MRP-1-3-05-0-00000000-P-0348a.xml

|

Nr. 348a Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Heimatverhältnisse, o. O., o. D. (Beilage zu: MRP-1-3-05-0-18560614-P-0348.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • Gedruckte Beilage zum Originalprotokoll v. 14. 6. 1856.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Wir Franz Joseph der Erste etc. haben Uns zur Regelung der Heimatsverhältnisse bestimmt gefunden, nach Vernehmung Unserer Minister und Anhörung Unseres Reichsrates das nachstehende Heimatsgesetz für den ganzen Umfang Unseres Kaiserreiches mit Ausnahme des lombardisch-venezianischen Königreiches und der Militärgränze zu erlassen.

I. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Das Heimatrecht ist die Zuständigkeit zu einer Gemeinde.

In den vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirken kann dasselbe nicht begründet werden.

§ 2

Das Heimatrecht kann man nur in einer Gemeinde besitzen.

§ 3

Die österreichische Staatsbürgerschaft ist eine notwendige Bedingung zum Besitze des Heimatrechtes.

§ 4

Das Heimatrecht erstreckt sich jederzeit auf den ganzen Umfang des Gemeindegebietes. Werden daher Gemeinden vereinigt oder erweitert, so wird das Heimatrecht der in einem der bisher getrennten Bezirke heimatberechtigten Personen auf den ganzen Umfang der Gemeinde von selbst ausgedehnt.

§ 5

Wenn eine Gemeinde getrennt wird, so werden die dahin Zuständigen mit allen ihnen in der Zuständigkeit folgenden Personen in jener Gemeinde heimatberechtiget, an welche das Gebiet, in dem sie zur Zeit der von der kompetenten Behörde ausgesprochenen Trennung ihren Wohnsitz hatten, gelanget.

Bezüglich der Zuweisung der Heimatberechtigten, bei welchen dieses Merkmal nicht eintritt, hat die vorgesetzte politische Behörde, falls zwischen den beteiligten Gemeinden ein Übereinkommen nicht erzielt werden sollte, die den Verhältnissen entsprechende Entscheidung zu fällen.

II. Abschnitt

Von der Begründung und von dem Verluste des Heimatrechtes

§ 6

Das Heimatrecht wird I. durch Geburt, II. durch Verehlichung, III. durch Aufnahme, IV. durch besondere persönliche Verhältnisse begründet.

|| S. 87 PDF || § 7

Eheliche Kinder sind zuständig zu jener Gemeinde, in welcher der Vater zur Zeit ihrer Geburt das Heimatrecht hat.

Ist der Vater vor der Geburt seines ehelichen Kindes gestorben, so entscheidet das Heimatrecht des Vaters zur Zeit seines Ablebens.

Uneheliche Kinder erlangen die Zuständigkeit zu jener Gemeinde, in welcher ihre Mutter zur Zeit der Entbindung heimatberechtiget ist.

Legitimierte Kinder, insoferne sie nicht eigenberechtigt sind, werden zuständig zu jener Gemeinde, in welcher ihr Vater zur Zeit der stattfindenden Legitimation heimatberechtiget ist.

Durch (Annahme an Kindesstatt oder) Übernahme in die Pflege wird das Heimatrecht nicht begründet.

§ 8

Frauenspersonen erlangen durch die Verehelichung das Heimatrecht in der Gemeinde, zu welcher ihr Ehegatte zuständig ist.

§ 9

Die Aufnahme ist entweder eine ausdrückliche oder eine stillschweigende.

§ 10

Die ausdrückliche Aufnahme erfolgt durch Beschluß der Gemeindevertretung.

§ 11

Ausländern kann die Aufnahme in den Gemeindeverband nur unter der Bedingung der Aufnahme in den österreichischen Staatsverband zugesichert werden.

§ 12

Jeder österreichische Staatsbürger (kann) die Aufnahme in den Verband einer Gemeinde verlangen, wenn er

(1. die volle Befugnis hat, über sein Vermögen zu verfügen;)

2. in dem Rechte zum Aufenthalte im Gemeindebezirke weder durch die Polizeivorschriften, noch durch andere allgemeine Anordnungen beschränkt ist;

3. wenigstens vier Jahre unmittelbar vorher auf Grundlage eines vorschriftmäßig ausgestellten, nicht erloschenen Heimatscheines oder einer sonstigen vorschriftmäßigen Legitimationsurkunde ununterbrochen und freiwillig im Gemeindebezirke seinen Wohnsitz hatte und während dieser Zeit der Armenversorgung nicht zur Last fiel;

4. sich samt den ihm in der Zuständigkeit folgenden Familiengliedern eines unbescholtenen Rufes erfreut;

5. mit Steuern und Gemeindeabgaben nicht im Rückstande haftet, und

6. den Besitz eines den Unterhalt für ihn und seine Familie sichernden Vermögens oder den wenigstens durch vier Jahre fortgesetzten selbständigen Betrieb eines Nahrungszweiges, wodurch sein und seiner Familie Unterhalt gesichert ist, nachweiset.

Wird die Aufnahme von der Gemeindevertretung verweigert, so entscheidet im Berufungsfalle die der Gemeinde vorgesetzte politische Behörde.

§ 13

Besondere Anordnungen setzen fest, ob und welche Gebühren für die Aufnahme in den Gemeindeverband (§§ 10 und 12) an die Gemeindekasse zu entrichten sind.

§ 14

Die Aufnahme in den Gemeindeverband muß ohne Beschränkung auf eine bestimmte Zeit erteilt werden.

§ 15

Wer sich in einer Gemeinde durch vier Jahre ununterbrochen und freiwillig aufhält und ungeachtet er mit einem giltigen Heimatscheine oder einer sonstigen vorschriftmäßigen Legitimationsurkunde nicht versehen ist, von der Gemeinde geduldet wird, erlangt, insoferne er nicht selbst noch beim Ablaufe des vierjährigen Aufenthaltes der Zuständigkeit eines anderen zu folgen hat und insoferne seinem Verbleiben in der Gemeinde ein gesetzliches Hindernis nicht entgegen steht, die Zuständigkeit in dieser Gemeinde. Ist die Gemeinde zur Ausweisung einer solchen Person nicht selbst befugt, so unterbricht die von ihr bei der vorgesetzten politischen Behörde eingelegte Verwahrung die Erwerbung der Zuständigkeit nach diesem Paragraphe.

§ 16

Durch Duldung einer mit einem giltigen Heimatscheine oder einer sonstigen vorschriftmäßigen Legitimationsurkunde nicht versehenen Person in einem vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke während der ununterbrochenen Dauer von vier Jahren wird an der Zuständigkeit dieser Person nichts geändert.

Inwieferne jedoch die Gutsinhabung für die Kosten der allfälligen Armenversorgung zu haften hat, wird im IV. Abschnitte bestimmt.

§ 17

Definitiv angestellte Hof- und Staatsbeamte, Geistliche und öffentliche Schullehrer erlangen das Heimatrecht in der Gemeinde, in welcher ihre Stelle ihnen den ständigen Aufenthalt anweiset.

§ 18

Bei Veränderungen in der Zuständigkeit folgt die Ehefrau, insoferne sie nicht gerichtlich geschieden ist, dem Gatten, und sie behält auch als Witwe die Zuständigkeit zu jener Gemeinde, in welcher der Gatte zur Zeit seines Ablebens das Heimatrecht hatte. Gerichtlich geschiedene oder getrennte Ehefrauen behalten die Zuständigkeit, die sie zur Zeit der gerichtlichen Scheidung oder Trennung hatten.

§ 19

Bei Veränderungen in der Zuständigkeit der Eltern folgen eheliche Kinder dem Vater und uneheliche der Mutter, insolange sie nicht eigenberechtiget sind.

Die eigenberechtigten Kinder bleiben aber zu jener Gemeinde zuständig, zu der sie bei Erlangung der Eigenberechtigung zuständig waren.

Uneheliche Kinder, welche bei der Verehelichung ihrer Mutter nicht legitimiert werden, behalten, wenn sie auch zur Zeit dieser Verehelichung nicht eigenberechtiget sind, die Zuständigkeit, die sie bis dahin hatten.

§ 20

Der Tod des ehelichen Vaters oder der unehelichen Mutter ändert nichts an der Zuständigkeit der Kinder.

§ 21

Wer die österreichische Staatsbürgerschaft verliert, wird seines bis dahin genossenen Heimatrechtes verlustig.

Die gleiche Folge trifft jene Personen, die ihm in der Zuständigkeit folgen, nur dann, wenn auch sie der österreichischen Staatsbürgerschaft verlustig geworden sind.

§ 22

Sollte eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat, infolge von Staatsverträgen wieder übernommen werden müssen, oder sollte sie in den österreichischen Staat, um daselbst zu verbleiben, wiederkehren und kann deren Übernahme von einem anderen Staate nicht erzielt werden, so tritt sie in die Zuständigkeit zurück, die sie vor dem Verluste der österreichischen Staatsbürgerschaft hatte.

Läßt sich aber diese Zuständigkeit nicht ermitteln, so ist sie jeder Gemeinde zuzuweisen, der sie, wenn die Frage über ihre Zuständigkeit zur Zeit des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft entstanden wäre, nach den Vorschriften des III. Abschnittes hätte zugewiesen werden müssen.

§ 23

Durch Erlangung der Zuständigkeit in einer anderen Gemeinde geht das bisher genossene Heimatrecht verloren.

§ 24

Wird eine Ehe für ungiltig erklärt, so tritt die Frauensperson, die in dieser Ehe gestanden war, in die Zuständigkeit zurück, die sie bis zum Eingehen der Ehe hatte. Ist aber diese Zuständigkeit unbekannt, so verbleibt sie in dem Heimatrechte, das ihr beim rechtsgiltigen Ausspruche über die Ungiltigkeit der Ehe zukam.

§ 25

Durch bloße Verzichtleistung geht das Heimatrecht nicht verloren. Ebensowenig bewirken die Veräußerung der Grundbesitzungen, mit welchen der Heimatberechtigte im Gemeindebezirke ansässig war, oder der Verlust des Gewerbes, das der Heimatberechtigte im Gemeindebezirke betrieb, für sich allein den Verlust des Heimatrechtes.

III. Abschnitt

Von der Behandlung der Heimatlosen

§ 26

Findlinge, deren Eltern nicht bekannt sind, sind der Gemeinde, in welcher sie gefunden werden und wenn sie in einem vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke aufgehoben werden, der dem Fundorte zunächst gelegenen Gemeinde als zuständig zuzuweisen.

§ 27

Findelkinder öffentlicher Findelanstalten, deren Mütter unbekannt sind, sind, solange || S. 90 PDF || nach den bestehenden Vorschriften die Findelanstalt für sie die Verpflegskosten zu bestreiten hat, zur Gemeinde zuständig, wo sich diese Anstalt befindet; bei Beendigung dieser Obliegenheit der Findelanstalt erlangen sie die Zuständigkeit zu jener Gemeinde, in welcher sie sich ain diesem Zeitpunktea in der Verpflegung befinden.

§ 28

Andere Personen, deren Heimat zur Zeit nicht erweislich ist, sind als zuständig zu jener Gemeinde zu behandeln, in welcher sie sich vor dem Zeitpunkte der zur Frage gekommenen Zuständigkeit am längsten, wenigstens aber ein Jahr, ununterbrochen aufgehalten haben.

Hat ihr Aufenthalt in zweien oder mehreren Gemeinden gleich lange gedauert, oder läßt sich ein einjähriger ununterbrochener Aufenthalt nicht ausmitteln, so richtet sich die Zuständigkeit im ersten Falle nach dem spätem und im zweiten Falle nach dem letzten Aufenthalte.

Der Aufenthalt darf jedoch kein unfreiwilliger sein. Auch kann die Anwesenheit an einem Orte, die nicht wenigstens drei Tage dauert, nicht als Aufenthalt angesehen werden.

§ 29

Der nach § 28 ausgemittelten Zuständigkeit folgen auch die Ehefrauen der Heimatlosen, wenn sie mit diesen im gemeinschaftlichen Haushalte leben.

Die Ehefrauen der Heimatlosen, bei welchen dies nicht der Fall ist, sowie die Witwen derselben werden für sich nach § 28 behandelt, insoferne sie nicht bereits eine Zuständigkeit erworben haben.

§ 30

Die nicht eigenberechtigten Kinder der Heimatlosen, insoferne sie mit diesen im gemeinschaftlichen Haushalte leben, erlangen die Zuständigkeit zu jener Gemeinde, welcher ihr Vater, und bei unehelichen oder auch bei ehelichen, deren Vater verstorben ist, ihre Mutter zugewiesen wird.

Die eigenberechtigten, die mit ihren Eltern nicht im gemeinschaftlichen Haushalte lebenden sowie die von beiden Eltern verwaisten Kinder der Heimatlosen werden für sich nach § 28 behandelt, wenn sie nicht bereits eine Zuständigkeit erworben haben.

§ 31

Bei Ausmittlung der Zuständigkeit nach den §§ 28, 29 und 30 kann der Aufenthalt auf einem vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke nur dann berücksichtiget werden, wenn derselbe wenigstens vier Jahre gedauert hat, und wenn er zugleich der längste ist.

In diesem Falle sind die Heimatlosen der dem bAufenthaltsorte imb Gutsbezirke zunächst gelegenen Gemeinde unter Haftung des Gutsbezirkes für die etwaige Armenversorgung zuzuweisen.

§ 32

Reichen die Bestimmungen der §§ 28–31 nicht aus, um hiernach die Zuständigkeit einer heimatlosen Person auszumitteln, so hat die politische Landesstelle, in deren Verwaltungsgebiet sich die heimatlose Person befindet, die Zuweisung derselben an eine Gemeinde dieses Gebietes mit Berücksichtigung aller obwaltenden Verhältnisse zu verfügen.

Befindet sich aber die heimatlose Person, deren Zuständigkeit nach den erwähnten Bestimmungen nicht ausgemittelt werden kann, im Auslande, so bleibt die diesfällige Verfügung dem Ministerium des Inneren vorbehalten.

§ 33

Die nach den §§ 26–32 begründete Zuständigkeit dauert nur insolange, bis die nach den Bestimmungen des II. Abschnittes erworbene Zuständigkeit ausgemittelt oder eine neue begründet wird.

IV. Abschnitt

Von der Versorgung des Heimatberechtigten im Verarmungsfalle

§ 34

In den Einrichtungen und Verpflichtungen der bestehenden Armen- und Wohltätigkeitsanstalten und Stifungen wird durch gegenwärtiges Gesetz nichts geändert.

Soweit die Armenversorgung in der Gemeinde die Pflichten und Mittel dieser Anstalten und Stiftungen übersteigt, ist es Pflicht der Gemeinde, die ihr zuständigen Personen im Verarmungsfalle zu versorgen.

§ 35

Die Versorgungspflicht der Gemeinde schließt die Verbindlichkeiten nicht aus, welche dritten Personen nach dem Zivilrechte oder nach den politischen Gesetzen und Anordnungen in dieser Beziehung obliegen.

Weigern sich diese Personen, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, so sind sie hiezu im gesetzmäßigen Wege zu verhalten, inzwischen hat aber die Gemeinde die Versorgung zu übernehmen, vorbehaltlich des Rechtes, den Ersatz des gemachten Aufwandes von den hiezu Verpflichteten zu verlangen.

§ 36

Die Versorgungspflicht der Gemeinde beschränkt sich auf die Verabreichung des notdürftigen Unterhaltes nach den durch die bestehenden Einrichtungen etwa schon festgesetzten oder in Ermanglung solcher Einrichtungen von der politischen Behörde nach billigem Ermessen festzusetzenden Ausmaße.

Diese Pflicht tritt auch nur insoweit ein, als sich der Heimatberechtigte den notdürftigen Unterhalt nicht mit eigenen Kräften und Mitteln zu verschaffen vermag.

Arbeitsfähige, Unterstützung suchende Personen sind zur Leistung geeigneter Arbeit von der politischen Behörde, nötigenfalls zwangsweise, zu verhalten.

§ 37

Arme, sie seien In- oder Ausländer, welche auf einer Reise erkranken, sind von der Gemeinde oder von dem vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke, wo sie || S. 92 PDF || krank gefunden werden, insolange zu verpflegen, bis sie ohne Nachteil für ihre oder anderer Gesundheit die Reise fortsetzen können.

Die Vergütung der Kur- und Verpflegungs- sowie der allenfälligen Beerdigungskosten kann von den hiezu Verpflichteten gefordert werden.

Die in bezug auf die Verpflegung erkrankter und auf die Beerdigung verstorbener Ausländer bestehenden Verträge werden hiedurch nicht berührt.

§ 38

Den Gemeinden gebührt aus Landesmitteln die Vergütung des Aufwandes, den sie zur Versorgung der ihnen nach Kundmachung dieses Gesetzes zu Folge der §§ 26 und 27 zugewiesenen Personen zu bestreiten verpflichtet sind.

§ 39

In den Fällen der §§ 16 und 31 haftet der vom Gemeindeverbande ausgeschiedene Gutsbezirk für die Kosten der Armenversorgung jedoch nur jener Gemeinde gegenüber, zu welcher die im Falle des § 16 befindliche Person beim Ablaufe des vierjährigen Aufenthaltes zuständig blieb oder an welche nach § 31 der Heimatlose gewiesen wurde.

§ 40

Mit Genehmigung der vorgesetzten politischen Behörde können zwei oder mehrere Gemeinden, (der ihnen obliegenden Armenversorgungspflicht unnachteilig) zu einem Armenbezirke sich vereinigen.

V. Abschnitt

Von den Heimatscheinen

§ 41

Der Heimatschein ist die Urkunde, worin bestätigt wird, daß der Person, welcher er verabfolgt wird, das Heimatrecht in einer bestimmten Gemeinde zusteht.

§ 42

Die Heimatscheine werden von dem Bezirksamte (Stuhlrichteramte) oder nach Maßgabe der Gemeindeordnungen von den Kommunalmagistraten und Gemeindevorstehern ausgefertigt.

§ 43

Die Ausfolgung des Heimatscheines darf keinem Heimatberechtigten verweigert werden.

§ 44

Das Bezirksamt (Stuhlrichteramt) darf den Heimatschein nur über die Bestätigung des Gemeindevorstehers, daß die Partei, welcher er ausgestellt werden soll, in der Gemeinde heimatberechtiget ist, ausfertigen.

Verweigert der Gemeindevorsteher diese Bestätigung, und wird über die dagegen erhobene Beschwerde der Partei erkannt, daß derselben das Heimatrecht in der Gemeinde zustehe, so kann, sobald dieses Erkenntnis rechtskräftig geworden ist, im Grunde desselben der Heimatschein ausgefertiget werden.

|| S. 93 PDF || Verweigert der zur Ausfertigung der Heimatscheine berechtigte Kommunalmagistrat oder Gemeindevorsteher diese Ausfertigung, so kann derselbe, sobald das Heimatrecht der beschwerdeführenden Partei in der Gemeinde durch ein rechtskräftiges Erkenntnis außer Zweifel gesetzt ist, von der vorgesetzten politischen Behörde zur Ausfertigung des Heimatscheines verhalten werden.

§ 45

Der Heimatschein ist eine öffentliche Urkunde. Er ist für die Dauer von vier Jahren auszufertigen.

§ 46

Inwieferne der Heimatschein als Reiseurkunde verwendet werden kann, bestimmen besondere Vorschriften.

VI. Abschnitt

Von dem Verfahren in Heimatangelegenheiten

§ 47

Die Verhandlung und Entscheidung in Angelegenheiten, welche das Heimatwesen und die hierauf gegründete Armenversorgungspflicht betreffen, gehören lediglich in die Kompetenz der politischen Behörden.

§ 48

Insoweit jedoch bei diesen Angelegenheiten streitige Fragen des Zivilrechtes, z. B. über die eheliche oder uneheliche Geburt, miteinfließen, steht die Entscheidung über diese Fragen dem Zivilrichter zu.

§ 49

Vor den Zivilrichter gehören auch diejenigen Ersatzansprüche, welche Gemeinden oder vom Gemeindeverbande ausgeschiedene Gutsbezirke wegen des Aufwandes von Verpflegskosten gegen die zur Versorgung nach dem Zivilrechte verpflichteten Personen erheben.

§ 50

In allen anderen Fällen ist über derlei Ersatzansprüche im politischen Wege zu entscheiden. Selbst in dem Falle des § 49 hat die politische Behörde über den Betrag der aufgewendeten Verpflegskosten zu erkennen, und es kann hierüber im Rechtswege nicht weiter mehr verhandelt werden.

§ 51

Die untere politische Behörde kann mit einer Entscheidung über die, sei es auf Ansuchen einer Partei oder einer Gemeinde oder von Amts wegen, zu lösende Frage der Zuständigkeit nur insoweit vorgehen, als hiedurch eine ihrer Leitung unterstehende Gemeinde als die Zuständigkeitsgemeinde erkannt wird.

Glaubt jedoch dieselbe, daß nach den gepflogenen Erhebungen die Gemeinde eines anderen politischen Bezirkes desselben Kronlandes oder aber die Gemeinde eines anderen Kronlandes als die Zuständigkeitsgemeinde angesehen werden müsse, so ist die Verhandlung im ersten Falle der politischen Landesstelle und im zweiten dem Ministerium || S. 94 PDF || des Inneren zur Entscheidung vorzulegen, insofern im ersten Falle zwischen den bezüglichen unteren politischen Behörden und im zweiten Falle, vorausgesetzt, daß auch die politische Landesstelle die Meinung des unterstehenden politischen Amtes teilt, zwischen den bezüglichen politischen Landesstellen eine einverständliche Entscheidung nicht erzielt werden könnte.

§ 52

In den Fällen der §§16 und 31 hat die politische Behörde, welche über die Zuständigkeit entscheidet, zugleich über die Haftungspflicht der vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke zu erkennen.

§ 53

Gegen die in Angelegenheiten des Heimatrechtes und der hierauf gegründeten Armenversorgungspflicht ergangenen Entscheidungen steht der Instanzenzug an die höhere politische Behörde offen.

§ 54

Unbeschadet der Maßregeln, welche die Behörde aus gesetzlichen Gründen zu ergreifen für notwendig erachtet, darf gegen Personen, deren Zuständigkeit streitig geworden ist, sie mögen sich in einer Gemeinde oder in einem vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke aufhalten, vor erfolgter rechtskräftiger Entscheidung über die streitige Zuständigkeit mit einer Ausweisung oder, wenn eine solche dennoch geschehen wäre, mit einer Zurückschiebung bei Verantwortlichkeit und Haftung für alle Schäden und Kosten nicht vorgegangen werden.

Wurde jedoch die Übernahme von der hiezu nachmals verpflichteten Gemeinde unbegründet verweigert, so hat dieselbe der Gemeinde oder dem vom Gemeindeverbande ausgeschiedenen Gutsbezirke, welchen durch solche Weigerung ein Aufwand verursacht worden ist, diesen Aufwand zu ersetzen.

Sowohl über die Verpflichtung zum Ersatze als auch über den Betrag desselben haben dieselben politischen Behörden zu erkennen, welche zur Entscheidung der streitigen Zuständigkeit berufen waren.

VII. Abschnitt

Von der Wirksamkeit des gegenwärtigen Gesetzes

§ 55

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage, an welchem es durch das Reichsgesetzblatt kundgemacht wird, in Wirksamkeit.

Gleichzeitig treten in Beziehung auf die Gegenstände, worüber dasselbe verfügt, alle früheren mit demselben nicht im Einklange stehenden Gesetze und Anordnungen außer Kraft.

§ 56

Insoferne bereits am Tage, an welchem dieses Gesetz in Wirksamkeit tritt, Heimatrechte nach den früheren Gesetzen begründet sind, bleiben dieselben, bis sie nach Vorschrift dieses Gesetzes verloren gehen, ungeändert. Insoferne aber dies der Fall nicht ist, haben bei Entscheidung aller Fragen über die Zuständigkeit und der hierauf gegründeten || S. 95 PDF || Armenversorgungspflicht lediglich die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zur Richtschnur zu dienen.

Unser Minister des Inneren ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien am ……