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Nr. 229 Ministerkonferenz, Wien, 17. Juni 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 17. 6.), Bach 20. 6., K. Krauß, Baumgartner; abw. Thun.

MRZ. – KZ. 2530 –

Protokoll der zu Wien am 17. Juni 1854 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Verdienstkreuz für Johann Fitak

Der Minister des Inneren referierte statt des Ministers für Kultus und Unterricht über den Antrag vom 10. Juni l. J., KZ. 2318, MCZ. 1884, wegen Ag. Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Lokalkaplan in Międzybrodzie Johann Fitak zur Belohnung des verdienstvollen Wirkens desselben in der Seelsorge und im Unterrichte.

Die Konferenz erklärte sich einverstanden mit dem Antrage1.

II. K. k. Ratstitel für Johann Degen

Der Minister des Inneren referierte statt des Unterrichtsministers den Antrag, von der Ah. Gnade Sr. Majestät für den in den Ruhestand tretenden Professor der Staatsrechnungswissenschaft in Pest Johann Degen in Berücksichtigung der langjährigen, tadellosen und loyalen Dienstleistung die taxfreie Verleihung des k. k. Ratstitels zu erbitten, wogegen sich keine Einwendung ergab2.

III. Druck der deutschen Übersetzung der jüdischen Gebote

Der Minister des Inneren referierte über die Meinungsdifferenz, welche Zeuge des Vortrags des Kultusministers vom 6. Juni 1854, KZ. 2303, MCZ. 1869, zwischen diesem und dem Justizminister einer [seits], dann dem Minister des Inneren andererseits in Ansehung der Ah. Vorschrift vom 24. März 1841 besteht, vermöge welcher den jüdischen Gebet- und Erbauungsbüchern in Galizien die deutsche Übersetzung des hebräischen Textes mit deutschen Lettern beigedruckt sein soll3. Während nämlich der Minister des Inneren für die unveränderte Aufrechthaltung dieser Vorschrift war, erklärte sich der Justizminister dafür, den Verlegern für die nächste Zukunft zu überlassen, die deutsche Übersetzung mit hebräischen oder deutschen Lettern zu drucken. Und der Kultusminister machte den Antrag, den Druck dieser Übersetzung mit deutschen oder hebräischen Lettern auf fünf Jahre freizugeben und den Landesbehörden aufzutragen, den Zeitpunkt wahrzunehmen, wann infolge der allgemeinen Verbreitung der Kenntnis der deutschen Schrift bei den polnischen Juden die Notwendigkeit dieses Zugeständnisses entfallen sein werde. Der Minister des Inneren fand sich durch die im Vortrage des Kultusministerii für den letzterwähnten Antrag angeführten Gründe nicht bestimmt, || S. 270 PDF || von seiner früheren Ansicht abzugehen. Eine zeitweilige Suspension dieser seit 1841 in Kraft bestehenden Vorschrift, welche nur infolge der im Jahre 1848 aufgekommenen Ideen über die Freiheit der Presse in Vergessenheit kommen konnte, würde die Erreichung des wichtigen politischen Zwecks der Maßregel, die Verbreitung der Kenntnis der deutschen Schrift bei den Juden, noch mehr in die Ferne rücken, ja zur Aufgebung desselben auf diesem Wege führen. Da die deutsche Sprache, deren sich die polnischen Juden im Verkehr unter sich und bei welchem sie sich der hebräischen Schriftzeichen bedienen, eine, wie auch der Finanzminister hervorhob, verdorbene Sprache ist, so würde ein Zugeständnis solcher Art oder gar die gänzliche Auflassung der Vorschrift von 1841 den Fortbestand dieser Judensprache begünstigen oder eigentlich sanktionieren, was doch in keiner Beziehung als wünschenswert erscheint. Wird nach dem Antrage des Kultusministeriums auf die Verbreitung der Kenntnis der deutschen Schrift in der Schule und sonst auf alle tunliche Art hingewirkt, so entfällt die Notwendigkeit einer Konzession dieser Art von selbst.

Die Mehrheit der Konferenz — mit Ausnahme des Justizministers — war also für die Aufrechthaltung der Vorschrift von 18414.

IV. Advokaten- und Notarsprüfungen

Der Justizminister brachte mit Beziehung auf sein Referat vom 6. Juni l. J., zweiter Teil5, die Entwürfe zweier Verordnungen: a) gültig für den Umfang des ganzen Reichs mit Ausnahme des lombardisch-venezianischen Königreichs und der Militärgrenze mit den gesetzlichen Bestimmungen über die zur Ausübung der Advokatur und des Notariats erforderlichen praktischen Prüfungen und vorausgegangene Geschäftspraxis, b) gültig für das lombardisch-venezianische Königreich mit den gesetzlichen Bestimmungen über die zur Ausübung der Advokatur in diesem Königreich, wo das Notariat nach dem Regolamento vom 17. Juni 1806 einstweilen normiert bleiben soll, erforderliche praktische Prüfung und vorausgehende Geschäftspraxis bei der Konferenz in Vortrag.

Dieselbe fand gegen die darin angetragenen Bestimmungen nichts zu erinnern6.

V. Abschluß der Wirksamkeit der Kriegsgerichte

Dem Protokolle vom 20. Mai l. J. (MCZ. 1878) über den Abschluß der Wirksamkeit der Kriegsgerichte über Zivilpersonen, hat der Chef der Obersten Polizeibehörde FML. Freiherr v. Kempen ein schriftliches Separatvotum angehängt7, || S. 271 PDF || worin er erklärt, daß er 1. bei der ohnehin nahe bevorstehenden Einstellung der Funktionen des hiesigen Kriegsgerichts von jedem Antrage auf eine Beschränkung des ihm dabei bisher eingeräumten Rechts sich enthalten müsse, auch nicht glaube, daß es im Interesse der Beteiligten liege, die bei Hochverratsprozessen sonst vorgeschriebene, mit vielem Zeitaufwande verbundene Revision durch das Militärober- und Oberste Gericht eintreten zu lassen; 2. daß den Kriegsgerichten, namentlich in Wien, ein peremptorischer Termin zu geben wäre, bis zu welchem alle ihre Funktionen einzustellen und noch anhängige Prozesse an die kompetenten Gerichte abzugeben sein würden.

Der Vorsitzende tg. gefertigte Minister des Äußern glaubte, diese Äußerung in der Konferenz zu dem Ende zur Sprache bringen zu sollen, um in Beratung zu nehmen, ob und inwieweit sie geeignet erscheine, an den Anträgen der Konferenz vom 20. Mai und in dem dieselbe zusammenfassenden Entwurfe der auf den bezüglichen Vortrag des Ministers des Inneren vom 12. Juni 1854, KZ. 2308, MCZ. 1872, zu erteilenden Ah. Entschließung irgendeine und — im Bejahungsfalle — welche Änderung oder Modifikation vorzuschlagen.

Nach Ablesung des Protokolls vom 20. Mai, der Separatmeinung des FML. Freiherrn v. Kempen und des dem Vortrage vom 12. Juni 1854 (MCZ. 1872) angeschlossenen Resolutionsentwurfs kam die Konferenz zu der Überzeugung, daß es ad 2. des beredeten Separatvotums der Festsetzung einer Frist zur Einstellung der Funktionen der Kriegsgerichte nicht bedürfe, nachdem in den Absätzen 1 und 3 des Resolutionsentwurfs bereits festgesetzt ist, daß von nun an keine neuen Untersuchungen wider Zivilpersonen eingeleitet werden dürfen und daß von den schon anhängigen diejenigen, die erst begonnen haben und deren Abschluß nicht bis Ende Juni möglich ist, den Zivilgerichten abgetreten werden sollen. Was die Einwendung ad 1. betrifft, daß nämlich für die noch übrige Dauer der Wirksamkeit der Kriegsgerichte eine Schmälerung der gerichtsherrlichen Rechte des Chefs der Obersten Polizeibehörde nicht eintrete, so ist sie vom Minister des Inneren insoferne berücksichtigt worden, als er im Absatz 3 nur anträgt, daß Todesurteile der Ah. Bestätigung Sr. Majestät vorgelegt werden sollen. Allein die Mehrheit der Konferenz fand bei ihrer unterm 20. Mai l. J. ausgesprochenen Ansicht zu beharren, daß nämlich, da der Belagerungszustand aufgehört hat, wieder die allgemeinen Normen bezüglich der Vorlage der Akten und des Instanzenzuges an das Ober- und Oberste Militärgericht einzutreten haben, und erkannte die Richtigkeit der Bemerkung des Justizministers an, welcher zur Widerlegung der Ansicht des Chefs der Obersten Polizeibehörde, es liege wegen der mit dem Revisionszuge verbundenen Verzögerung nicht einmal im Interesse des Inquisiten, diesen Zug wieder zuzulassen, entgegnete, daß es den Parteien, welche vom Kriegsgerichte eines schweren Verbrechens wegen abgeurteilt worden, nicht so sehr um die Beschleunigung der Verhandlung als darum zu tun sei, durch Zulassung der Revision in höherer Instanz, beim Ober- und Obersten Gerichte, den nötigen Schutz gegen Willkür und Ungerechtigkeit zu finden.

Hiernach würde dem bezüglichen Absatze 3 im Resolutionsentwurfe als Alternative nach dem Antrage der Konferenz beiläufig beizufügen sein, daß außer den zur Ah. Bestätigung vorzulegenden Todesurteilen auch alle andern über derlei || S. 272 PDF || Untersuchungen von den Kriegsgerichten gefällte Urteile, wenn sie nach den allgemeinen Gesetzen einer höheren Bestätigung unterliegen, derselben zu unterziehen seien8.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 29. Juni 1854.