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Nr. 224 Ministerkonferenz, Wien, 27. Mai 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 29. 5.), Bach 3. 6., Thun, K. Krauß, Baumgartner.

MRZ. – KZ. 2174 –

Protokoll der am 27. Mai 1854 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Differenzen mit der Schweiz

Der Vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten brachte unsere bereits öfter erwähnten politischen Verhältnisse zu der Schweiz zur Sprache. Diese Verhältnisse betreffen vorzüglich zwei streitige Punkte, nämlich: a) die politischen Flüchtlinge aus Österreich, die sich in der Schweiz, namentlich im Kanton Tessin, aufhalten, und die zu ihrer Abwehrung aus diesem Verhältnisse hervorgegangenen Grenzsperren gegen diesen Kanton, b) die aus der Schweiz ausgewiesenen Kapuziner österreichischer Nationalität und den dortlands eingehaltenen Vorgang mit den Österreich berührenden geistlichen Stiftungen und theologischen Seminarien1.

|| S. 247 PDF || Von der schweizerischen Seite, bemerkte der vortragende Minister, sei der Wunsch ausgesprochen worden, sich mit uns zu verständigen, es werde aber dortlands ein großer Wert darauf gelegt, die beiden erwähnten streitigen Punkte zu trennen und abgesondert zu behandeln. Die schweizerische Regierung wünscht, zunächst die Angelegenheit wegen der politisch Kompromittierten und die davon abhängige Grenzsperre und Beseitigung des Kordons in Ordnung zu bringen; die zweite Angelegenheit soll deshalb nicht als abgetan angesehen und es soll darüber besonders verhandelt werden. Die Schweizer aRegierung erklärt sich bereit, das Recht der österreichischen Regierung anzuerkennena, daß diese bihr auf jedesmaliges Begehrenb namentliche Verzeichnisse der in der Schweiz und im Kanton Tessin vorhandenen österreichischen Flüchtlinge cmitteilen werde undc die diesseitigen Bemerkungen über das Verbleiben der uns gefährlich scheinenden österreichischen Flüchtlinge in der Schweiz und im Kanton Tessin in Berücksichtigung nehmen werde, wünscht aber zur Ausgleichung dieser Angelegenheit die Aufhebung des Kordons2. Der referierende Minister bemerkte, daß es allerdings selbst im österreichischen Interesse wünschenswert sei, mit der Schweiz die früheren nachbarlichen Verhältnisse wiederherzustellen und die noch immer bestehende Mißstimmung so bald wie möglich zu beseitigen. Für die Herstellung des früheren Zustandes spreche auch der Umstand, daß der Feldmarschall Graf von Radetzky einen großen Wert auf die Grenzrektifikation mit dem Kanton Tessin lege und diesen Gegenstand neuerdings in Anregung brachte, diese Sache aber so lange nicht in Angriff genommen werden könne, als die gegenwärtige Spannung fortdauere. Nach der Ansicht des referierenden Ministers wäre das Anerbieten der schweizerischen Regierung anzunehmen und dem kaiserlichen Geschäftsträger in der Schweiz unter Anschluß einer Abschrift der Note der schweizerischen Regierung zu bedeuten, daß die beiden oberwähnten Beschwerdekategorien getrennt behandelt werden können und daß der Militärkordon von der Tessiner Grenze zurückgezogen und die Grenzsperre aufgehoben, überhaupt die nachbarlichen Beziehungen zu dem Kanton Tessin auf dem früheren Fuße hergestellt werden sollen, wenn der schweizerische Bundesrat seine Einwirkung dahin verwendet, daß den billigen Wünschen Österreichs in Ansehung der mit Unrecht vertriebenen Kapuziner und hinsichtlich der geistlichen Stiftungen und der theologischen Seminarien Rechnung getragen und diesfalls die nötige Unterhandlung eingeleitet werde. In diesem Sinne wäre sich in dieser Angelegenheit auszusprechen3.

Die Ministerkonferenz erklärte sich mit diesen Ansichten vollkommen einverstanden.

II. Getreideausfuhr aus Galizien

Der Minister des Inneren bemerkte, daß vor ungefähr 14 Tagen ihm eine Anzeige aus Galizien zugekommen sei, daß infolge der Militärkonzentrierung im Königreiche Polen und der daraus hervorgehenden Aufkäufe von Getreide in Galizien, in diesem letzteren Lande ein Steigen der Preise stattgefunden habe4. Bezüglich der bei diesem Anlasse vorgekommenen Frage, ob nicht ein Getreideausfuhrverbot daselbst zu erlassen wäre, habe der Minister des Inneren sich unterm 13. Mai d. J. für die Verneinung ausgesprochen, weil nicht näher vorgelegen ist, welche Truppenaufstellungen daselbst stattfinden, weil die Ausweise über die Cerealienpreise zwar ein kleines Steigen dieser Preise, aber kein so bedeutendes ersichtlich machten, um mit einer so eingreifenden Maßregel, wie ein Getreideausfuhrverbot ist, vorzugehen, und weil damals gerade die Verhandlung über die Modalitäten der Getreideeinfuhr in das Krakauische aus Rußland im Zuge war. Nun sei dem referierenden Minister eine neue Anzeige von dem fortwährenden Steigen der Getreidepreise in Galizien und der ausgesprochene Wunsch des dortigen Armee- und Militärkommandos zugekommen, es möchte die Getreideausfuhr aus Galizien, wenn die Armee dort vermehrt werden sollte, untersagt werden. Rußland habe die Getreideausfuhr aus dem Königreiche Polen verboten und nur für das Krakauer Gebiet die Einfuhr des Weizens insofern gestattet, als durch Zeugnisse nachgewiesen wird, daß diese Getreidegattung für das Krakauische bestimmt sei. Der Minister des Inneren bemerkte, daß vom rein politischen Standpunkte es wohl keinem Anstande unterliegen könnte, die Reziprozität gegen das Königreich Polen eintreten zu lassen. Indessen dürfte hierbei nicht verkannt werden, daß die Wirkung dieser Maßregel für Galizien nur eine geringe wäre. Würden wir mit dem Verbote vorgehen, so würde Rußland ohne Zweifel Podelien, Wolhynien und die Moldau sperren, wobei Österreich nur noch mehr leiden würde. Der Minister des Inneren bemerkte weiter, daß die Gründe, welche ihn unterm 13. Mai d. J. bestimmten, sich gegen ein Getreideausfuhrverbot aus Galizien auszusprechen, noch fortan, und zwar in einem um so höheren Maße, fortbestehen, als wir uns der Ernte immer mehr nähern. Das beunruhigende Steigen der Preise betreffe nur eine beschränkte Gegend Galiziens, den Krakauer, Wadowicer und Bochniaer Kreis, wo die Ernte im Jahre 1853 schlecht ausgefallen ist und die Getreidepreise schon im Herbste hoch waren, während in anderen Gegenden des Landes die Preise keineswegs so sehr gestiegen sind, um das Vorgehen mit einem Ausfuhrverbote, da es sich im ganzen nur um Lokalverhältnisse handelt, rechtfertigen zu können. Der Minister des Inneren erklärte sich daher gegen die Erlassung eines Getreideausfuhrverbots für Galizien, und zwar um so mehr, als die Russen, wenn dieses Verbot erlassen würde, auch die Ausfuhr des Weizens in das Krakauische untersagen würden und als die politischen Landesstellen sich gegen die Erlassung eines solchen Verbots ausgesprochen haben.

Der Finanzminister stimmte dieser Ansicht in der Überzeugung bei, daß Rußland, im Falle der Erlassung eines Verbots von unserer Seite, sein bereits || S. 249 PDF || in einem gewissen Grade bestehendes Getreideausfuhrverbot auch auf den Weizen in das Krakauische ausdehnen würde, wodurch die dortigen Getreidepreise nur noch mehr steigen müßten. Derselbe Minister bemerkte, daß die erste Wirkung des in der Rede stehenden Verbots allerdings ein Fallen der Getreidepreise wäre, weil alles zur Ausfuhr bestimmte Getreide losgeschlagen werden müßte, allein bald würde sich zuerst ein langsames, dann aber ein schnelles Steigen der Getreidepreise einstellen. Ein Getreideausfuhrverbot dürfe nur dann erlassen werden, wenn wirklicher Mangel zu besorgen ist, weil sonst ein solches Verbot eine Ungerechtigkeit gegen die Getreidebesitzer wäre und selbst, was die Approvisionierung der Armee betrifft, seinen Zweck ganz verfehlen würde, als Retorsionsmaßregel bei den noch nicht ausgesprochenen feindlichen Gesinnungen gegen Rußland aber nicht in Anwendung kommen kann.

Dieser Ansicht stimmten auch die übrigen Konferenzmitglieder, der Minister des Äußern mit der Bemerkung bei, es sei wünschenswert, gegenwärtig noch alles zu vermeiden, was als eine unfreundliche Maßregel gegen Rußland angesehen werden könnte5.

III. Aufhebung des Belagerungszustands in Siebenbürgen

Der Minister des Inneren eröffnete der Konferenz seine Absicht, bei Sr. Majestät au. anzuregen, daß der Belagerungszustand nun auch in Siebenbürgen aufgehoben werden möge. Der Grund, warum mit dieser Aufhebung nicht schon früher vorgegangen wurde, als es sich nämlich um die Aufhebung des Belagerungszustandes in Böhmen, Galizien, Ungarn usw. handelte6, war, wie der Minister des Inneren bemerkt, der, daß der Militär- und Zivilgouverneur von Siebenbürgen Fürst v. Schwarzenberg sich im Jänner d. J. dagegen ausgesprochen hat, indem die gedachte Aufhebung eine wesentliche Veränderung in dem dortigen Organismus zur Folge haben müßte.

Nachdem der Belagerungszustand in Ungarn usw. aufgehoben wurde, ist Fürst Schwarzenberg neuerlich um sein Gutachten über diese Frage angegangen worden, er erklärte sich aber wieder gegen die Auflassung des Belagerungszustandes. Der Minister des Inneren meint dagegen, daß nun der Zeitpunkt gekommen sein dürfte, diesem Zustand nun auch in Siebenbürgen, dem einzigen Lande, wo er noch besteht, und zwar vom 1. Juli d. J. angefangen, aufzuheben, weil für dessen Aufhebung alles das spricht, was diesfalls bei den anderen Kronländern geltend gemacht worden ist7. Diese Aufhebung hätte unter denselben Modalitäten wie in Ungarn einzutreten. Die Kriegsgerichte hätten auch in Siebenbürgen die Judikatur über die Verbrechen des Hochverrates, des Aufstands und || S. 250 PDF || des Aufruhrs bis zur Aktivierung der Zivilgerichte fortzusetzen8. Die schon anhängigen Untersuchungen wären von dem Kriegsgerichte in Hermannstadt fortzusetzen. Die gegenwärtigen Zivilbehörden hätten ihren bisherigen Wirkungskreis bis zum Eintritte der Bezirksämter einzuhalten. Bezüglich der gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes rege gemachten Bedenken bemerkt der Minister des Inneren, daß die Aufstellung größerer Truppenmassen in Siebenbürgen nicht nur kein Hindernis dieser Aufhebung sei9, sondern dieselbe vielmehr begünstige, weil bei der Anwesenheit einer imponierenden Macht die normale Verwaltung um so leichter ins Leben eingeführt werden kann.

Das Waffengesetz wäre in Siebenbürgen so zu ordnen, wie es in dem weit schwierigeren Ungarn geschehen ist10. Der Besitz von Waffen und Munition wäre an die Verpflichtung der Einholung einer besonderen Bewilligung dder kompetenten politischen Behörded zu knüpfen und davon abhängig zu machen. Der Mangel der Ordnung der Urbarialverhältnisse in Siebenbürgen, welcher Mangel im und außer dem Belagerungszustande sich gleichbleibe, sei auch kein Hindernis der in der Rede stehenden Aufhebung. Übrigens befinde sich der diesfällige Gesetzesentwurf in Ah. Händen Sr. Majestät, und dieser Grund dürfte sonach bald ganz behoben werden11. Daß in Siebenbürgen noch kein definitives Jagdgesetz bestehe, sei auch kein Grund gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes, weil ein provisorisches Jagdgesetz in Siebenbürgen besteht und die Waffenbewilligung von dem Gouverneur abhängt, dieser also den Gegenstand der Frage ganz in seinen Händen hat, und zwar so lange, bis ein allgemeines Jagdgesetz erlassen wird12. Im übrigen seien die Verhältnisse in Siebenbürgen ganz jenen von Ungarn gleich, für welches Land Se. Majestät den Belagerungszustand aufzuheben keine Bedenken getragen haben. In diesem Sinne beabsichtigt der Minister des Inneren den diesfälligen au. Antrag bei Sr. Majestät zu stellen13.

Die Ministerkonferenz erklärte sich damit vollkommen einverstanden.

IV. Restaurierung des berühmten Freskogemäldes von Leonardo da Vinci in Mailand

Der Minister des Kultus und Unterrichtes Graf v. Thun brachte zur Rettung des berühmten Freskogemäldes des Leonardo da Vinci in Mailand14 die Restaurierung dieses Gemäldes in Antrag.

Dieses Gemälde wurde ursprünglich in einem Klosterrefektorium gemalt. Nach Verkauf des Klosters wurde das Refektorium in einen Pferdestall umgestaltet, wo die Feuchtigkeit und der sich entwickelnde Salpeter das Bild zu zerstören drohten, und in diesem bedenklichen Zustande befindet es sich großenteils noch. Im Jahre 1821 wurde ein Versuch gemacht, das Gemälde durch Restauration zu fixieren. Die Mailänder Akademie fand jedoch die damals vorgeschlagene Restaurierungsmethode als gefährlich, weshalb die Restaurierung wieder unterblieb.

Der jetzige Präsident der dortigen Akademie15 hat die Versuche zur Restaurierung des gedachten Gemäldes wiederholen lassen. Bei der Wichtigkeit der Sache fand sich der Minister des Kultus und Unterrichtes veranlaßt, eine Kommission nach Mailand zu dem Ende abzusenden, damit unter ihrer Leitung Versuche zur Restaurierung des erwähnten Gemäldes gemacht werden. Das Resultat dieser Versuche fiel über Erwarten günstig aus, wornach gegründete Hoffnung vorhanden ist, das Gemälde zu erhalten. Das Gemälde ist mit Wachs in enkaustischer Manier gemalt, und die ursprüngliche Malerei soll auf der Wand befestigt und alle mit der Zeit hinzugekommene Zutat davon entfernt werden16. Es wurde diesfalls mit Stephan Barezzi ein Vertrag abgeschlossen, wornach dieser pro Quadratschuh17 80 Lire erhalten soll, was eine Gesamtauslage von 8573 Lire 66 Centesimi oder 2857 f. 51 ⅕ Kreuzer Konventionsmünze darstellt. Die Restauration soll binnen zwei Jahren fertig werden.

Der Minister des Kultus und Unterrichtes beabsichtigt, bei Sr. Majestät auf die Ah. Bewilligung dieses Betrages au. anzutragen, womit sich die Konferenz einverstanden erklärte18.

V. Gesuch der Stuhlrichterswitwe Maria Aron

Der Justizminister referierte schließlich [über] eine zwischen seinem und dem Finanzministerium entstandene Meinungsdifferenz über das mit der Bezeichnung „ab Imperatore19“ hinabgelangte Gesuch der Stuhlrichterswitwe Maria Aron um ein Gnadengehalt. Die Differenz besteht darin, daß der Justizminister aus den in seinem au. Vortrage vom 23. Mai 1854, MCZ. 1636, angeführten Gründen, anerkennend, daß die Bittstellerin keinen Anspruch auf eine normalmäßige Pension oder fortlaufendes Gnadengehalt habe, auf eine Abfertigung für dieselbe im Betrage von 200 f. ein für allemal antrug, während der Finanzminister bei dem Mangel jedes normalmäßigen Anhaltspunktes und wegen der zu besorgenden nachteiligen Folgerungen sich für die einfache Zurückweisung der Bittstellerin aussprach.

|| S. 252 PDF || Da bei der Besprechung hierüber die übrigen Stimmführer der Konferenz der Ansicht des Finanzministers beitraten, der Justizminister aber bei seinem Antrage beharrte, so wird eine diesem doppelten Antrage entsprechende Alternative zur Ah. Auswahl Sr. Majestät ehrerbietigst vorgelegt20.

A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 15. Juni 1854.