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Nr. 230 Ministerkonferenz, Wien, 20. Juni 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 21. 6.), Bach 24. 6., K. Krauß, Baumgartner; abw. Thun.

MRZ. – KZ. 2531 –

Protokoll der am 20. Juni 1854 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Forderung des Priesters Nicolo Busetti an die Gemeinde Tassullo

Der Minister des Inneren referierte über eine zwischen mehreren Ministerien entstandene Meinungsdifferenz in Ansehung der Kompetenz zur Entscheidung über eine Forderung des Priesters Busetti per 129 fr. 19 Kreuzer Abus1, welchen Betrag derselbe als gewesener Frühmesser und Schullehrer der Gemeinde Tassullo in Südtirol von dieser Gemeinde im Rechtswege einklagte.

Die Differenz besteht, nach der in dem au. Vortrage des Justizministers vom 7. Juni 1854, MCZ. 1892, KZ. 2328, enthaltenen Darstellung des Sachverhaltes, in der divergierenden Ansicht über die Frage, ob die gedachte Forderung des Priesters Busetti, welche er als Rückstand an seinem Honorar aus den Jahren 1849 und 1850 von der Gemeinde Tassullo anspricht, zur politischen oder judiziellen Verhandlung und Entscheidung gehöre. Das Bezirksgericht Cles in Tirol ist in die rechtliche Entscheidung dieser Sache eingegangen. Das tirolische Oberlandesgericht und der dortige Statthalter2 sind der Ansicht, daß der Gegenstand der Frage sich nicht zur rechtlichen, sondern zur politischen Verhandlung und Entscheidung eigne. In der höheren Sphäre, von woher sich die Weisung über die Kompetenz in der fraglichen Angelegenheit erbeten wurde, sprachen sich || S. 273 PDF || der Oberste Gerichtshof und das Ministerium des Inneren dahin aus, daß der in der Rede stehende Gegenstand nicht zur politischen, sondern zur judiziellen Verhandlung und Entscheidung gehöre, während die Ministerien des Kultus und Unterrichtes, dann der Justiz die Meinung vertraten, der Gegenstand der Frage sei nicht im Rechts-, sondern im politischen Wege zu verhandeln und zu entscheiden. Für die erste Ansicht wurde im allgemeinen geltend gemacht, daß das Hofdekret vom 13. August 1784, welches die Bestimmung enthält, daß Gegenstände, welche die den Schullehrern von den Gemeinden zufließenden Einkünfte betreffen, nicht bei den Gerichtsbehörden abgehandelt, sondern an die politischen Behörden verwiesen werden sollen3, nur eine Begünstigung der Schullehrer während ihres aktiven Dienstes beabsichtige, um nämlich denselben schnell zu ihrem Einkommen zu verhelfen. Busetti sei nicht mehr im Dienste der Gemeinde Tassullo. Seine aus einer früheren Zeit herstammende Forderung an diese Gemeinde müsse im ordentlichen Rechtswege verhandelt und abgetan werden, auch werde Busetti auf dem bereits fast ganz durchgeführten Rechtswege zu seiner Forderung viel eher gelangen, als wenn erst eine neue politische Verhandlung eingeleitet werden müßte. Für die andere Ansicht wurde angeführt: Das Verhältnis des Schullehrers zur Gemeinde und die Folgen daraus seien nach den betreffenden politischen Vorschriften von den Verwaltungsbehörden zu beurteilen und zu entscheiden. Die Ansprüche aus diesem Dienstverhältnisse bewahren ihre ursprüngliche Eigenschaft, wenn auch das Dienstverhältnis nicht besteht. Das oberwähnte Hofdekret vom 13. August 1784 spreche allgemein und unterscheide keineswegs zwischen der aktiven und nicht mehr bestehenden Dienstleistung u. dgl.

Bei der Besprechung hierüber in der Ministerkonferenz kam der referierende Minister des Inneren auf die bereits früher geäußerte Ansicht des Ministeriums des Inneren mit der Bemerkung zurück, daß das öffentliche Interesse, dessen Wahrung die Vorschrift vom 13. August 1784 beabsichtige, als erloschen anzusehen sei, wenn es sich um ein bereits aufgelöstes Dienstverhältnis und die Folgen daraus handle, daß in einem solchen Falle bloß ein Privatverhältnis zwischen dem Schullehrer und der Gemeinde zu beurteilen sei und daß es besser und für den Beteiligten vorteilhafter gewesen wäre, den in der Rede stehenden Gegenstand nicht auf das prinzipielle Feld zu ziehen, weil Busetti, wenn man der inkomminierten Sache freien Lauf gelassen hätte, schon vor Monaten zu seiner Forderung gelangt wäre, während er, wenn die Sache nun auf den politischen Weg geleitet würde, noch ebensolang und vielleicht noch länger auf seine Befriedigung wird warten müssen. Der Minister des Inneren erklärte sich daher in Beziehung auf den vorliegenden Fall für die obige Ansicht des Ministeriums des Inneren.

Der Justizminister und einverständlich mit demselben die übrigen Stimmführer der Konferenz sprachen sich dagegen aus den oben angeführten Gründen und vorzüglich deshalb für die Verweisung des Gegenstandes auf den politischen || S. 274 PDF || Weg aus, weil die Forderungen der Schullehrer, nämlich die aus dem Schulverhältnisse entspringenden Forderungen derselben nach der zwischen einem noch bestehenden oder bereits aufgelösten Dienstverhältnisse nicht unterscheidenden Verordnung vom 13. August 1784, nicht von den Gerichtsbehörden, sondern von den betreffenden politischen Behörden zu beurteilen sind. Ferner wurde zugunsten dieser Ansicht bemerkt, daß der Richter von Amts wegen auf Einhaltung seines Wirkungskreises sehen und eine ihm nicht zukommende Angelegenheit, wann immer es entdeckt wird, von sich weisen müsse4.

II. Aufnahme der Vorspannsauslagen in Krain in das Landesbudget

Der Minister des Inneren brachte weiter eine Differenz mit dem Finanzministerium bezüglich der in das Landesbudget für Krain für das Verwaltungsjahr 1855 aufzunehmenden Vorspanns­auslagen5 zum Vortrage.

Derselbe bemerkte, daß seit dem Jahre 1853 eine Menge Auslagen, die früher von dem Ärar bestritten worden sind, auf die Länder verwiesen wurden. Dieses sei unter anderem auch der Fall mit den Vorspannsauslagen. Diese werden bei Krain für das Verwaltungsjahr 1855 in der unerschwinglichen Höhe von 50.000 f. in Anspruch genommen. Krain, eine der kleinsten Provinzen, sei kaum in der Lage, die Grundentlastungsauslagen und die übrigen schweren Lasten, die gesteigerten Steuern und die verschiedenen Zuschläge, zu bestreiten. Der Statthalter dieses Landes6 habe daher in der Rücksicht, daß die Vorspannsauslagen mehr das militärische Interesse als jenes des Landes betreffen, daß Krain seit mehreren Jahren mit Mißernten zu kämpfen hatte und daß es kaum den gesteigerten Steuern und Zuschlägen zu genügen vermag, den Antrag gestellt, die ganze Summe der Vorspannsauslagen auf das Ärar zu übernehmen.

Der Minister des Inneren hat sich an das Finanzministerium dahin geäußert, daß nicht der ganze Betrag der Vorspannsauslagen per 50.000 f., sondern nur der Teilbetrag von 30.000 f. auf das Ärar zu übernehmen und der Rest von 20.000 f. dem Lande Krain zur Last zu schreiben wäre. Das Finanzministerium hat aber diesen Antrag in der Besorgnis, daß daraus für die Finanzen lästige Exemplifikationen hervorgehen könnten, ganz abgelehnt. Der Minister des Inneren glaubte, diese Angelegenheit noch einmal der billigen Erwägung des Finanzministers gegenwärtig halten und diesfalls bemerken zu sollen, daß aus dem exzeptionellen Falle des in so mißlichen Umständen befindlichen Landes Krain nicht wohl Exemplifikationen abgeleitet werden können, daß die Zustandebringung der Eisenbahn von Laibach bis Triest, deren jetziger Mangel die Lage des Landes bezüglich der Militärvorspannsauslagen zu einer besonders drückenden macht, || S. 275 PDF || wohl noch längere Zeit ausbleiben dürfte und daß es billig sei, dem an Hilfsmitteln so armen Lande Krain die angetragene Erleichterung zu gewähren. Der Finanzminister bemerkte, er könne keineswegs darauf eingehen, daß man einfach die Übernahme der ganzen oder eines Teiles jener Last, welche jedes Land für sich zu tragen hat, auf das Ärar bewillige. Dies würde auf einen für die Finanzen sehr nachteiligen Weg leiten. Der Finanzminister verkennt keineswegs die ungünstige Lage von Krain und dessen geringe Hilfsmittel. In Berücksichtigung dieser Umstände glaubt er, daß an Se. Majestät der au. Antrag zu richten wäre, Allerhöchstdieselben wollen aus Gnade zuzugestehen geruhen, daß für Krain bis zur Vollendung der Eisenbahn zwischen Laibach und Triest etwa die Hälfte der Vorspannsauslagen, also für 1855 25.000 f., auf das Ärar übernommen werden dürfen.

Der Minister des Inneren erklärte sich mit dieser Ansicht einverstanden, wird in diesem Sinne den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten und nach dem Ergebnisse der Ah. Entschließung den entsprechenden Betrag für Vorspannsauslagen in das Landesbudget von Krain aufnehmen7.

III. Innere Einrichtung der Staatsanwaltschaften

Der Justizminister referierte die bei Sr. Majestät in Antrag zu bringende 36 Paragraphe enthaltende Vorschrift über die innere Einrichtung bei den Staatsanwaltschaften und die Einführungverordnung dazu, über welche Gegenstände sich von keiner Seite eine Erinnerung ergab8.

A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 3. Juli 1854.