bezüglich im § 4 der Ministerialverordnung vom 25. April 1854, RGBL. Nr. 102, festgesetzten Strafausmaße zu bestrafen.