MRP-1-3-04-0-18550508-P-0285.xml

|

Nr. 285 Ministerkonferenz, Wien, 8. Mai 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 8. 5.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 1006 –

Protokoll der zu Wien am 8. Mai 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Organisierung der Urbarialgerichte in Ungarn und in der serbischen Woiwodschaft

Der Ministerdes Inneren referierte die im Einvernehmen mit dem Justizminister ausgearbeiteten Anträge zur Organisierung der Urbarialgerichte für Ungarn und die serbische Woiwodschaft.

Nach denselben hätten zu bestehen: ein Oberster Gerichtshof für Urbarialstreitigkeiten in Wien, zusammengesetzt aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, sechs Beisitzern; fünf Urbarialobergerichte für Ungarn (in jedem Statthaltereiabteilungsgebiet eines), ein Obergericht in der Woiwodschaft mit je einem Präsidenten und vier Beisitzern, endlich in jedem Komitat oder Kreis ein Urbarialgericht erster Instanz mit Vorstand und zwei oder nach der Größe des Gebiets und dem Umfange der Geschäfte drei bis vier Beisitzern. Die Beisitzer sollen zur Hälfte aus Justiz-, zur Hälfte aus politischen Beamten genommen und zur möglichsten Kostenersparung nur diejenigen Beamten der Urbarialgerichte durch provisorische Ernennungen bei den betreffenden Branchen ersetzt werden, welche ausschließlich, wie z. B. die Referenten für die Urbarialgerichtsgeschäfte, in Anspruch genommen werden müssen. Die Kosten sind: für das oberste Gericht mit 42.000 f., für die Ober- und Untergerichte in Ungarn mit 475.000 f. und in der Woiwodschaft mit 49.000 f. pro Jahr veranschlagt und für heuer mittelst Vorsehung im Präliminare auch gedeckt.

Die Konferenz fand gegen diese Anträge nichts einzuwenden; nur der Finanzminister erbat sich die aktenmäßige nähere Einsicht in betreff der veranschlagten Kosten1.

II. Nachsicht für den pensionierten Postkontrollor Anton Linke

Der Handelsminister referierte über eine zwischen ihm und dem Finanzministerium obwaltende Meinungsdifferenz in Ansehung der Abschreibung eines dem pensionierten Postkontrollor in Ofen, Anton Linke, auferlegten Ersatzes von 3.500 fr. Derselbe hatte im Jahre 1848 mehreren Poststationen in 29 Partien Vorschüsse bis zum Belaufe von 12.300 f. erfolgt, dieselben jedoch nicht, wie es || S. 67 PDF || instruktionsmäßig hätte geschehen sollen, journalisiert, sondern bloß die Quittungen darüber statt baren Geldes in die Kassa gelegt. Beim Einrücken der Rebellen in Ofen im Jahre 1849 übergab er die Kassa samt den darin befindlichen Quittungen und flüchtete sich nach Ödenburg. Später verbrannte das Postarchiv samt Kassa und allen darin befindlichen Papieren. Es gelang jedoch, die meisten der gegebenen Vorschüsse zu eruieren und einzubringen, bis auf den Betrag von 3.500 f., für welchen sofort Linke als haftungspflichtig erklärt wurde. In einem Majestätsgesuche bat er um Loszählung von dieser Haftung, und der Handelsminister glaubte aus Billigkeitsrücksichten, den Antrag auf Abschreibung dieses Betrags befürworten zu können.

Das Finanzministerium teilte jedoch diese Ansicht nicht, weil Linke der Kassenvorschrift zuwider die Vorschüsse nicht eingetragen und hiermit, nach der Vernichtung der Quittungen, die Unmöglichkeit der Eruierung und Einbringung jenes Restes von 3.500 f. verschuldet hat. Aus dieser Ursache erklärte der Finanzminister von seinem Standpunkte aus auch gegenwärtig den Abschreibungsantrag nicht unterstützen zu können.

Der Handelsminister machte jedoch dafür folgende Billigkeitsrücksichten geltend: daß keine Spur einer beabsichtigten Malversation vorliegt, daß Linke bei der Übergabe der Kassa im Jahre 1849 selbst auf die Journalisierung der Quittungen gedrungen hatte, jedoch daran von dem Übernehmer wegen Gefahr auf dem Verzuge gehindert worden war, daß während des Erliegens der Quittungen in der Kassa bei ihm eine zweimalige Skontierung stattfand und dieselben nicht beanständet wurden; daß Linke ein altgedienter braver Beamter ist, der seine Treue und Anhänglichkeit an das Ah. Kaiserhaus tätig bewährt und sich deswegen die Verfolgung von Seite der Rebellenpartei zugezogen hat, daß er endlich ziemlich glaubwürdig dargetan hat, es sei von der damaligen Administration befohlen worden, die Quittungen über jene Vorschüsse unjournalisiert einzulegen. Alle diese Rücksichten bestimmten die Mehrheit der Konferenz, dem Antrage des Handelsministers auf Erwirkung der Abschreibung des Ersatzes im Gnadenwege beizustimmen2.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 28. Mai 1855.