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Nr. 227 Ministerkonferenz, Wien, 6. Juni 1854 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend: Thun
  • Sonderprotokoll; RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 7. 6.), Bach 13. 6., K. Krauß, Baumgartner; anw. Thun.

MRZ. – KZ. 2178 –

Protokoll der am 6. Juni 1854 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Politische Geschäfts- und Richteramtspraxis und die entsprechenden Prüfungen im lombardisch-venezianischen Königreich

Bei der Prüfung des von dem Justizminister Freiherrn v. Krauß zum Vortrage gebrachten Entwurfs zu einer kaiserlichen Verordnung über die politische Geschäfts- und über die Richteramtspraxis, dann über die praktischen politischen und Richteramtsprüfungen für den ganzen Umfang des Reiches mit einziger Ausnähme || S. 265 PDF || der Militärgrenze ist in den Ministerkonferenzen vom 4., 11. und 14. Februar 1854, laut Protokoll MCZ. 529 (bei § 21, lit. d, letzter Absatz), unter anderm beschlossen worden, die heikliche Frage über die Geschäftssprache für das lombardisch-venezianische Königreich nicht in das besprochene Gesetz hineinzuziehen und dasselbe nur für die Kronländer der Monarchie mit Ausnahme der Militärgrenze, wie schon im Eingange der Verordnung bemerkt wurde, und des lombardisch-venezianischen Königreiches, was im Eingange der Verordnung hinzuzufügen wäre, zu erlassen1. Es wurde ferner beschlossen, für das lombardisch-venezianische Königreich eine eigene Verordnung über die politische Geschäfts- und über die Richteramtspraxis sowie über die praktischen politischen und Richteramtsprüfungen nach den Grundsätzen des für die übrigen Provinzen des Reiches angetragenen Gesetzes zu verfassen und dieselbe gleichzeitig mit jener Sr. Majestät zur Ah. Schlußfassung vorzulegen.

Der Justizminister brachte nun in der heutigen Konferenz den Entwurf dieser kaiserlichen Verordnung für das lombardisch-venezianische Königreich zum Vortrage2.

In diesem Entwurf wurde bezüglich der Sprache, in welcher die Prüfungen abzulegen sind (§ 19, lit. d), folgende Bestimmung aufgenommen: „Vorderhand ist es zwar noch gestattet, die Prüfung in italienischer Sprache allein abzulegen. Vom Jahre 1859 angefangen aber ist dieselbe auch im lombardisch-venezianischen Königreiche teilweise in deutscher Sprache als der Geschäftssprache der Zentralregierung des Reiches abzulegen.“ Zur Aufnahme dieser Bestimmung in den Verordnungsentwurf wurde der Justizminister durch die in einem Ah. Kabinettsschreiben enthaltene Weisung veranlaßt, nach welcher dafür Sorge zu tragen ist, daß die deutsche Sprache auch im lombardisch-venezianischen Königreiche zur Geltung komme und daß niemand in einem höheren Dienste daselbst verwendet werde, der nicht zugleich auch der deutschen Sprache mächtig sei3. Nach einer neuerlichen Besprechung dieses Gegenstandes wurde, auch mit Zustimmung des Justizministers, beschlossen, den Artikel d des § 19 aus der Verordnung ganz wegzulassen, weil die Klugheit es anrate, über diesen delikaten Gegenstand noch weitere Erfahrungen zu sammeln, insbesondere welche Resultate der erweiterte Unterricht in der deutschen Sprache im lombardisch-venezianischen Königreiche hervorbringen werde4. Nach Verlauf von einigen Jahren wird sich dann mit mehr Sicherheit bestimmen lassen, ob und was in dieser Sache zu verfügen notwendig oder rätlich sein dürfte.

|| S. 266 PDF || Ein anderer zur Sprache gebrachter Punkt ist folgender: In dem oberwähnten Verordnungsentwurfe für die ganze Monarchie mit Ausnahme der Militärgrenze und nach dem Beschlusse des lombardisch-venezianischen Königreiches erscheint die Bestimmung aufgenommen, daß die Wirksamkeit dieses Gesetzes erst dann einzutreten habe, wenn die Gerichtsbehörden organisiert sein werden. Da die Gerichtsbehörden in Italien bereits organisiert sind5, so hätte diese Bestimmung für das lombardisch-venezianische Königreich zu entfallen, und es wäre lediglich in dem Eingange der Verordnung zu bestimmen, von welchem Termine angefangen dieses Gesetz dort in Wirksamkeit zu treten hat.

In dem obigen allgemeinen Gesetze kommt im § 27 vor, daß die Minister des Inneren und der Justiz, jeder in seinem Wirkungskreise, ermächtigt sind, innerhalb der ersten fünf Jahre der Wirksamkeit dieser Verordnung aus rücksichtswürdigen Gründen in einzelnen Fällen von den Bestimmungen dieser Verordnung in Beziehung auf die Zulassung zur Praxis und hinsichtlich der Ablegung der praktischen Prüfungen oder der Zulassung zu denselben Nachsichten zu bewilligen. Diese Verordnung erscheint nach der Ansicht ades Justizministers, mit welcher sich die Konferenza, für das lombardisch-venezianische Königreich überflüssig, weil dortlands niemand als Auskultant6 ohne Auskultantenprüfung und niemand zum Richter aufgenommen wird, ohne die Richteramtsprüfung abgelegt zu haben. Der eine ähnliche Bestimmung enthaltende § 23 der in der Rede stehenden Verordnung für das lombardisch-venezianische Königreich wäre daher ganz wegzulassen.

Die übrigen Bestimmungen des Verordnungsentwurfes für das lombardisch-venezianische Königreich entsprechen ganz den diesfälligen Bestimmungen für die übrigen Kronländer der Monarchie.

Am Schlusse der Verordnung wäre nur noch beizusetzen: „Mit der Vollziehung dieser Verordnung sind meine Minister des Inneren und der Justiz, jeder in seinem Wirkungskreise, beauftragt7.“

A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 12. Oktober 1854.