Inhaltsverzeichnis des Bandes

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Nr. 314 Ministerkonferenz, Wien, 27. Oktober 1855 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 27. 10.), Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck; abw. Bach.

MRZ. – KZ. 4236 –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll II der zu Wien am 27. Oktober 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Errichtung von Schulpräparandien in Ungarn

Der Minister für Kultus und Unterricht referierte über eine Meinungsdifferenz, welche sich zwischen ihm und dem Finanzminister bei der Verhandlung über die Errichtung von Lehranstalten für Schullehrerpräparanden1 in Ungarn ergeben hat. Es ist nämlich beabsichtigt, die bisher in Ungarn bestehenden sechs Lehranstalten auf zwölf zu vermehren und nach dem Muster der in den deutschen Kronländern bestehenden einzurichten. Hierzu wird außer den reichlich gebotenen Leistungen und Beiträgen der Gemeinden und Bischöfe zur Besoldung der Lehrer eine Summe von ca. 14.000 f. jährlich aus dem im ganzen aktiven Studienfonds in Anspruch genommen, welche der Finanzminister, da der ungrische Studienfonds aus dem Staatsschatze dotiert wird, vorderhand nicht zugestehen will und vielmehr auf weitere Opfer von Seite der Bischöfe und Gemeinden sowie auf eine nur allmählige Ausführung der ganzen Einrichtung hindeutet. Der Finanzminister erklärte auch heute, von dieser seiner Ansicht nicht abgehen zu können.

Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Zwecks und auf die Dringlichkeit der Ausführung der für das Volksschulwesen Ungarns so gedeihlichen Maßregel glaubte der Unterrichtsminister auch seinerseits auf seinem Antrage verharren zu sollen, nachdem der vom Finanzminister angedeutete Vorgang bei den von Seite || S. 171 PDF || der Beteiligten bereits gebrachten Opfern kaum ein Resultat haben und die Ausführung der Maßregel allzusehr in die Länge ziehen würde. Der Justizminister trat dem Antrage des Unterrichtsministers bei. Der Handelsminister ebenfalls2.

Wien, den 27. Oktober 1855. Gr[af] Buol.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 14. Dezember 1855.

Anmerkungen

1 Vorbereitungsschüler.
2 Vortrag Thuns v. 27. 10. 1855, HHSTA, Kab. Kanzlei, MCZ. 3551/1855, und Ah. E. v. 14. 12. 1855, welche lautete: Hierüber verordne Ich wie folgt: 1. Anstelle der auf Kosten des ungarischen Studienfonds im Jahre 1842 errichteten Präparandien zu Pest, Szegedin, Miskolcz, Neuhäusel, Groß-Kanizsa, dann der im Jahre 1846 zugewachsenen Präparandie in Raab sind zwölf neue, mit Hauptschulen in Verbindung zu setzende katholische Lehrerbildungsanstalten, und zwar elf für männliche und eine für weibliche Lehramtskandidaten, erstere zu Pest, Kalocsa, Tyrnau, Großwardein, Kaschau, Szathmar, Neusohl, Gran, Oedenburg, Fünfkirchen und Raab, letztere an dem Institute der Englischen Fräulein in Pest – mit den in dem vorgelegten Plane bezeichneten Unterrichtssprachen, sobald als möglich zu aktivieren und nach den von Ihnen entworfenen Bestimmungen, welche hiermit Meine Genehmigung erhalten, einzurichten. 2. In der Voraussetzung, daß die Kosten der Lehrlokalität sowie der Instandhaltung, Einrichtung und Beheizung aus Lokalmitteln werden bestritten werden, bewillige Ich, daß die Gehalte der eigentlichen Präparandenlehrer, und zwar eines an jeder Anstalt für Pest mit jährlich 800 fl., für die anderen mit 700 fl. aus dem ungarischen Studienfonds erfolgt werden. Dieser Fonds hat ferner auch die auf Remunerationen für die Hilfs- und Nebenlehrer sowie auf die Beihilfe zur Anschaffung der kostspieligen Lehrmittel, endlich auf Stipendien für Kandidaten an jeder einzelnen Anstalt erforderlichen Beiträge in dem beantragten Maße, und rücksichtlich der Kandidatenstipendien auf die Dauer des Mangels an katholischen Volksschullehrern in Ungarn jährlich zu leisten. 3. Den Katecheten, welche den Religionsunterricht der Lehramtskandidaten zu leiten haben werden, können nach Bedürfnis zeitweilige oder jährliche Remunerationen bis zu dem Betrage von 100 fl. aus dem ungarischen Religionsfonds dort bewilligt werden, wo die Bischöfe die Entlohnung dieser Katecheten ablehnen und andere Lokalmittel hierzu durchaus nicht aufgefunden werden sollten. 4. Auf die Dauer des Mangels an katholischen Volksschullehrern können in Absicht auf die Aufnahmsbedingungen, nach Umständen auch auf die Bildungsdauer der Lehramtskandidaten, jene Erleichterungen, welche sich als unabweislich herausstellen, nach dem Ermessen des Unterrichtsministeriums getroffen werden. 5. Den betreffenden Bischöfen und Stadtgemeinden ist bekanntzugeben, daß Ich ihre für das Zustandekommen dieser neuen Lehrerbildungsanstalten an den Tag gelegte Beitragswilligkeit wohlgefällig zur Kenntnis genommen habe, und erwarte, daß sie zur Schonung des Studienfonds an der Erhaltung der Anstalten auch noch mit weiteren Beiträgen sich beteiligen werden. 6. Schließlich ist es Mein Wille, daß wegen der Einführung von Lehrkursen über Katechetik und Schulpädagogik für die katholischen Theologen in Ungarn, damit die dortigen katholischen Volksschulen in Zukunft auch tüchtige Katecheten und Vorsteher erhalten, die die geeignete Verhandlung mit dem Fürstprimas und den Ordinariaten eingeleitet und der Erfolg Mir zur Kenntnis gebracht werde.

Zitierhinweis

Sitzung 314, in: ÖMR, Abteilung III, Das Ministerium Buol–Schauenstein, Band 4 (=Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867 online), URL: https://mpr.oeaw.ac.at/pages/show.html?document=MRP-1-3-04-0-18551027-P-0314.xml, abgerufen 16.04.2024.