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Nr. 258 Ministerkonferenz, Wien, 2. Dezember 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 2. 12.), Bach 5. 12., Thun, K. Krauß, Baumgartner.

MRZ. – KZ. 4591 –

Protokoll der zu Wien am 2. Dezember 1854 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Auszeichnung für einige österreichische Industrielle

Der Handelsminister entwickelte seine Anträge wegen Erwirkung von Auszeichnungen für einige der verdienstvollsten inländischen Industriellen aus Anlaß der letzten Münchner Industrieausstellung und für einige dabei besonders tätig gewesene Beamte.

Bei dieser Exposition hat sich die österreichische Industrie Ehre eingelegt. Von den 1464 Ausstellern aus den österreichischen Staaten erhielten 96 die große, 233 die kleine Medaille, 352 eine ehrenvolle Erwähnung. In der Zahl der Aussteller wurde Österreich nur von Bayern (2460) übertroffen, in jener der verliehenen großen Medaillen von keinem der teilnehmenden Staaten erreicht, indem selbst die Bayern nur 63 große Medaillen erhielten. Aus dieser Rücksicht und in Beachtung der wirklichen Verdienste um die inländische Industrie sowie der bei jenem Anlasse im Interesse derselben gebrachten mannigfachen Opfer brachte der Handelsminister aus der großen Anzahl der mit der Medaille Ausgezeichneten nachstehende Personen zu folgenden Auszeichnungen in Antrag1:

1. Mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens: die beiden durch ihre besonders erfolgreiche Mitwirkung bei der Leitung des Ausstellungsgeschäftes verdienten || S. 366 PDF || Peter Tunner, Direktor der Montanistischen Anstalt in Leoben, Jacob Reuter, k. k. Rat und Kustos am Polytechnischen Institute zu Wien, dann folgende Industrielle: Carl Offermann, Florentin Robert, Matthäus v. Rosthorn, Heinrich Schmid, Franz Klein, Joseph Liebig, Ludwig v. Brevillier, Franz Wertheim2, Joseph Bossi, Wilhelm Sigmund, Mayers Neffe J. Zeisel, Christian Fischer, Johann Pfeiffer, Emil Seybel.

2. Mit dem goldenen Verdienstkreuze mit der Krone: Christian Starke, J. Marenzeller, Eduard Seuffert, V. F. Cerveny, Franz Müller, Philipp Haas, Anton Chwalla, Franz Bujatti, Matthäus Schopper, J. Lemann, Fr. Reichert, Heinrichsthaler, David Hollenbach, Heinrich Bolzani, Carl Hardtmuth.

3. Mit dem goldenen Verdienstkreuze: Franz Wurm, Mechaniker, Johann Wurm, Teppichfabrikant, A. Frese, Simon Alba.

4. Bezeigung der Ah. Zufriedenheit: den beiden Regierungsräten Auer und Ritter v. Burg, welche schon bei andern Gelegenheiten dekoriert worden sind.

Im allgemeinen bemerkte der vorsitzende Minister des Äußern , daß er einige Bedenken gegen die Opportunität dieser Anträge nicht unterdrücken könne. Die österreichische Industrie verdiene ohne Zweifel Anerkennung. Es sei aber nicht anzunehmen, daß ihre Verdienste erst jetzt, bei der Münchner Ausstellung zutage gekommen und wahrgenommen worden wären. Es sei die Sache der Regierung, die Verdienste der inländischen Industrie um ihrer selbst willen, nicht aber darum auszuzeichnen, weil sie in einem fremden Lande sich gezeigt und dort ehrende Anerkennung gefunden habe. In dieser Beziehung schiene daher dem tg. gefertigten Vorsitzenden der Moment zu jenen Auszeichnungsanträgen minder glücklich gewählt zu sein, zumal da nach dem Schlusse der gewiß wichtigeren Londoner Weltausstellung3 nichts dieser Art geschehen ist. Der Handels- und Finanzminister entgegnete hierauf übereinstimmend mit dem Minister des Inneren , daß es nicht die Absicht sei, die obgenannten Personen bloß darum auszuzeichnen, weil sie in München ausgezeichnet worden. Ihr verdienstliches Wirken sei längst bekannt und nur ein Anlaß abgewartet worden, um mit den Anträgen auf Anerkennung desselben hervorzutreten. Diesen Anlaß habe man nun in der besonderen Auszeichnung, welche die wirklich hervorragenden Leistungen unserer Industrieller in München verdienten, um so mehr zu finden vermeint, als ähnliche Auszeichnungsanträge auch nach dem Schluß der Londoner Exhibition gestellt, aber nicht Ah. genehmigt worden waren, und unter den hier namhaft gemachten Personen keine ist, welche sich nicht auch bei jener Weltausstellung beteiligt hätte. Diese Ausstellungen können gewissermaßen als öffentliche Prüfungen der Fortschritte der Industrie angesehen werden, an deren Schluß Preise und Belohnungen zu verteilen angemessen sein dürfte. || S. 367 PDF || Noch eine staatswirtschaftliche Rücksicht sei hier zu beachten: die Hebung der Ausfuhr inländischer Erzeugnisse, mit ihr hebe sich der Reichtum. Je mehr österreichische Industrielle sich an solchen Ausstellungen mit Erfolg beteiligen, desto mehr Gelegenheit wird ihnen verschafft, ihre Produkte im Auslande bekannt und gesucht zu machen, und desto mehr kann die Regierung durch Belohnung und Auszeichnung ihrer Unternehmungen zur Belebung des Wetteifers für den Export wirken.

Was die vom Handelsminister zur Beteilung mit Dekorationen namhaft gemachten Persönlichkeiten betrifft, so ergeben sich nur gegen drei derselben Anstände, und zwar a) gegen den k. k. Rat und Kustos am Polytechnischen Institute Jacob Reuter ad 1 und b) und c) gegen die sub 3 vorgeschlagenen Franz und Johann Wurm. a) Von Reuter glaubte der Handelsminister selbst nicht unerwähnt lassen zu dürfen, daß sein Benehmen im Jahre 1848, wo er eine Abteilung der akademischen Legion kommandierte, Anlaß zu Beanständigung gegeben haben mag. Allein sein späteres stets korrektes Benehmen und seine unbestreitbaren Verdienste um die Einrichtung der früheren österreichischen Produktenausstellungen sowohl als jener in München, wo er durch seine reiche Erfahrung wesentlich genützt hat, erscheinen wohl geeignet, etwaige Verirrungen aus jener bewegten Zeit vergessen zu machen, zumal bestimmte Tatsachen diesfalls wider ihn nicht vorliegen. Darum fände der Handelsminister darin keinen genügenden Grund, ihn von der in jeder andern Beziehung wohlverdienten Auszeichnung auszuschließen. In ähnlicher Weise sprach sich der Minister des Inneren aus. Reuter war die Seele der Ausstellung; nicht minder bekannt sind seine erfolgreichen Bemühungen für die Emporbringung der inländischen Flachskultur und -industrie. Die Bedenken gegen sein Verhalten im Jahre 1848 beruhen auf vagen Gerüchten, und außer seiner Beteiligung an einem Kommando bei der akademischen Legion zu einer Zeit, wo es der Regierung erwünscht war, Professoren an der Spitze der Jugend zu sehen, um diese besser leiten zu können, liegt wider Reuter keine Tatsache einer Wirksamkeit in revolutionärer Tendenz vor. Auch der Justizminister vereinigte sich mit der Ansicht der Vorstimmen, indem er zur Aufklärung der Stellung Reuters bei der Legion auf die nahe Verbindung hinwies, in welcher derselbe mit dem damaligen Oberkommandanten der Legion Grafen Colloredo als Präses des Gewerbevereins stand, und weiters bemerkte [er], daß Reuter am 26. Mai 1848 mit seiner Abteilung bei der Hauptmaut, also zum Schutze des ärarischen Eigentums, aufgestellt war. Der Kultus- und Unterrichtsminister würde ohne die Verdienste Reuters zu verkennen, vorziehen, wenn Reuter dafür in anderer Weise, etwa durch Übersetzung zum Handelsministerium auf einem seiner besonderen Befähigung für das industrielle Fach entsprechenden Posten belohnt würde. Ihn im Lehrkörper des Polytechnischen Instituts, aus welchen ihn zu entfernen wünschenswert ist, mit einem Orden auszuzeichnen, schiene dem Votanten um so bedenklicher, als Reuter — abgesehen von seiner Haltung im Jahre 1848, über welche der Unterrichtsminister abzusprechen nicht in der Lage ist — auch gegenwärtig eine vollkommen korrekte Gesinnung nicht an den Tag legt und noch immer als die Stütze der Elemente der Unordnung im Institute angesehen wird. || S. 368 PDF || Der Handelsminister fand sich hierüber nur zu der Gegenbemerkung veranlaßt, daß eine Versetzung Reuters zum Handelsministerium, wo dermal kein Posten erledigt ist, nicht tunlich wäre.

b) Der Mechaniker Wurm ist wegen Nachmachung von Banknoten verurteilt, später von dem höchstseligen Kaiser Franz begnadigt, rehabilitiert und wegen seiner ausgezeichneten mechanischen Kenntnisse in den Staatsdienst aufgenommen worden. Bei diesen Verhältnissen glaubte der Handelsminister sich den Antrag auf die Belohnung der ausgezeichneten Leistungen dieses Mannes mit dem goldenen Verdienstkreuze erlauben zu können. Auf die Bemerkung des Ministers des Inneren jedoch, daß es im Publikum Anlaß zu unliebsamen Bemerkungen geben dürfte, wenn ein abgestrafter Verbrecher einer solchen Auszeichnung gewürdigt werden sollte, zog der Handelsminister seinen Antrag zugunsten Franz Wurms zurück. Ebenso nahm er jenen ad c für den Fabrikanten Johann Wurm zurück, nachdem der Minister des Inneren versichert hatte, daß dieser Johann Wurm und dessen Bruder sich durch ihre schlechte Gesinnung und Handlungsweise im Jahre 1848 besonders bemerklich gemacht hätten4.

II. Pension für Johann Graf Némes

Der Minister des Inneren referierte über die zwischen ihm und dem Finanzminister über die Pensionsbehandlung des siebenbürgischen Landesbuchhaltungspräsidenten Johann Grafen v. Némes laut Vortrags vom 25. November 1854, KZ. 4438, MCZ. 3661, obwaltende Meinungsdifferenz.

Da der Finanzminister bei dem Umstande, daß Graf Némes nicht volle 25 Jahre anrechnungsfähig gedient hat, mithin durch Bewilligung der Gehaltshälfte als Pension bereits begünstigt worden ist, bei seiner Einsprache gegen den durch die besonderen Verdienste des Grafen Némes begründeten Antrag des Ministers des Inneren auf Bewilligung von zwei Dritteln beharrte, so kann die Ah. Entscheidung hierüber nur der Ah. Gnade Sr. Majestät anheimgestellt werden5.

III. Strafverschärfung für Verleitung zum Amtsmißbrauch

Der Justizminister brachte eine Zusatzverordnung zum § 311 des Strafgesetzbuches von 18526 in Antrag.

Nach dem Strafgesetz von 1803 war die Verleitung eines Beamten durch Geschenke überhaupt als Verbrechen angesehen und außer der Kerkerstrafe mit dem Erlage des einfachen Betrags des Geschenks zum Armenfonds geahndet. Das Strafgesetz von 1852 hat diese strafbare Handlung getrennt und im § 105 die || S. 369 PDF || Fälle bezeichnet, wo eine solche Handlung als Verbrechen, außerdem aber nach § 311 als Übertretunga anzusehen ist7. Dabei war in jenem Paragraphe die bBestimmung über denb Erlag des angebotenen oder gegebenen Geschenks beibehalten worden, in diesem nicht.

Der Oberste Gerichtshof hat es nun für zweckmäßig angesehen, wenn auch auf den Fall des § 311 nebst der dort festgesetzten Strafe der Erlag des Geschenks zum Armenfonds angedroht würde, und der Justizminister, welcher dieser Meinung nur beipflichten kann, weil hiermit ein Abhaltungsmotiv mehr gegeben wäre, verlangte und erhielt die Beistimmung der Konferenz, eine in diesem Sinne abgefaßte Verordnung der Ah. Genehmigung Sr. Majestät zu unterbreiten8.

IV. Beitrag aus dem Staatsschatz für den Wiener Musikverein

Der hiesige Musikverein erhielt infolge Ah. Bewilligung vom 29. Mai 1851 (MCZ. 1779) aus Staatsmitteln eine jährliche Unterstützung von 3000 f. auf drei Jahre. Gegenwärtig, wo diese Periode abgelaufen ist, wird um die Erneuerung dieser Ah. Gunst gebeten, und der Minister für Kultus und Unterricht nahm keinen Anstand, bei dem Fortbestande der bisherigen Verhältnisse auf die Bewilligung dieser Unterstützung, und zwar für sechs Jahre, anzutragen, weil voraussichtlich nach Ablauf von drei Jahren die Verlängerung abermals wird nachgesucht werden. Das Finanzministerium war nur für drei Jahre. Da indessen der Finanzminister es als richtig anerkannte, daß die Bitte um Verlängerung nicht ausbleiben und hiermit nur eine abermalige Hin- und Herschreiberei veranlassen werde, so gab er zu dem Antrag auf sechs Jahre seine Zustimmung.

V. Systemisierung einer Stelle für pathologische Chemie und eines Dieners an der Wiener medizinischen Lehranstalt

Der im Wiener Allgemeinen Krankenhause infolge Studienhofkommissionsverordnung vom 6. September 1845 9 provisorisch bestellte pathologische Chemiker Dr. Heller entspricht seinem Berufe nicht so, um ihm diese Stelle ohne Konkurrenz definitiv übertragen zu können. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß um einen bloß provisorischen Posten sich viele und taugliche Bewerber melden werden. Der Unterrichtsminister erachtete daher, die definitive Systemisierung dieses Postens mit 600 f. Gehalt, einem Diener mit 200 f. und einer || S. 370 PDF || Dotation monatlicher 30 f. für das Laboratorium in Antrag bringen zu sollen, welchem Antrag jedoch das Finanzministerium den Zweifel über die Notwendigkeit dieses Postens entgegenstellte. Letztere ist indessen für Prag durch die Ah. Entschließung vom 5. Mai 1851 anerkannt worden10, kann also für Wien noch minder bezweifelt werden. Auch konnte der Finanzminister nur bestätigen, daß die Entfernung des in keiner Hinsicht entsprechenden Dr. Heller von dem fraglichen Posten wünschenswert sei. Er war also in thesi nicht nur mit dem Unterrichtsminister einverstanden, sondern cstimmte auch seiner bei dem mündlichen Vortrage geäußerten Ansicht bei, daß das Gehalt von 600 f., das der Unterrichtsminister in der vorliegenden Verhandlung nur mit Rücksicht auf die bisherigen Bewilligungen zu überschreiten sich nicht getraut hatte, nicht ausreichend sei, um einen tüchtigen Chemiker zu gewinnenc, und somit den beabsichtigten Zweck vereiteln würde dund daß daher das Gehalt mit 1000 f. zu beantragen seid . Dere Minister des Inneren gab bezüglich der dem Krankenhausfonds angesonnenen Bestreitung der Hälfte der Kosten seine Zustimmung11.

VI. Pension für den deutschen Lehrer Zeno Heller am Krakauer Gymnasium

Eine Meinungsdifferenz zwischen dem Unterrichts- und dem Finanzminister in betreff des Zeitpunktes, von welchem an die Pensionierung des deutschen Lehrers Heller am Krakauer Gymnasium zu rechnen und demgemäß sein Aktivitätsgehalt einzustellen sei, wurde durch den Beitritt des Finanzministers zu der Ansicht des Unterrichtsministers behoben.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 15. Dezember 1854.