MRP-1-3-03-0-18550411-P-0263c.xml

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Nr. 263c Gegenbemerkungen Thuns zur statutarischen Verfassung der Wiener Universität, Wien, 11. April 1855 (Beilage zu: MRP-1-3-03-0-18541219-P-0263.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zum Originalprotokoll v. 5., 12., 16. und 19. 12. 1854, 13. 1. und 24. 4. 1855 (= Sammelprotokoll Nr. 263); Konzept in der Handschrift eines Kanzleischreibers mit Korrekturen Thuns in AVA., CUM., Allgemeine Reihe, Nr. 1414/1856 .

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Nachdem im Jahre 1848 die frühere Studieneinrichtung an den österreichischen Universitäten beseitigt worden war, mußte wenigstens ad interim eine neue Einrichtung an deren Stelle gesetzt werden. Dieses Interim schuf das provisorische Gesetz vom 30. September 1849 samt jenen angehängten Bestimmungen, welche die Wiener Universität speziell betreffen1. Man kann diesem Gesetz die Anerkennung nicht versagen, daß es — indem es nur provisorische Geltung bis zur gründlicheren Aufklärung der bezüglichen Verhältnisse in Anspruch nahm — sichtlich den Zweck verfolgte, bestehenden Rechten in keinerlei Beziehung für die Zukunft zu präjudizieren. Daher die ausdrückliche Bedachtnahme auf den Wirkungskreis und die Befugnisse der Doktoren und die kumulativ ausgesprochene Bestätigung der Universitätsprivilegien und ihrer korporativen Rechte. Diese ängstliche Gewissenhaftigkeit, bestehenden Rechten nicht leichtfertig Eintrag zu tun, führte zu dem Auskunftsmittel, den vorgefundenen Dualismus der Professoren- und Doktorenkollegien offen auszusprechen. Ihr gebührt jedenfalls das Verdienst, daß die Regelung dieser Verhältnisse jetzt, wo es nicht an gründlicher Aufklärung fehlt, noch eine offene Frage ist. Es versteht sich aber auch von selbst, daß das Provisorium für das einzuführende Definitivum in seinen Bestimmungen nicht maßgebend sein kann sowie daß es aus vielen Gründen wünschenswert ist, eine definitive Regelung baldigst eintreten zu lassen.

Hiebei sind nur zwei Auswege möglich. Entweder man kehrt ganz oder in parte potiori zu den statutarischen Bestimmungen vor 18482 zurück, oder man nimmt das dermalige Interim zum Anlaß, einen neuen Bau aufzuführen. Wer das erstere befürwortet, hat zu zeigen, daß die Zustände vor 1848 so im Rechte begründet seien, daß sie nicht geändert werden können, oder so zweckmäßig, daß sie nicht geändert werden sollen. Wer hingegen einen Neubau beantragt, dem obliegt, die Notwendigkeit eines solchen zu beweisen, da es weder gerecht noch billig wäre, bestehende Zustände aus bloßer Willkür zu beseitigen, und er hat überdies rechtliche Grundlagen für die vorgeschlagene Einrichtung nachzuweisen.

Die Äußerung des Herrn Ministers des Inneren rät den ersteren Ausweg an, der vorliegende Entwurf eines neuen Statuts versucht den zweiten Ausweg3. In der || S. 395 PDF || Tat beruft sich der Herr Minister des Inneren, indem er den Bestand der Fakultäten und die Zusammensetzung des Konsistoriums wie vor 1848 befürwortet, sowohl auf die Achtung des alten Herkommens als auch auf Gründe der Zweckmäßigkeit, da gegen die statutarischen Zustände vor 1848 keine wesentlichen Klagen vorgekommen seien. Das alte Herkommen, auf welches sich berufen wird, führt aber nicht weiter zurück als etwa 100 Jahre, während die Universität selbst über 500 Jahre besteht, und es verdankt seine Entstehung Maßregeln der Regierung, welche in den älteren Universitätsstatuten keineswegs gegründet sind; Maßregeln nämlich, welche von dem früheren autonomen Leben der Universität völlig absahen und ihr Reformen oktroyierten in einer Richtung, die sie lediglich unmittelbaren Staatszwecken dienstbar machen sollte. Diese Richtung lähmte zugleich mit dem wissenschaftlichen Leben das Ansehen und den Einfluß der Träger dieses Lebens, nämlich der Professoren, und bahnte dadurch der Herrschaft der nicht lehrenden Doktoren den Weg4. Alle Universitäten, deren Entstehung bis ins Mittelalter reicht, haben einen ähnlichen Gang durchgemacht wie die Wiener Universität. Bei allen zeigte sich zur Zeit, als das wissenschaftliche Leben versumpfte, das gleiche Vordringen der nicht vortragenden Doktoren, welche als „fruges consumere nati“ sich ausschließlich damit beschäftigten, die Aufnahmetaxen einzukassieren und zu verteilen. Bei allen übrigen Universitäten aber wurde in dem Maße, als eine Restauration der Wissenschaften eintrat, auch das Ansehen der Professoren restauriert — und mit Recht, denn es verträgt sich nicht mit dem Gedeihen einer Anstalt, neben die arbeitenden Kräfte Drohnen hinzusetzen, welche nur die Ehrensitze und Geldbeträge einzunehmen haben. Eine solche Einrichtung ist mit einer lebenskräftigen organischen Entwicklung unvereinbar. Sie ist auch in Österreich unhaltbar, wenn an der Universität der wissenschaftliche Aufschwung restauriert werden soll. Es ist in der Motivierung der Grundzüge erwähnt und in der Universitätsgeschichte umständlich dargelegt, daß dem Stifter der Universität der Gedanke, Repräsentations- und korporative Rechte an derselben an solche Personen, welche nicht durch Vortrag und Lehre direkt tätig waren, unter Ausschluß der lehrenden Glieder zu übertragen, völlig fremd war5. Die Wirksamkeit der Universität und aller ihrer Glieder im Lehrfache war, wie es schon in dem Begriffe einer Universität liegt, vom Anfange an und durch lange Zeit die Hauptsache, das Prinzipale; die Ausübung der ursprünglich verliehenen und später noch erworbenen korporativen (zunftartigen) Rechte war nur das Accidens und bestimmt, der Hauptsache zu dienen. Wenn später dieser Standpunkt durch Regierungsmaßregeln verrückt wurde, so liegt in dem hieraus entstandenen Herkommen gewiß kein rechtliches Hindernis, durch neue Maßregeln auf den in den Stiftungsurkunden der Universität begründeten Standpunkt zurückzukehren. Das Gesagte enthält auch schon die Widerlegung der Behauptung, daß gegen die Zustände, die vor dem Jahre 1848 bestanden, keine wesentlichen Klagen vorgekommen seien. Vom Standpunkte der wissenschaftlichen Interessen und des Einflusses der Professoren sind zwar vor dem Jahre 1848 keine || S. 396 PDF || Klagen erhoben worden, weil es zu jener Zeit nicht geschehen konnte. Seitdem hat es bekanntlich von dieser Seite an Protestationen gegen die Usurpation der nicht lehrenden Doktoren nicht gefehlt. Überdies sind aber von einem anderen Standpunkt aus auch schon vor dem Jahre 1848 Klagen laut geworden. Es liegt erwiesen vor, daß die medizinische Fakultät durch die Umtriebe der nicht lehrenden Doktoren einer der Herde der Revolution gewesen ist und durch deren Stellung an der Universität auch auf den Geist der Studierenden und der Dozenten einen sehr nachteiligen Einfluß geübt hat. Es ist ferner Tatsache, daß in neuerer Zeit die Agitation der nicht lehrenden Doktoren der theologischen Fakultät auf diejenigen Männer, die vor allem durch wissenschaftliche Bedeutung und durch ihre Stellung berufen sind, den Aufschwung der Theologie zu fördern, einen so ungünstigen Eindruck macht, daß, wenn diese Agitation von der Universität nicht ferngehalten wird, eher eine höhere theologische Schule außerhalb der Universität entstehen als die theologische Fakultät zu einem Aufschwunge gelangen wird6.

Der Herr Minister des Inneren erkennt nun zwar die Notwendigkeit an, den Doktorenkollegien den Einfluß auf die Universität als Studienanstalt abzuschneiden. Dazu wird im wesentlichen folgende Einrichtung vorgeschlagen: Das Rektorat, die Dekanate und das Universitätskonsistorium, das sind die Würden und Ämter der Universität, und die oberste Universitätsbehörde werden in die Hände der Doktoren gelegt. Sie sollen aber nichts mit den Studienangelegenheiten zu tun haben, sondern diese sollen von einigen Professoren geleitet werden, und eine genaue Bezeichnung des Wirkungskreises beider Kollegien soll Streitigkeiten zwischen ihnen vorbeugen. In einer solchen Einrichtung könnte ich aber keine Organisation, sondern nur eine völlige Desorganisation der Universität erblicken. Jedes organische Leben ist bedingt und erkennbar durch den Einklang der äußeren Erscheinung mit dem inneren Zwecke, auf die Universität angewendet, durch den Einklang der korporativen Gestaltung mit der wissenschaftlichen Aufgabe und der Benützung jener, um diese mehr zu fördern, als es durch bloße Regierungsverordnungen und Maßregeln geschehen kann. Ein solcher Einklang ist der große Vorzug, den die Zustände der Universität in alter Zeit vor den dermaligen voraushatten. Ein Blick auf das rege Leben an der Universität in jener Zeit beweist, daß es damit völlig unvereinbar wäre, zwei Autoritäten aufzustellen, deren Kompetenz nach dem Gesichtspunkte der korporativen und der Studienangelegenheiten geschieden wäre. Ein solcher Dualismus ist nur möglich, wo man es mit leeren Formen zu tun hat, die kein Streben zu einem gemeinsamen Ziele mehr belebt, und jeder Versuch, jetzt einen solchen Dualismus herzustellen, erscheint schon deshalb verwerflich, weil er von vornherein die Möglichkeit abschneidet, daß sich ein den jetzigen Verhältnissen und Bedürfnissen angemessenes Leben an der Universität wiedergestalte. Wäre es selbst ausführbar, den Wirkungskreis getrennter Doktoren- und Professorenkollegien durch Aufzählung so zu erschöpfen, daß keine Gelegenheit zu Streitigkeiten darüber mehr || S. 397 PDF || übrigbliebe, so wäre damit der Eifersucht und den gegenseitigen Reibungen doch nicht vorgebeugt. Denn der Grund dazu liegt nicht in der Unbestimmtheit der Wirkungskreise, sondern in der naturwidrigen Stellung. Die Einigung dennoch zu erwirken soll wohl nach dem Vorschlage des Herrn Ministers des Inneren die Aufgabe der beiden Kollegien gemeinsamen, neutralen Präsides sein. Es ist möglich, daß es diesen gelänge, den Ausbruch offener Konflikte und deren Darlegung in offiziellen Akten zu verhüten. Damit wäre aber der Unfriede noch nicht beseitigt und noch viel weniger ein erfolgreiches Zusammenwirken zur Ehre und zum Gedeihen der Universität bewirkt. Um den äußeren Frieden zu erhalten, würden vielmehr die Präsides sich genötigt sehen, die Tätigkeit beider Kollegien in allen Angelegenheiten, die für beide Interesse haben könnten, niederzuhalten, denn nur um diesen Preis wäre die Scheidung der Wirkungskreise möglich. Das will aber sagen: Apathie beider Kollegien und ihre Bedeutungslosigkeit für die Universität wären die Bedingung der Erhaltung eines scheinbaren Friedens.

Die Idee eines Rektorates, Dekanates und eines Universitätskonsistoriums, welche gar nichts mit Studienangelegenheiten zu tun haben, dürfte schon an sich einer unbefangenen Anschauung kaum verständlich sein. Den Professoren aber eine Stellung anweisen, welche sie von den Universitätswürden ausschließt, heißt sie doch in einer Weise behandeln, die ihr berechtigtes Ehrgefühl tief verletzen muß. Von ihren Leistungen hängt der Wert und die Ehre der Universität ab. Will man sie zum Lohne dafür zu ihren Dienern erniedrigen, so kann man Anhänglichkeit an die Universität wahrlich nicht von ihnen erwarten. Man entgegnete nicht etwa: „Die Professoren sind von den akademischen Würden nicht ausgeschlossen; sie brauchen sich nur in die Doktorenkollegien inkorporieren zu lassen, und dann können sie auch zu jenen Würden gewählt werden.“ Denn es ist ganz vergeblich, ihnen die Wählbarkeit einzuräumen unter Umständen, welche mit Bestimmtheit voraussehen lassen, daß die Wahl so gut wie niemals auf sie fallen wird. Daß man dieser erniedrigenden Stellung nicht noch die Unterordnung der Professoren unter die nicht lehrenden Doktoren hinzufügen könne, scheint von dem Herrn Minister des Inneren selbst gefühlt zu werden, und in dem gefühlten Bedürfnisse dieser Notwendigkeit — wenigstens in Beziehung auf das Dekanat — auszuweichen, dürfte wohl das eigentliche Motiv zu dem Vorschlage liegen, den Ausschüssen für die Leitung der Studien- wie der sogenannten korporativen Angelegenheiten jeder Fakultät Präsides, welche die Regierung zu ernennen habe, vorzusetzen.

Das ist die Wiederherstellung der ehemaligen Studiendirektoren. Die Frage, ob diese wünschenswert sei, wurde bei Beratung der Universitätsangelegenheiten im allgemeinen erörtert. Hier käme sie nur in Betracht als ein Ausweg zur Rettung aus den Verlegenheiten, in welche die Anerkennung der Usurpation der nicht lehrenden Doktoren notwendig führen muß, ein Gesichtspunkt, den ich nicht als entscheidend betrachten kann. In dem vorliegenden Vorschlage sind diese Präsides allerdings schon deshalb unentbehrlich, weil sie, nachdem die akademischen Würden, die oberste Universitätsbehörde (Konsistorium) und selbst der Name „Fakultät“ den Doktorenkollegien überantwortet werden, das einzige äußerliche Band sind, wodurch dasjenige, was alle Welt unter „Universität“ || S. 398 PDF || versteht, nämlich die Anstalt zur Pflege der Wissenschaft und des Unterrichtes, noch mit dem verbunden bleibt, was dann aus der Wiener Universitätskorporation geworden ist. Läßt man in der vorgeschlagenen Einrichtung die Präsides fallen, so liegen die Studien samt Professoren, wissenschaftlichen Instituten und Studenten völlig abgesondert und außerhalb der Wiener Universität. So wäre ein Dualismus auf die Spitze getrieben, den die alten glänzenden Zeiten der Wiener Universität gar nicht kannten, und durch ein seltsames quid pro quo alles, womit die alte Universitas scientiarum ausgestattet worden ist, an Korporationen, die sich weder mit Wissenschaft beschäftigen noch in irgendeiner Stiftungsurkunde erwähnt oder vorausgesetzt sind, überliefert, die Aufgabe aber, für welche die Universität gestiftet und begabt worden ist, einer ganz abgesonderten Veranstaltung überlassen. Doch eine Verbindung bliebe noch übrig, nämlich die Berechtigung der Professoren, wenn sie Doktoren sind, sich bei der Wiener Fakultät inkorporieren zu lassen und dadurch die Wählbarkeit zu den akademischen Würden und andere korporative Vorteile zu erkaufen. Daß dieser Umstand nichts zur Belebung der Universität beizutragen vermöchte und somit mindestens ein wertloser wäre, liegt am Tage. Er könnte aber wohl ein schädlicher werden. Wissenschaftlich hervorragende Professoren, Männer, die sich durch ihren persönlichen Wert und ihre geistige Kraft eine geehrte und materiell gesicherte Stellung zu erringen wußten, würden von jenem Rechte wahrscheinlich keinen Gebrauch machen. Hingegen würden Dozenten untergeordneten Ranges die ihnen dadurch zugänglich gemachten Vorteile zu erreichen suchen, sie würden, wenn sie einmal inkorporiert sind, wohl auch suchen, zu dem Taxen tragenden Dekanate zu gelangen und, da nicht die Tüchtigkeit im Lehramte Anspruch darauf gewährte, das Ziel durch Mittel anderer Art zu erstreben bemüht sein. So würde das Universitätsstatut dem Berufe der Dozenten eher gefährlich als förderlich, und die künstlich gehaltenen Doktorenkorporationen blieben im Nexus mit den unbedeutenden statt mit den bedeutenden Gliedern der Lehrkörper. Ohne das Gedeihen der Universität irgendwie zu fördern oder zu sichern, würden sie in Zeiten der Aufregung auf ihren Geist wahrscheinlich ebenso nachteilig wirken, wie es zum Teile vor dem Ausbruche der letzten Revolution der Fall war.

Die Zustände der Wiener Universität vor 1848 bieten das Bild einer Einrichtung, die für alles, was das eigentliche Leben einer Universität betrifft, zu bedeutungsloser Form geworden war und für die Universität ganz unwesentlichen Dingen allein Beachtung schenkte. Die Eigentümlichkeit, die sich dabei an ihr ihren älteren Schwestern gegenüber erhalten hat, besteht in ihrer historischen Wesenheit darin, daß die an ihr promovierten Doktoren, auch wenn sie sich nicht dem Lehramte widmen, mit der Universität in Verbindung bleiben. Diese Verbindung möge aufrechterhalten werden, aber nicht als tote oder gar lähmende Form, sondern in belebender Weise. Soll aber diese Verbindung eine lebendige sein, so fordert sie vor allem Achtung vor dem Begriffe der Universität, d. i. der höchsten Studienanstalt. Nicht mit dem bloßen Namen, sondern mit der Wesenheit der Universität und ihren wissenschaftlichen Abteilungen, d. i. den Fakultäten, muß die Verbindung hergestellt werden. Dann fordert diese Verbindung aber auch Unterordnung unter die historischen Autoritäten der Universität. Es sollen auch || S. 399 PDF || die nicht lehrenden Doktoren an dem Leben und Wirken der Universität teilnehmen: Ihre anderweitigen gemeinsamen Angelegenheiten sollen sie unter der Oberleitung der akademischen Autoritäten besorgen. Wer aber der Universität, wer ihren einzelnen Abteilungen, d. i. den Fakultäten in ihrer alten Bedeutung als Bestandteile der Studienanstalt, vorstehen, wie überhaupt die Verfassung der Universität beschaffen sein soll, das werde nach ihrem Hauptzwecke und nicht nach unwesentlichen Nebenzwecken beurteilt und geordnet. Wollen dieser in der Natur der Sache gegründeten Bedingung die nicht lehrenden Doktoren sich nicht fügen, so steht es ihnen frei, sich als abgesonderte Korporationen zu konstituieren. Einen Anspruch — in Absonderung von dem eigentlichen Leben und der Bestimmung der Universität, ihre Würden, das Geld ihrer Studierenden, ihre Privilegien und selbst den Namen ihrer Fakultäten in Besitz zu nehmen, können sie weder durch Argumente noch durch Urkunden erweisen.

Auf diesen Anschauungen beruhen die „Grundzüge7“.

Der Herr Minister des Inneren macht ihnen zum Vorwurf, daß nach ihren Bestimmungen, „die Fakultäten in bezug auf ihre korporativen Vermögensinteressen ungünstiger behandelt würden als jede Vermögensgesellschaft“. Dieser Einwurf wird von den Verteidigern der Doktorenkollegien bei jedem Anlasse mit Vorliebe hervorgekehrt, weil er den Schein verletzter Privatrechte begründet. Allein nach dem § 5 B des Entwurfs ist die Verwaltung und Regelung der korporativen Vermögensverhältnisse ausdrücklich der Plenarversammlung vorbehalten, wobei alle Doktoren erscheinen und abstimmen, folglich weitaus die Majorität für sich haben müssen, wenn sie nur wollen. Es ist aber auch zu bedenken, daß die Fakultät, insofern sie über Vermögensschaften Bestimmungen zu treffen hat, nicht einer Privatgesellschaft gleichzustellen ist. Was die Fakultäten seit dem Bestehen der Universität nach und nach an Kapitalien, periodischen Zuflüssen u. dgl. erworben haben, hatte immer nur die Bestimmung, den Zwecken der Fakultät in ihrer ungefälschten Bedeutung, nicht in der unmittelbar vor 1848 mißbräuchlich angenommenen Sonderstellung zu dienen. Es wäre unrichtig, dieser Bestimmung einen reinen Privatcharakter zu gewähren und mit diesem Einkommen schalten zu lassen wie mit einem Privatvermögen. Vielmehr treten hiebei auch Rücksichten auf ein öffentliches Institut in den Vordergrund. Daher gehört es sich, daß die Professoren, welche zunächst den Hauptberuf der Universität erfüllen, bei derlei Beschlüssen intervenieren und daß der Dekan diese Beschlüsse kontrolliere. Wenn vor 1848 eine solche Intervention nicht bestand, so war dies eben ein Unrecht gegen die Zwecke der Universität, und es war nur aus einer argen Verkennung der letzteren zu erklären, wenn die Fakultäten, insofern sie über Vermögensfragen abzusprechen hatten, einer für öffentliche Zwecke indifferenten Privatgesellschaft gleichgestellt wurden. Das eben ist der innere Widerspruch der gegnerischen Auffassung, daß die Doktorenkollegien einerseits als selbstständige Privatgesellschaften angesehen werden, während sie andererseits in dem Bestreben unterstützt werden, in die Rechte und Privilegien der Universität einzutreten. Wien, am 11. April 1855. Thun.