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Nr. 313 Ministerkonferenz, Wien, 27. Oktober 1855 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 27.10.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Salzberg.

MRZ. – KZ. 4235 –

Protokoll I der zu Wien am 27. Oktober 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Gebührenentrichtung von den beim Obersthofmarschallamt abgehandelten Verlassenschaften der Mitglieder des Ah. Kaiserhauses

Gegenstand der Beratung waren die mit dem in Abschrift beiliegenden Ah. Kabinettsschreiben vom 23. Hornung d. J. gestellten Fragepunkte hinsichtlich der Gebührenentrichtung von den bei dem Obersthofmarschallamte abgehandelten Verlassenschaften der Mitglieder des kaiserlichen Hauses und der – mit oder ohne Recht der Exterritorialität – der Gerichtsbarkeit dieses Hofamtes sonst zugewiesenen Personen1, und zwar:

1. Ob und unter welchen Modifikationen von den Erbschaften, welche beim Obersthofmarschallamte abgehandelt werden und bei denen Familienmitglieder des kaiserlichen Hauses beteiligt sind, mit Rücksicht auf die dynastisch-monarchische Stellung derselben eine Bemessung und Entrichtung der im Patente vom 9. Februar 1850 festgesetzten Gebühren2 Platz greifen oder ob sich dieselbe nur auf das unbewegliche oder auch auf das bewegliche Verlassenschaftsvermögen erstrecken könne.

2. Welche Einflußnahme auf die Bemessung der Gebühren dem Obersthofmarschallamte in Erwägung seiner besonderen Stellung einzuräumen und welches Verfahren hiebei überhaupt und insbesondere bei etwa sich ergebenden Zweifeln vorzuziehen sei.

3. (a) Ob bei Vermögensübertragungen durch Akte unter Lebenden und bei denen Familiengliedern des kaiserlichen Hauses beteiligt sind, mit Rücksicht auf den Gegenstand und Rechtstitel der Übertragung das Patent vom 9. Februar 1850 unverändert anzuwenden und (b) ob die bei den Erbschaften der Familienglieder des kaiserlichen Hauses festzustellenden Grundsätze auch auf die Erbschaften der übrigen mit oder ohne Recht der Exterritorialität der Gerichtsbarkeit des Obersthofmarschallamtes zugewiesenen Personen auszudehnen seien.

4. Ob die Gepflogenheit, nach welcher die Taxen für die beim Obersthofmarschallamte abzuhandelnden Verlassenschaften mit einem nicht zu überschreitenden || S. 159 PDF || Maximum den Beamten desselben zu überlassen waren, noch ferner beibehalten werden könne, oder auf welche Weise eine Änderung darin einzutreten habe.

In dem den bezüglichen Akten beiliegenden, umständlich begründeten Gutachten3 werden von dem Obersthofmarschallamte nachstehende Anträge gestellt: Zu 1. Von den Erbschaften, welche beim Obersthofmarschallamte abgehandelt werden und bei denen Familienglieder des kaiserlichen Hauses beteiligt sind, findet mit Rücksicht auf die dynastisch-monarchische Stellung derselben, insofern es sich um persönliche Rechte und um die Erwerbung persönlicher Sachenrechte handelt, eine Bemessung und Entrichtung der im Patente vom 9. Februar 1850, § 106, lit. b, festgesetzten Gebühren für Besitzveränderungen von Todes wegen gar nicht, in Ansehung des unbeweglichen Vermögens aber nur insoweit statt, als es auf die Erwerbung dinglicher Sachenrechte durch bücherliche Eintragung auf eine Realität oder auf eine hierauf intabulierte Post ankommt, wo nach § 45 A, lit. b, des Patents die Gebühr mit 1 ½% zu bemessen und zu entrichten ist.

Zu 2. Die Einflußnahme des Obersthofmarschallamtes auf die Bemessung der Gebühren beschränkt sich so wie bei jeder anderen Gerichtsbehörde bloß auf die Bekanntgebung der faktischen Verhältnisse, welche der den Finanzbehörden allein zustehenden Gebührenbemessung zum Grunde gelegt werden müssen.

Zu 3. (a) Bei Vermögensübertragungen unter Lebenden, bei denen Familienglieder des kaiserlichen Hauses beteiligt sind, findet das Patent vom 9. Februar 1850 nur in Ansehung des Gegenstandes, nicht aber in Ansehung des Rechtstitels Anwendung. (b) Bestimmt die Ah. Entschließung vom 30. Juli 1851 rücksichtlich des Fürsten v. Liechtenstein und des Grafen v. Chambord4, wie weit sich die ihnen zugestandene Begünstigung des obersthofmarschallämtlichen Gerichtsstandes auszudehnen habe. Die durch Ah. Resolution eben diesem Gerichtsstande ohne weiteren Beisatz zugewiesenen höchsten Personen: Frau Gräfin v. Meran und Herr Graf v. Meran und der Prinz v. Wasa, dürften gleich den kaiserlichen Familiengliedern in Erbschaftssachen behandelt werden5.

Alle übrigen, welche das Recht der Exterritorialität genießen, werden in Ansehung der beim Obersthofmarschallamte abgehandelten Verlassenschaften, so viel es das bewegliche Vermögen betrifft, gebührenfrei, rücksichtlich des unbeweglichen aber nach dem Gebührengesetze zu behandeln sei.

4. Dürfte die uralte Gepflogenheit, nach welcher die Taxen für die beim Obersthofmarschallamte abzuhandelnden Verlassenschaften mit einem nicht zu überschreitenden Maximum den Beamten desselben überlassen waren, im Grunde der Ah. Entschließung vom 7. Februar 1818 fortan aufrechterhalten bleiben6.

|| S. 160 PDF || Hierüber gab der Finanzminister nachstehendes Votum ab: Das Obersthofmarschallamt geht von der Voraussetzung aus, daß die Ah. Patente vom 9. Februar und 2. August 1850 7 auf die Mitglieder des Ah. Kaiserhauses und die der Jurisdiktion des Obersthofmarschallamtes zugewiesenen exterritorialen Personen keine Anwendung habe und daß das Ansinnen, diese Patente auf die besagten höchsten und hohen Personen anzuwenden, mit den Prärogativen derselben unvereinbarlich sei. Allein diese Voraussetzung ist ungegründet. In der Tarifpost 75 der Gesetze vom 9. Februar und 2. August 1850 werden in den Absätzen a, c, d, e unter den persönlichen Befreiungen auch jene angeführt, welche Se. k. k. apost. Majestät, die Glieder des Ah. Kaiserhauses, die k. k. Patrimonial-, Avitical- und Familienfondskassendirektion, die Verwaltung der dem Ah. Hofe zugehörigen Realitäten und Industrieunternehmungen, endlich die Gesandten fremder Mächte, wenn sie zugleich Angehörige auswärtiger Staaten sind, genießen und wird dadurch ausgesprochen, daß die berufenen Gesetze in allen Beziehungen Anwendung haben, in welchen die angeführten Befreiungen nicht stattfinden. Dasselbe galt von den früheren Stempelgesetzen von 1802 und 1840, denn die unter Tarifpost 75 sub a, c, d, e enthaltenen Befreiungen sind nicht neuen Ursprungs, sondern stimmen wörtlich mit dem Inhalte jener Ah. Entschließung überein, welche aus Anlaß der Gesetze von 1802 und 1840 erflossen sind8. Da sie unmittelbare Ah. Willensäußerungen über dasjenige sind, was die Familienglieder des Ah. Kaiserhauses an den Staatsschatz zu leisten und nicht zu leisten haben, so dürfte ihre Vereinbarlichkeit mit den Prärogativen des Ah. Kaiserhauses nicht mehr in Frage stehen, sondern nur zu erörtern sein, wie sich diese Ah. Entschließungen und die den Gesetzen vom 9. Februar und 2. August 1850 nachgefolgten weitern Ah. Entschließungen von 1851 und 1852 bezüglich der Steueranforderungen an Glieder des Ah. Kaiserhauses zu den gegenwärtigen Anträgen des Hofmarschallamtes verhalten. Die Ah. Gesetze und Entschließungen enthalten nachstehende Bestimmungen:

a) Se. Majestät und überhaupt die Mitglieder des Ah. Kaiserhauses sind hinsichtlich der Urkunden und Schriften, welche von Allerhöchst- oder Höchstdenselben ausgestellt werden oder gefertigt sind, gebührenfrei9.

b) Die k. k. Patrimonial-, Avitical- und Familienfondskassendirektion ist hinsichtlich der Rechtsgeschäfte, Urkunden und Schriften, welche sich auf andere Gegenstände als eine unbewegliche Sache beziehen, gebührenfrei10.

c) Die zur Verwaltung der dem Ah. Hofe gehörenden Realitäten oder Industrieunternehmungen bestellten Ämter unterliegen in Absicht auf die Anwendung der || S. 161 PDF || Stempelvorschriften den allgemeinen Anordnungen11. Der Behörde, welche den zur Verwaltung der erwähnten Realitäten oder Industrieunternehmungen bestellten Ämter vorgesetzt ist, kommt die den öffentlichen Behörden und Ämtern eingeräumte Befreiung zu.

Aus diesen Anordnungen des Gesetzes und der Ah. Entschließungen, und zwar aus der ersten, geht hervor, daß die darin ausgesprochene Befreiung ihren Grund allein in der Absicht habe, die Personen der Familienglieder des Kaiserlichen Hauses von der Verantwortlichkeit für den richtigen Gebrauch des Stempels loszuzählen, nicht aber eine eigentliche Gebührenfreiheit auszusprechen, sonst wäre als Bedingung nicht beigefügt worden: „wenn sie von Allerhöchst- oder Höchstdenselben ausgestellt werden oder gefertigt sind“, da Allerhöchst- und Höchstdieselben doch die wenigsten Rechtsgeschäfte selbst zu vollziehen pflegen, welche Beschränkung sich auch aus der Ah. Entschließung vom 15. Februar 1840 12 ergibt. Aus der zweiten und dritten ist zu entnehmen, daß der Ah. Hof weder in Absicht auf die Erwerbung noch den Besitz und die Verwaltung unbeweglicher Sachen eine Befreiung für sich bisher in Anspruch genommen hat. Beigefügt muß werden, daß weder Se. Majestät noch die Mitglieder des kaiserlichen Hauses eine Befreiung von den durch die Taxordnungen festgesetzten Gebühren, sie mögen in den Staatsschatz oder in die Kasse des Privatgerichtshalters geflossen sein, genossen und daher auch alle Grundbuchs-, Landtafel- und Besitzveränderungsgebühren entrichtet haben; daß nach der Ah. Entschließung vom 7. September 1818 (JGS. 1496) die Familienglieder des kaiserlichen Hauses auch für die Amtshandlungen des Obersthofmarschallamtes die Taxen nach den jeweiligen Taxordnungen des niederösterreichischen Landrechts und statt des darin vorgeschriebenen Mortuars13 eine Gebühr bis zum Betrage von höchstens 10.000 f. zu entrichten haben. Der Antrag des Obersthofmarschallamtes, daß die Familienglieder des Ah. Kaiserhauses bei Vermögensübertragungen unter Lebenden und von Todes wegen in Hinkunft nur bezüglich der bücherlichen Eintragungen die durch die Gesetze vom 9. Februar und 2. August 1850 festgesetzten Gebühren entrichten sollen, dagegen aber die für die Amtshandlungen des Hofmarschallamts bewilligten Gebühren ferner aufrechterhalten werden sollen, weil sie einen Bezug der Beamten des Obersthofmarschallamts bilden, geht daher weit über die Grenzlinie der bisherigen Antezedentien.

Die weitere Absicht des Obersthofmarschallamts, durch eine Befreiung der Verlassenschaften der Familienglieder des Ah. Kaiserhauses und der Exterritorialen jeder Berührung mit dem Zentraltaxamte auszuweichen, würde dadurch noch nicht erreicht werden, weil noch andere Personen als die Familienglieder des Ah. Kaiserhauses als Erben und Legatare eingesetzt werden können und für diese auch nicht der mindeste Grund zu einer Befreiung von der durch die Gesetze vom || S. 162 PDF || 9. Februar und 2. August festgesetzten Gebühren geltend gemacht werden könnte. In pflichtmäßiger Festhaltung der bisherigen Ah. Willensmeinungen und mit Rücksicht auf den Inhalt der den Gesetzen vom 9. Februar und 2. August 1850 nachgefolgten Ah. Entschließungen von 1851 und 1852, daß bei den Familiengliedern des Ah. Kaiserhauses rücksichtlich der Person und alles dessen, was mit derselben in unmittelbarer Verbindung steht, eine Steuerforderung nicht eintreten solle; ferner in Berücksichtigung, daß die mit Ah. Entschließung vom 30. Juli 1851 erfolgte Bewilligung des Gerichtsstandes des Obersthofmarschallamts für den souveränen Fürsten von Liechtenstein und die Glieder des Hauses Bourbon älterer Linie14 nicht aus dem Grunde einer ihnen zustehenden Steuerfreiheit, sondern nur in Aufrechthaltung der durch Art. III des Patents vom 18. Juni 1850 (RGBl. Nr. 237/[1850]) den Personen, welchen das Recht der Exterritorialität zusteht, gemachten Vorbehalts geschah und selbst diese Bewilligung sich auf das den genannten Personen gehörige Real- und Fideikommißvermögen nicht erstreckt, erlaube ich mira, die folgenden Bestimmungen vorzuschlagen:

„1. Die Familienglieder Meines kaiserlichen Hauses genießen bei Rechtsgeschäften unter Lebenden über bewegliche Sachen, ferner als Erben oder Legatare bezüglich der beweglichen Nachlaßsachen die persönliche Befreiung von den durch die Gesetze vom 9. Februar und 2. August 1850 vorgeschriebenen Gebühren. Diese Befreiung erstreckt sich nicht auf die Eintragung in die öffentlichen Bücher zur Erwerbung dinglicher Rechte (Tarifpost 45 BD) und zufolge der Tarifpost 75 a15 Anmerkung der gedachten Gesetze auch nicht auf jene Rechtsgeschäfte, welche von den Ämtern geschlossen werden, die zur Verwaltung der Familiengliedern Meines kaiserlichen Hauses gehörenden Realitäten und Industrieunternehmungen bestellt sind.

2. Da im Grunde dieser Befreiung bei Vermögensübertragungen von Todes wegen zwischen Familiengliedern Meines kaiserlichen Hauses nur die unbeweglichen Nachlaßsachen den gebührenpflichtigen Nachlaß zu bilden haben, so hat sich Mein Obersthofmarschallamt darauf zu beschränken, die unbeweglichen Nachlaßsachen und die Personen, welchen jeder einzelne dieser Nachlaßgegenstände als Erbe oder Legatar angefallen ist, dem Zentraltaxamte bekanntzugeben, damit letzteres auf dieser Grundlage mit Rücksicht auf die Anordnung des § 50 der gedachten Gesetze die Gebühr bemesse.

Übersteigen die Verlassenschaftspassiven den gebührenfreien beweglichen Nachlaß, so ist weiter dem gedachten Amte zu bemerken, mit welchem Betrage der unbewegliche Nachlaß verschuldet ist, damit hierauf bei der Gebührenbemessung Rücksicht genommen werden könne.

Erfolgen Vermögensübertragungen von Todes wegen an andere Personen als Familienglieder Meines kaiserlichen Hauses, so sind diese dem Zentraltaxamte ordnungsmäßig mitzuteilen.

|| S. 163 PDF || 3. Auf die Nachlässe derjenigen Personen, welche mit Rücksicht auf das ihnen zustehende Recht der Exterritorialität der Gerichtsbarkeit Meines Obersthofmarschallamts zugewiesen wurden, ist die Verordnung vom 8. April 1854 (RGBl. Nr. 84/[1854]) in Anwendung zu bringen. Übersteigt der Passivstand das bewegliche Nachlaßvermögen und ist dieses kein Gegenstand der Gebühr, so ist Mein Obersthofmarschallamt von dem Erben in die Lage zu setzen, dem Zentraltaxamte bestätigen zu können, mit welchem Betrage der Passivstand durch das bewegliche Nachlaßvermögen unbedeckt verblieben sei. Mein Obersthofmarschallamt hat übrigens, wenn das ganze in Meinen Staaten befindliche Nachlaßvermögen gebührenpflichtig ist, den Nachlaßausweis, wenn es aber nur das unbewegliche Nachlaßvermögen ist, die im § 2 dieser Meiner Verordnung angedeutete Mitteilung an das Zentraltaxamt zu übersenden.

4. Außer den durch die Gesetze vom 9. Februar und 2. August 1850 vorgeschriebenen Gebühren sind in Hinkunft für die Amtshandlungen Meines Obersthofmarschallamts andere Taxen nicht zu entrichten. Die daselbst angestellten Beamten sind für den Entgang, den sie hiedurch erleiden, aus dem Staatsschatz zu entschädigen.“

Bei der Abstimmung über die beiderseitigen Anträge des Obersthofmarschallamts und des Finanzministers bemerkte der Minister des Inneren : Der Vorschlag des Finanzministers ad 1. umfaßt auch die Vermögensübertragung unter Lebenden, wovon in dem ersten der mit Ah. Kabinettschreiben vom 23. Februar l. J.16 gestellten Fragepunkte keiner Erwähnung geschieht. Der Finanzminister glaubte zwar auch diesen, im 3. Fragepunkte (ad a) vorkommenden Gegenstand als innig mit der Frage ad 1. verbunden im Zusammenhange behandeln zu sollen; der Minister des Inneren dagegen erachtete, sich genau an die Ah. vorgezeichneten Fragepunkte halten und sonach hier sich bloß auf die Erbschaft beschränken zu müssen.

In dieser Beziehung nun schien ihm die vom Finanzminister aus den bestehenden Vorschriften abgeleitete Gebührenpflichtigkeit der Erbschaften der Familienglieder des Ah. Kaiserhauses nicht so zweifellos erwiesen. Die bisherige vom Obersthofmarschallamte befolgte Übung und selbst die Allerhöchstenorts in dieser Verhandlung gestellten Fragen beweisen das Gegenteil. Es muß sonach in die Beurteilung über die Zulässigkeit einer Gebührenanforderung bei den fraglichen Erbschaften vom staatsrechtlichen Standpunkte aus eingegangen werden. Nach diesem stellt sich die Abhandlung des Nachlasses eines Mitglieds der kaiserlichen Familie als ein Akt der souveränen Gerichtsbarkeit dar, welcher von Sr. Majestät in der eigenen Ah. Familie durch das von Sr. Majestät eigens dazu bestimmte Gericht (das Obersthofmarschallamt) ausgeübt wird. Gleichwie die dynastisch-monarchische Stellung der Glieder des Ah. Kaiserhauses hier jede Kompetenz der ordentlichen Gerichte ausschließt, ebenso treten auch die Bestimmungen der allgemeinen, für die Untertanen verbindlichen Vorschriften außer Anwendung und es kann vom staatsrechtlichen Standpunkte aus nicht als angemessen erkannt werden, die Mitglieder || S. 164 PDF || der Familie des Staatsoberhauptes für einen im Inneren derselben unmittelbar vollzogenen Jurisdiktionsakt als gebührenpflichtig an den Staatsschatz anzusehen. Ist dieser Grundsatz richtig, so entfällt auch die vom Obersthofmarschallamte sowie vom Finanzminister angenommene Unterscheidung zwischen den beweglichen und unbeweglichen Vermögen der durchlauchtigsten Personen, weil beide Kategorien des Vermögens der gleichen Amtshandlung unterliegen.

Der Minister des Inneren würde daher den Fragepunkt 1 dahin beantworten, daß von den Erbschaften, die beim Obersthofmarschallamte abgehandelt werden und bei denen Familienglieder des kaiserlichen Hauses beteiligt sind, eine Entrichtung der im Patente vom 9. November 1850 festgesetzten Gebühren, soweit sie sich auf die Verlassenschaftsverhandlung beziehen, weder vom beweglichen noch vom unbeweglichen Vermögen stattzufinden habe.

Insofern es sich infolge der geschlossenen Verlaufsabhandlung um die Erwerbung dinglicher Sachenrechte durch bücherliche Eintragung derselben für eine der gedachten Allerhöchsten und höchsten Personen handelt, unterläge die Abnahme der Gebühr nach Tarifpost 45 A, lit. b, des Patents vom 9. Februar 1850 17 keinem Anstande, denn hier treten die bezüglich der Verlassenschaftsabhandlung selbst geltend gemachten Rücksichten nicht mehr ein. Der Ansicht des Ministers des Inneren schloß sich der Kultusminister vollständig an.

Der Justiz - und der Handelsminister glaubten, daß bei Beantwortung der vorliegenden Frage vor allem zwischen dem Avitical- oder Familienvermögen18 der durchlauchtigsten Mitglieder des kaiserlichen Hauses, welches durch Staats- und Hausgesetze gebunden ist und [von] jenem Vermögen zu unterscheiden sei, dessen Erwerbung im Grunde eines privatrechtlichen Titels stattfindet. Von der Besteuerung des Vermögens der ersten Art kann keine Rede sein, weil es keinen Gegenstand einer förmlichen Übertragung und Erwerbung bildet, sondern ein unveräußerliches Gut der Allerhöchsten kaiserlichen Familie darstellt, über welches eine gerichtliche Amtshandlung nicht platzgreifen kann. In Rücksicht des Vermögens der zweiten Art hielten die beiden Stimmführer die Vorschrift des § 20 ABGB. für maßgebend, welcher Rechtsgeschäfte, die das Oberhaupt des Staates betreffen oder auf dessen Privateigentum oder auf die in dem bürgerlichen Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen, den Gesetzen unterwirft19. Auf ein so geartetes Vermögen dürften daher auch die allgemeinen Besteuerungsgesetze ihre volle Anwendung finden, weil ein solches Vermögen wie ein anderes Privateigentum angesehen werden muß. Die dynastisch-monarchische Stellung der durchlauchtigsten Glieder der kaiserlichen Familie scheint durch die Besteuerung der von dem Hofmarschallamte abgehandelten Verlassenschaften nicht berührt zu werden, denn die durch das Gesetz vom 9. Februar 1850 vorgeschriebenen Gebühren haften, so wie alle Steuern, nicht auf der Person, sondern auf dem Steuerobjekte || S. 165 PDF || selbst, mag es unter Lebenden oder von Todes wegen übertragen werden. Würde die Steuerpflicht überhaupt mit den persönlichen Verhältnissen der durchlauchtigsten Glieder des Ah. Kaiserhauses nicht verträglich sein, so müßte dieser Grundsatz auch auf die Grundsteuer von den im Besitze der Ah. Familienglieder befindlichen Privatgüter und auf die von den sich hierauf beziehenden industriellen Unternehmungen entfallende Einkommensteuer sowie auf die von dem Obersthofmarschallamte selbst als schuldig anerkannten, aus Anlaß der Erwerbung dinglicher Sachenrechte durch bücherliche Eintragung zu entrichtende Gebühren von 1½% des Gutswertes ausgedehnt werden. Ebensowenig können die Votanten die Steuerfreiheit der durchlauchtigsten Familienglieder in dem Umstande finden, daß die Rechtsangelegenheiten der höchsten Personen dem Hofmarschallamte als einem die souveräne Gerichtsbarkeit im Ah. Namen ausübenden Ausnahmsgerichte zugewiesen sind; denn ein jedes Gericht im Kaiserstaate handelt sein Amt nur infolge der von Sr. Majestät übertragenen Gewalt. Von diesem Standpunkt ausgehend glaubten die beiden Stimmführer über den Umfang der Steuerpflicht sich dahin aussprechen zu sollen, daß sich dieselbe in betreff der vom Obersthofmarschallamte abzuhandelnden Erbschaften, bei welchen die Mitglieder des Ah. Kaiserhauses aufgrund eines Privatrechtstitels beteiligt sind, sich sowohl auf das bewegliche als auch auf das unbewegliche Nachlaßvermögen zu erstrecken habe, weil sich eine Unterscheidung dieser zwei Vermögensgattungen nur in Absicht auf die Besteuerungs- und Einhebungsart, nicht aber in Rücksicht der Steuerlast rechtfertigen ließe und nach der gegenwärtigen Steuereinrichtung die durchlauchtigsten Mitglieder der kaiserlichen Familie sich in einigen Fällen der Steuerzahlung nicht entziehen können. Wenn z. B. ein einem Gliede des Ah. Kaiserhauses gehöriges Kapital auf einer Realität eloziert ist, so hat der Schuldner auf dessen Realität es haftet, mit Rücksicht auf die um 30% erhöhte Grundsteuer patentmäßig das Recht, von den an Gläubiger zu entrichtenden Zinsen die 5%ige Einkommensteuer unmittelbar abzuziehen; desgleichen bringen Aktiengesellschaften von den an ihre Aktionäre auszuzahlenden Zinsen und Dividenden die Einkommensteuer unmittelbar in Abzug und jeder Gläubiger oder Aktionär muß sich dies gefallen lassen. Wenn nun in den angeführten Fällen das bewegliche Vermögen der Ah. Familienglieder der Steuer unterliegt, so wäre es wohl nicht zulässig, es in einem anderen Falle, nämlich in der Verlassenschaftsabhandlung, davon zu befreien. Fragepunkt 2: Was endlich die Modalitäten der Bemessung und Einhebung der in Frage stehenden Gebühren betrifft, so erfordert es die erhabene Stellung der durchlauchtigsten Familienglieder und die schuldige Ehrfurcht, daß die von dem Obersthofmarschallamte dem Finanzministerium zu machende Angabe des der Besteuerung unterliegenden Vermögens zur Bemessung der Gebühren hinreichen müsse und keine weitern Nachweisungen gefordert werden dürfen, daß ferner die Entrichtung der bemessenen Gebühr durch das Hofmarschallamt zu besorgen sei. Der tg. gefertigte Minister des Äußern endlich schloß sich ad 1. der Ansicht des Obersthofmarschallamts und bzw. des Finanzministers, soweit sie mit dem ersteren übereinstimmt, an. Ad 2. Im wesentlichen kommen hier die Anträge des Obersthofmarschallamts mit jenen des Finanzministers überein; nur wird vom letzteren das Verfahren bei Mitteilung des steuerpflichtigen unbeweglichen Nachlasses || S. 166 PDF || näher determiniert. Hierwegen ward von denjenigen zwei Stimmen, welche überhaupt eine Gebührenpflicht zu 1. anerkannten, sich auf die Abstimmung zum Schluß ad 1., Seite 22, bezogen. Nach dem Antrage des Ministers des Inneren und des Kultusministers ad 1. aber würde sich dieser Fragepunkt 2. gänzlich beheben, weil ihrer Ansicht gemäß weder vom beweglichen noch vom unbeweglichen Nachlasse eine Gebühr zu entrichten käme.

Ad 3. Dieser Fragepunkt umfaßt zwei Teile: a) die Vermögensübertragungen unter Lebenden in der Ah. Familie, b) die Erbschaften der übrigen dem Obersthofmarschallamte zugewiesenen Personen.

Ad a) hat sich der Finanzminister bereits zu Punkt 1. dahin ausgesprochen, daß die Ah. Familienglieder bei Rechtsgeschäften unter Lebenden über bewegliche Sachen die persönliche Befreiung von den Gebühren genießen sollen; in Ansehung des unbeweglichen bliebe es bei dem Bestehenden. Mit diesem im wesentlichen von dem Gutachten des Obersthofmarschallamts nicht abweichenden Antrage war die Majorität der Konferenz einverstanden.

Der Justiz - und der Handelsminister waren jedoch, konsequent mit ihren zu 1. verfochtenen Ansicht, der Meinung, daß auch bei Übertragungen unter Lebenden die gesetzliche Gebührenbemessung vom beweglichen und unbeweglichen Vermögen einzutreten habe. Nur glaubten die Stimmführer, daß die von den durchlauchtigsten Gliedern des kaiserlichen Hauses in solchen Geschäften ausgestellten Urkunden nach T[arif] P[ost] 75, lit. c, des Gebührengesetzes die Gebührenfreiheit genießen.

Ad b) war die Konferenz mit der Ansicht des Finanzministers einverstanden, daß in Ansehung der Personen, welche mit dem Rechte der Exterritorialität dem obersthofmarschallämtlichen Gerichtsstande zugewiesen wurden, die Gebührenfreiheit des beweglichen Nachlasses nach Maßgabe der Verordnung vom 8. April 1854 (RGBl. Nr. 84/1854, Seite 333), jedoch auch mit gehöriger Berücksichtigung des Inhalts der die Zuweisung unter das Obersthofmarschallamt anordnenden besonderen Ah. Entschließungen stattzufinden habe.

Was die jenem Gerichtsstande ohne das Recht der Exterritorialität zugewiesenen höchsten Personen betrifft, so scheint die Ah. Absicht dabei darauf gerichtet gewesen zu sein, höchstdenselben nur einen privilegierten Gerichtsstand ohne eine anderweitige Bevorzugung in Ansehung der Gebührenpflichtigkeit zu gewähren. Insofern daher Se. Majestät nicht etwa aus besonderer Ah. Gnade auch bei ihnen eine weitere Begünstigung zuzugestehen geruhen, würde die Konferenz einstimmig der Meinung sein, daß das Vermögen der gedachten höchsten Personen den gesetzlichen Gebühren unterliege.

Ad 4. geht die Absicht des Finanzministers dahin, daß die Gebühren, welche von dem Nachlaßvermögen der Mitglieder des kaiserlichen Hauses fernerhin zu entrichten sein würden, nicht mehr wie bisher den Beamten des Obersthofmarschallamts zugute kommen, sondern in den Staatsschatz einfließen sollen, wogegen jenen Beamten für den diesfälligen Entgang eine angemessene Entschädigung aus dem Staatsschatze zuzuwenden wäre.

In der Voraussetzung, daß von den Ah. Familiengliedern, sie mögen nun – je nach den vorstehenden Abstimmungen – rücksichtlich ihres Nachlaßvermögens ganz || S. 167 PDF || oder teilweise für gebührenpflichtig oder frei erkannt werden, keinerlei Taxen oder Honorar mehr an das Obersthofmarschallamt abgeführt werden dürfen, erkannte die Konferenz den Antrag des Finanzministers auf eine Entschädigung der obersthofmarschallämtlichen Beamten aus dem Staatsschatz nur für billig.

Der Abgeordnete dieses Hofamtes, Präsident v. Salzberg , fand sich infolge dieser Abstimmung veranlaßt, die beiliegende, vom Obersthofmarschalle und ihm gefertigte Äußerung nachträglich zu Protokoll zu geben20 und darin zu erörtern, daß es mit Rücksicht auf den Wortlaut der Ah. Entschließung vom 7. September 1818 und des Ah. Kabinettschreibens vom 23. Februar 1855 21 ad 4. nicht in der Absicht Sr. Majestät gelegen sein dürfte, es von dem Bezuge der den obersthofmarschallämtlichen Beamten in partem salarii zugestandenen Emolumente abkommen zu lassen und ihnen dafür eine Entschädigung zuzuwenden, nachdem gemäß jener Ah. Entschließung von 1818 eine Inkamerierung der gedachte Emolumente bildenden Taxen nicht stattfindet, sohin dem Staatsschatze mit jener Entschädigung nur eine neue Last auferlegt würde und der Bezug von Taxen, wie dieser auch bei einigen Ordenskanzleien stattfindet, der Würde der Beamten nicht abträglich ist22.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 1. Jänner 1856.