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Nr. 324 Ministerkonferenz, Wien, 29. Dezember 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 29. 12.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 36 [1856] –

Protokoll der zu Wien am 29. Dezember 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Pension für den Kreiswundarzt Philipp Angellus

Der Minister des Inneren referierte über die zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Meinungsdifferenz in betreff der unterm 12. Dezember 1855, KZ. 4348, MCZ. 3945, für den pensionierten Stryer Kreiswundarzt Philipp Angellus beantragten Erhöhung seiner Pension von zwei Drittel auf den ganzen Aktivitätsgehalt von 400 fr. Nachdem der Finanzminister auf seiner ablehnenden Äußerung beharrte, weil dem Angellus bereits durch die Erhöhung seines Ruhegenusses von der Hälfte auf zwei Drittel des Gehalts mit Ah. Entschließung vom 16. Februar 1854, KZ. 592, MCZ. 478, bereits eine Gnade zuteil geworden ist, so glaubte der Minister des Inneren , seinen Antrag auf eine weitere Begünstigung vornehmlich mit Rücksicht auf dessen in der jüngsten Zeit durch aufopfernde Hilfeleistung im Militärspitale erworbenen neuen Verdienste der Ah. Gnade Sr. Majestät empfehlen zu dürfen1.

II. Mietzins für das Bezirksamt in Hohenstadt

In der zeuge des Vortrags vom 5. Dezember 1855, KZ. 4277, MCZ. 3872, zwischen dem Minister des Inneren und dem Finanzminister obwaltenden Meinungsverschiedenheit wegen des der Stadtgemeinde Hohenstadt für die Unterbringung des Bezirks- und Steueramts zu bewilligenden Mietzinses haben sich – trotz der auf die Strenge des Rechtes basierten Einsprache des Finanzministers – die mehreren Stimmen der Konferenz, nämlich die Minister der Justiz und des Handels, dem Antrage des Minister des Inneren für die Mietzinsbewilligung aus den im Vortrage angeführten Billigkeitsrücksichten angeschlossen2.

III. Quieszentengenuß für den Komitatsingenieur Ladislaus Vörös

Der Vortrag des Ministers des Inneren vom 30. November 1855, KZ. 4206, MCZ. 3822, bezielt – gegen die auch beim Vortrage in der Konferenz aufrechterhaltene Einsprache des Finanzministers – die Erwirkung einer Pension oder vielbesonderer || S. 211 PDF || mehr eines Quieszentengenusses von jährlich 200 fr. für den Komitatsingenieur Ladislaus Vörös im Wege der Gnade, welchen Antrag der Minister des Inneren auch heute mit der Rücksichtswürdigkeit der 33jährigen ersprießlichen Verwendung des Bittstellers im öffentlichen Dienste, mit dessen Bedürftigkeit und geringer Aussicht auf Wiederanstellung motivieren und zur Ah. Genehmigung empfehlen zu können erachtete3.

IV. Pension für den Komitatsphysikus Dr. Eduard Bartsch

Wegen Beteilung des Komitatsphysikus’ Dr. Eduard Bartsch besteht laut des Vortrags vom 10. Dezember 1855, KZ. 4316, MCZ. 3912, nur über das Ausmaß der Gnadenpension eine Verschiedenheit der Meinungen zwischen den Ministern des Inneren und der Finanzen. Während der letztere von seinem Standpunkte aus mehr als 166 fr. 40 Kreuzer nicht zugestehen zu können erklärte, vertrat der erstere seinen Antrag auf 250 fr. durch die im Vortrage dargestellten Billigkeits- und politischen Rücksichten, und die übrigen Stimmen der Konferenz schlossen sich dieser günstigeren Meinung an4.

V. Veruntreuung des Pils’schen Waisenkapitals

In der laut Vortrags vom 23. November 1855, KZ. 4140, MCZ. 3762 zwischen dem Justiz- und dem Finanzminister bestehenden Differenz wegen vorschußweiser Vergütung des den Pils’schen Waisen durch den Hohenfurter Rechnungsführer Lang veruntreuten Betrags von 58 fr. 24 ¾ Kreuzer aus dem Staatsschatze gegen Regreß an dem Schuldtragenden traten mit Ausnahme des Finanzministers die übrigen Stimmen salvo principio über die Haftung des Ärars, worüber die Verhandlung noch im Zuge ist, der Meinung des Justizministers aus den von ihm angeführten Gründen bei5.

VI. Konzession für die Wien–Linz–Salzburg–Passauer Bahn

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten brachte die Frage über die Wahl der Konzessionäre für die Wien–Linz–Salzburger und Passauer Eisenbahn in Vortrag6. Um die Konzession zur Ausführung dieser Bahn bewerben sich 1. eine Gesellschaft deutscher Kapitalisten, an der Spitze Lindheim von Prag, Merck und dann Schmid avon Hamburga, Löbbecke bvon Breslaub, Oppenheim von c Köln etc. Sie hat bereits Vorarbeiten unternommen, die bald beendet sein werden, sie unterwirft sich der Bestimmung der Regierung über die Wahl der Trasse sowie den sonstigen Bestimmungen des Eisenbahnkonzessionsgesetzes || S. 212 PDF || und bedingt sich ein Privilegium auf 90 Jahre, 5 Jahre Frist zur gänzlichen Herstellung der Bahn, die Garantie 5%iger Zinsen des Anlagekapitals von Seite der Staatsverwaltung und ein entsprechendes Amortisationsperzentd . 2. Die Nordbahngesellschaft in Verbindung mit englischen Kapitalisten, welche keine andere Bedingung stellt, als die Überlassung der Bahn auf 90 Jahre und die fünfjährige Frist zur Vollendung der Bahn. 3. Die k. k. privilegierte Eisenbahngesellschaft, welche sich zwar über die Bedingungen noch nicht ausgesprochen hat, aber wahrscheinlich keine andere ansprechen dürfte als die Nordbahngesellschaft. 4. Eine englische Gesellschaft, welche verlangt, daß die Staatsverwaltung sich bei dem Bau etc. mit einem Drittel des Anlagekapitals beteilige, endlich 5. die Linz–Gmunden und Budweiser Eisenbahngesellschaft.

Die beiden letzteren dürften bei der Wahl außer Anschlag bleiben, weil jene sub 4 die nicht annehmbare Bedingung der Beteiligung der Staatsverwaltung gestellt hat, und jene sub 5 nicht die erforderliche Bürgschaft für das Zustandekommen eines so ausgedehnten Baues gewähren dürfte. Gegen die drei ersteren ergäbe sich in dieser Beziehung kein Bedenken. Wenn aber die Staatsverwaltung bei ihrer Wahl sich nicht bloß von ökonomischen, sondern auch von politischen Rücksichten leiten lassen will, so dürften hiebei folgende Erwägungen maßgebend sein: Der privilegierten Staatseisenbahngesellschaft (3) ist bereits der Betrieb so ausgedehnter Bahnstrecken überlassen worden, daß eine abermalige Erweiterung derselben ihr ein wirklich bedenkliches Übergewicht geben würde. Bei der Nordbahn wäre dies ezwar nichte der Fall; sie würde ferner bis zur Hälfte des Anlagekapitals sich der Hilfe englischer Kapitalisten bedienen, hiermit fremdes Geld hereinziehen und durchaus keine lästigen Bedingungen stellen7. Weil es aber im Interesse der Regierung liegt, für Unternehmungen im Inlande neue Geldplätze des Auslandes zu eröffnen, glaubt f der Handelsminister bei der Wahl der Konzessionäre dieser Eisenbahn der Gesellschaft norddeutscher Kapitalisten den Vorzug einräumen gzu solleng . Sie stellt im wesentlichen keine anderen Bedingungen als die Nordbahn. Die einzige scheinbare lästige Bedingung wäre die Garantie der 5%igen Zinsen. Allein diese dürften nicht abschrecken, weil die Bahn jedenfalls eine sehr rentable zu werden verspricht, bei welcher die Staatsverwaltung kaum jemals zur wirklichen Zahlung eines Ausfalls in Anspruch genommen werden wird. Es wäre auch möglich, daß die Gesellschaft bei der weitern Unterhandlung von dieser Forderung abginge; nachdem sie aber wesentlich nur darauf berechnet ist, den Reiz zur Beteiligung der Kapitalisten zu erhöhen, so schiene es selbst im Interesse der Regierung nicht ratsam zu sein, die Gesellschaft zur Verzichtleistung auf die gedachte Bedingung || S. 213 PDF || zu drängen. Der Handelsminister schlug daher vor, bei Sr. Majestät die Erteilung der Konzession an die deutsche Gesellschaft in Antrag zu bringen. Im Falle der Ah. Genehmigung und der Zulassung der 5%igen Zinsengarantie würde bezüglich der letzteren entweder ein bestimmtes Kapital ziffermäßig festzusetzen oder das seinerzeit gehörig auszuweisende Gestehungskapital anzunehmen sein.

Der Finanzminister stimmte der Meinung des Handelsministers vollkommen bei. Auch er besorgt nicht, daß es jemals zur Zahlung der garantierten Zinsen kommen werde; und sollte der Fall außerordentlicher Umstände wegen wirklich eintreten, so würde sich die Regierung an den späteren Überschüssen der Gesellschaftserträgnisse regressieren. Von großem Gewichte aber erscheint ihm die Hereinziehung norddeutscher Kapitalien, welche durch den Kredit der in der Bewerbung unterzeichneten, sehr achtbaren ausländischen Firmen verbürgt ist. Auch die übrigen Stimmen der Konferenz waren mit dem Antrage des Handelsministers einverstanden – der Minister des Inneren mit dem Beisatze, daß die Ausführung des Baues durch die Stipulation der Vollendung einer gewissen Strecke binnen einer peremptorischen Frist sichergestellt werde, was, nach der Bemerkung des Handelsministers, Gegenstand der weitern Unterhandlung mit der Gesellschaft sein wird8.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 9. Jänner 1856.