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Nr. 320 Ministerkonferenz, Wien, 4. Dezember 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 4. 12.), Bach, K. Krauß, Toggenburg, Bruck; abw. Thun.

MRZ. – KZ. 35 [1856] –

Protokoll der zu Wien am 4. Dezember 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Militärsupplentengesetz

Der tg. gefertigte Vorsitzende eröffnete der Konferenz den Inhalt einer Zuschrift des Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät, FML. Grafen v. Grünne, wegen Vornahme der Konferenzberatung in dessen Beisein über den Entwurf eines Militärsupplentengesetzes. Hierüber wurde auf Antrag des Ministers des Inneren beschlossen, den gedachten Generaladjutanten um Mitteilung des Entwurfs zur vorläufigen Einsicht anzugehen1.

II. Behandlung der italienischen Flüchtlinge und ihres Vermögens

Der Minister des Inneren referierte über die im Einvernehmen mit dem Minister des Äußern Sr. Majestät zu erstattenden Anträge zur gänzlichen Erledigung der Angelegenheit der politischen Flüchtlinge aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche und des auf deren Vermögen gelegten Sequesters2.

Bisher wurden Gesuche solcher Flüchtlinge um straffreie Rückkehr ins Königreich und um Aufhebung des auf deren Vermögen gelegten Sequesters infolge Ah. Ermächtigung Sr. Majestät anach Maßgabe der Anträge des Generalgouverneurs Grafen Radetzky in der Regela einvernehmlich zwischen den beiden Ministern verhandelt und von Fall zu Fall der Ah. Gnade Sr. Majestät empfohlen. Hierbei hätte es auch für die Zukunft zu verbleiben. Es gibt jedoch auch einige solcher Flüchtlinge, welche ihrer persönlichen Verhältnisse wegen diese Ah. Gnade in Anspruch zu nehmen nicht in der Lage sind, oder denen sie, wenn sie es auch täten, dieselbe verweigert werden müßte. Um nun auch mit diesen zu einer die fortwährenden Reklamationen der Nachbarregierung3 befriedigenden Ausgleichung zu kommen, wäre in ähnlicher Weise wie mit den ersteren zu verfahren. Sobald nämlich einer dieser Flüchtlinge in einer Eingabe an die k. k. Regierung die Untunlichkeit seiner Rückkehr in die k. k. Staaten dartut und um die Aufhebung des auf jenes Vermögen gelegten Sequesters bittet, wäre die Sache Sr. Majestät mit dem Antrage auf Ah. Gewährung gegen das vorzulegen, daß der Bittsteller sein in den k. k. Staaten gelegenes Realeigentum binnen einer bestimmten Frist zu veräußern habe. Eine allgemeine Aufforderung hierwegen oder eine Kundmachung wäre nicht zu || S. 194 PDF || erlassen, sondern sich, wie bei den um die Rückkehr Bittenden auf die Entscheidung von Fall zu [Fall zu] beschränken. Durch einen solchen Vorgang würde das Untertansband der Ausgewanderten mit dem österreichischen Staate gelöst und die von der sardinischen Regierung gewünschte Anerkennung derselben als ihre Untertanen ermöglicht werden. Die Bedingung der Veräußerung der liegenden Güter solcher Personen aber erscheint durch den Umstand gerechtfertigt, daß es sich hier nicht um einfache Auswanderer, sondern um politische Flüchtlinge handelt, deren Vermögen aus politischen Rücksichten mit Beschlag belegt worden ist, denen also wohl die Bedingungen vorgeschrieben werden können, unter welchen sie die Befreiung davon zu erwarten haben. Dem Antrage, denjenigen italienischen Flüchtlingen, welche darum bitten, die Lösung des österreichischen Untertansverbandes von Sr. Majestät zu erwirken, traten der Justiz- und der Handelsminister unbedingt, der Finanzminister aber noch mit dem Beisatze bei, daß hier wegen bin Verbindung mit der gänzlichen Aufhebung des Sequestersb selbst eine öffentliche Kundmachung bzw. Aufforderung erlassen werden könnte, was jedoch der Minister des Inneren unter Beistimmung der übrigen Stimmführer aus dem Grunde widerriet, weil einerseits der k. k. Regierung an der Lösung dieses Verbandes nichts liegt und sie sich andererseits der Gefahr aussetzt, daß man einer solchen Aufforderung, wie es mit der Amnestie4 der Fall war, nicht die gehörige Beachtung widme. Was die Aufhebung des Sequesters auf das den Flüchtlingen gehörige Vermögen betrifft, so möchten die genannten drei Stimmführer dieselbe unbedingt ausgesprochen wissen. Abgesehen davon, daß die Rechtmäßigkeit der Verhängung desselben nicht zweifellos ist, erscheine die Fortdauer desselben oder die an dessen Aufhebung geknüpfte Bedingung der Veräußerung der liegenden Güter denjenigen gegenüber, welche infolge ihres Ansuchens als fremde Untertanen erkannt werden, kaum gerechtfertigt; als solche würden sie im Besitze ihrer liegenden Güter wie andere sujets mixtes angesehen werden. Überdies ist die Wirkung, die mit der Verhängung des Sequesters beabsichtigt war, erreicht; die revolutionäre Partei muß einsehen, daß jeder weitere Versuch sie an der empfindlichsten Seite der Italiener, am Eigentum, treffen würde. In der Erwartung also, daß eine Maßregel dieser Art künftig nicht mehr notwendig sein werde, dürften Se. Majestät durch einen allgemeinen Gnadenakt, der gewiß den besten Eindruck machen würde, die Sequestration, die überdies noch der Finanzverwaltung Ungelegenheit und Opfer verursacht, beheben lassen. Die vorgeschlagene Bedingung der Veräußerung der Realitäten würde endlich auch nur von untergeordneter Wirkung sein und die Lösung der Hauptfrage, nämlich die Anerkennung der erworbenen fremden Staatsbürgerschaft, nicht wesentlich erleichtern, weil sie nur die wenigen Begüterten träfe und die Mehrzahl der Flüchtlinge gar nicht berührte.

|| S. 195 PDF || Der Minister des Inneren erklärte sich jedoch gegen diese Ansicht, weil ein unbedingtes Aufgeben des nun einmal von der Regierung verhängten Sequesters als ein Geständnis eines Irrtums und einer dem Einfluß einer fremden Regierung gemachten Konzession ausgelegt und in diesem Sinne gegen die österreichische Regierung geltend gemacht werden würde.

cDer Finanzminister glaubte dagegen zu erinnern, daß ein solcher Akt das Selbstvertrauen und die Kraft der Regierung beurkunden und die Gerechtigkeit derselben neuerdings ins hellste Licht stellen würdec Der Finanzminister glaubte dagegen zu erinnern, daß ein solcher Akt das Selbstvertrauen und die Kraft der Regierung beurkunden und die Gerechtigkeit derselben neuerdings ins hellste Licht stellen würde. dDer Minister des Inneren behielt sich vor, den fraglichen Gegenstand nochmals einer eindringlichen Erwägung zu unterziehen und ihn sohin nochmals in Vortrag zu bringend Der Minister des Inneren behielt sich vor, den fraglichen Gegenstand nochmals einer eindringlichen Erwägung zu unterziehen und ihn sohin nochmals in Vortrag zu bringen, 5.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 5. Jänner 1856.