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Nr. 277 Ministerkonferenz, Wien, 20. März 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 20. 3.), Bach (24. 3.), Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 508 –

Protokoll der zu Wien am 20. März 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Erläuterung des Ah. Patents vom 2. Juni 1848 (Notenzwangskurs)

Der Finanzminister referierte in betreff einer vom Justizminister angeregten Erläuterung des Ah. Patents vom 2. Juni 1848 (MRZ. 824). In diesem und in der Verordnung des Ministerrates vom 22. Mai 1848, womit der Zwangskurs der Noten der provisorischen österreichischen Nationalbank eingeführt ward, kommt die Bestimmung vor, daß bei allen in Konventionsmünze gebührenden Zahlungen die Banknoten ihrem vollen Nennwerte nach angenommen werden müssen und daß nur dort, wo die Zahlung in Gold- oder ausländischen Silbermünzen gebührt, nach der Wahl des Schuldners die Zahlung in diesen oder in Banknoten nach dem Kurse geleistet werden kann. Bisher wurde sich immer nach dem Wortlaute dieser Bestimmung benommen und auch von den Gerichten darnach entschieden1. Erst || S. 47 PDF || in jüngster Zeit fiel es dem Obersten Gerichtshof ein, in einem Falle, wo die Zahlung in inländischer Silbermünze und mit der Klausel: „mit Ausschluß jeder Art von Papiergeld oder Wertzeichen und mit Verzicht auf alle durch bestehende oder künftige Finanzgesetze eintretende Berechtigungen“, bedungen war, unter Aufhebung der gleichlautenden Erkenntnisse der ersten und zweiten Instanz auf die Zahlung in Silbermünze zu erkennen. Auf die von der Obersten Polizeibehörde dem Justizminister hierwegen gemachte Eröffnung von dem Aufsehen, welches diese Entscheidung in der Geschäftswelt verursacht habe, fand sich der letztere bestimmt, zur Vermeidung künftiger ähnlicher, dem Wortlaute und der Absicht des Gesetzes zuwiderlaufender Entscheidungen, sich an den Finanzminister mit dem Antrage auf Erwirkung einer Ah. Erläuterung des Gesetzes dahin zu wenden, daß, nachdem das Patent anordnet, bei allen in Konventionsmünze gebührenden Zahlungen ohne Unterschied – mit alleiniger Ausnahme der bedungenen Goldoder ausländischen Silbermünzen – die Banknoten nach ihrem vollen Nennwerte anzunehmen, im Sinne dieses Patents und so lang es besteht auch die Zahlungen aus Verträgen, wo inländische Silbermünzen selbst mit jenen Klauseln bedungen worden (sei es vor oder nach dem Patente von 1848), in Banknoten nach dem vollen Nennwerte angenommen werden müssen.

Der Finanzminister erklärte, daß auch ihm die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs die Absicht des Gesetzes zu umgehen scheine und daß er daher, wenigstens soweit es die Vergangenheit betreffe, in die Ansicht des Justizministers von der Auffassung des Sinnes des Gesetzes kompromittiere. Nachdem jedoch nicht zu verkennen ist, daß die seither von der Staatsverwaltung selbst durch Einhebung der Zölle und durch das Versprechen der Zinsenzahlung einiger Staatsschulden in Silber gemachte Unterscheidung zwischen Metallgeld und Banknoten nicht ohne Einfluß auf die Ansicht der Gerichte und die Meinung des Publikums in dieser Beziehung geblieben sein dürfte, so würde er beantragen, daß wenigstens in Zukunft bei denjenigen Fällen, wo erwiesenermaßen Silbergeld gegeben worden, auch die Rückzahlung in Silber oder Gold geleistet werden müsse.

Ohne in diesen letzteren, ein neues Gesetz bezweckenden Antrag einzugehen, glaubte der Justizminister auf seinem Antrage verharren zu müssen. Berufen, über die Beobachtung der Gesetze in ihrem wahren Sinne zu wachen, könnte er nicht zugeben, daß die fragliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs weitere Verbreitung finde. Denn sie widerstreitet dem klaren Buchstaben und der Absicht des Gesetzes. Ersterer spricht von allen Zahlungen ohne Unterschied, mit alleiniger Ausnahme der in Gold oder fremder Silbermünze bedungenen, letztere bezweckt den Schutz der Bank, in dem aus finanziellen Bedrängnissen notwendig gewordenen Zwangskurse ihrer Noten und wird vereitelt, wenn unter zweien, die vor dem Jahre 1848 ganz gleiche Werte gegeben haben, die Rückzahlung dem einen in Noten nach ihrem Nennwerte, dem andern in Silber bloß darum zugesprochen wird, weil er einer andern Formel sich bedient hat. Die nachteiligen Folgen einer solchen Entscheidung für den Verkehr und insbesondere für den Realkredit werden nicht ausbleiben; die Kapitalisten werden ihre Sätze kündigen und ihre Schuldner zwingen, neue mit jener Silberklausel versehene Kontrakte abzuschließen. Solche Klauseln, wodurch die Parteien sich gewisser, durch bestehende oder gar künftige Gesetze eingeräumter Rechte begeben, || S. 48 PDF || also entgegen auch den festgesetzten Verpflichtungen entziehen könnten, sind aber an sich unzulässig, weil es dann in der Macht der Parteien stünde, jedes bestehende oder künftige Gesetz zu paralysieren. Ebensowenig kann der Umstand, daß durch die Einforderung der Zölle in Silber ein auf den Zwangskurs der Noten bezüglicher Unterschied zwischen ersterem und den letzteren vom Staate anerkannt sei, hier geltend gemacht werden, weil es sich bei jenen um eine – noch dazu beim ausländischen Verkehre – zu erhebende Steuer, in der hier zur Sprache gebrachten Sache aber lediglich um Privatrechtsverhältnisse handelt.

Der Handelsminister pflichtete der Ansicht des Justizministers über die Notwendigkeit der von dem letzteren angetragenen Erläuterung bei. Denn nicht bloß die Bank, sondern auch die Besitzer ihrer Noten haben auf den Schutz der Staatsverwaltung Anspruch. Nur der Zwangskurs erhält die Banknoten in ihrem bisherigen Werte zum Silber; wird die allgemeine Verpflichtung zur Annahme der erstem in ihrem vollen Nennwerte dem inländischen Silbergelde gegenüber aufgehoben, so ist nicht zu ermessen, welche weitere Entwertung den Noten und welche Verluste ihren Besitzern noch bevorstehen.

Der Minister des Inneren hielt dagegen die angetragene Erläuterung des Justizministers für höchst bedenklich. Die fragliche Bestimmung des Patents von 1848 mochte durch die damaligen drangvollen Umstände gerechtfertigt erscheinen; sie war aber jedenfalls ein schwerer Eingriff in das Privateigentum und im Widerspruche mit den bei Gründung der Nationalbank erlassenen Bestimmungen, welche die Stipulierung der Zahlung in inländischem Silbergelde unbedingt gestatteten. Gegenwärtig sind Zahlungen in inländischem Silber möglich und zulässig; dies hat die Regierung selbst anerkannt, indem sie – gleichviel aus welchem Titel – solche für sich in Anspruch nimmt und auch ihren Gläubigern leistet. Warum sollten sie ausgeschlossen sein, wenn die Gerichte auf selbe erkennen, die zweifellos kompetent sind darüber zu entscheiden, ob und welche Zahlung aus einem privatrechtlichen Vertrage gebührt. Die von der angegriffenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs befürchteten Folgen für den Verkehr und insbesondere für den Realkredit treten teils überhaupt gar nicht, teils nicht wegen jener Entscheidung ein. Im gewöhnlichen Verkehr haben sich die Preise aller Gegenstände nach dem Werte der Valuta bereits geregelt, diese werden von der Gerichtsentscheidung gar nicht getroffen. Der Realkredit aber leidet vornehmlich durch die mehr Gewinn verheißende Verwendung der Kapitalien zur Spekulation in Papieren, und wenn behauptet wird, daß die Kapitalisten infolge jener gerichtlichen Entscheidung ihre elozierten Kapitalien kündigen und sie ihren Schuldnern nur unter der Bedingung lassen werden, daß sie sich in einem erneuerten Vertrage zur Zahlung in Silber mit jenen Klauseln verbindlich machen, so ist darauf die Antwort, daß ihnen das gleiche Mittel auch jetzt, nach dem strengen Sinne des Patents und trotz der angetragenen Erläuterung zu Gebote steht, wenn sie den Kontrakt auf Dukaten oder ausländische Silbersorten lautend, abfassen wollen. Die augenblickliche Aufregung, welche die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bei einem Teile der Bevölkerung verursacht haben mag, hat sich seither wieder gelegt. Eine neue, größere ist zu besorgen, wenn die Erläuterung des Justizministers erschiene; diese || S. 49 PDF || würde in dem gegenwärtigen Augenblicke, wo aller Hoffnungen auf eine sukzessive Verbesserung der Geld- und Valutaverhältnisse gerichtet sind, geradezu als ein Rückschritt in den darauf abzielenden Operationen angesehen werden und das Vertrauen in die Staatsverwaltung erschüttern statt befestigen. Der Minister des Inneren war daher der Meinung, daß die vom Justizminister angetragene Erläuterung nicht hinauszugeben, sondern, so weit es bereits eingegangene Verpflichtungen betrifft, die Entscheidung hierüber den Gerichten zu überlassen und für die Zukunft die Abschließung von Kontrakten auch auf inländisches Silbergeld nicht zu beanständen wäre.

Der Kultusminister teilte ganz die Ansicht des Ministers des Inneren. Seiner Meinung nach ist der wirksamste Schutz der Nationalbank dadurch gewährt, daß sie nicht gehalten ist, ihre Noten gegen Silber einzulösen, adaß überdies durch die Verordnung vom Jahre 1848 in Privatrechtsverhältnisse eingegriffen werden mußte, ist an sich bedauerlich; diese Maßregel jetzt noch verschärfen zu wollen, würde dem Privatkredit nur neuen Schaden tun und könnte den angestrebten Zweck doch nicht erreichen, indema, wie bereits vom Minister des Inneren gezeigt, die hierauf bezügliche Bestimmung des Patents, ebenso wie die angetragene Erläuterung, durch Stipulierung der Zahlung in Gold oder ausländischer Silbermünze umgangen werden könnte.

Bei diesen widerstreitenden Meinungen erachtete es der Finanzminister für angemessen, darauf anzutragen, daß die Schlußfassung über diese Angelegenheit vorderhand vertagt und dem Zeitpunkte vorbehalten werde, wann sich nach weiterer Entwicklung der Verhältnisse und nach längerer Beobachtung der Wirkungen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs mit größerer Beruhigung darüber werde absprechen lassen.

Die Konferenz erklärte sich hiermit einverstanden, der Justizminister erklärte jedoch, daß er sich für verpflichtet halte, falls ihm weitere Vorstellungen in dieser Angelegenheit zukämen, seinen Antrag beim Finanzministerium zu erneuern2.

II. Steuern des Stiftungsfondsgutes Ebersdorf

Der Justizminister, aufgefordert, in der Meinungsdifferenz, welche laut des Vortrags des Finanzministers vom 19. Jänner 1855, KZ. 239, MCZ. 233, zwischen diesem und dem Minister des Inneren wegen der Steuerzahlung des Stiftungsfondsgutes Ebersdorf besteht, sein Rechtsgutachten abzugeben, äußerte sich hierüber nach Einsicht der aus der niederösterreichischen ständischen Registratur erhobenen Originalakten, insonderheit der Ah. Entschließung vom 15. Oktober 1757, dahin, daß eine rechtliche Verpflichtung des Ärars zur Entrichtung der Steuern von dem Gute Ebersdorf nicht bestehe, weil die vorbelobte Ah. Resolution die Steuervergütung ab aerario ausdrücklich nur aus Rücksicht auf die damalige Lage der Stiftung und „bis zu einem anderweitig zu treffenden Abkommen“, also precario modo, gewährt hat. || S. 50 PDF || Vom Standpunkte des Rechts wäre daher gegen den Antrag des Finanzministers vom 19. Jänner 1855 nichts zu erinnern. Unter diesen Umständen war daher der gegenwärtige Finanzminister der Meinung, diese Angelegenheit durch Übernahme der Steuern auf die Renten des Gutes prinzipiell in die Regel zu setzen.

Der Ah. Gnade Sr. Majestät bliebe es vorbehalten, in Würdigung der von dem Minister des Inneren in seinem Separatvotum entwickelten Gründe dem Armenfond den hiernach entgehenden Betrag von zirka 3.000 f. in einer anderen Weise Ag. zufließen zu lassen. Hiergegen fand die Konferenz nichts zu erinnern.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 29. März 1855.