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Nr. 208 Ministerkonferenz, Wien, 21. März 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Bach; BdE. (Buol 22. 3.) und anw. Bach, Thun, K. Krauß, Baumgartner; abw. Buol-Schauenstein.

MRZ. – KZ. 1236 1/2 –

Protokoll der am 21. März 1854 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Inneren Dr. Alexander Bach.

I. Gesuch der Mechitaristenkongregation in Wien um ein Darlehen von 30.000 fl

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf v. Thun referierte über das Ansuchen der hiesigen Mechitaristenkongregation um ein verzinsliches Darlehen von 30.000 f. aus dem Religionsfonds.

Der Referent fände dieses Gesuch, für dessen Gewährung sich der hiesige Erzbischof und der niederösterreichische Statthalter, nicht aber auch das Finanzministerium ausgesprochen haben, zur Unterstützung bei Sr. Majestät geeignet. Er bemerkte, daß die Mechitaristen durch die allgemeinen und insbesondere durch die gegenwärtigen orientalischen Verhältnisse schwer zu leiden haben. Sie haben ein ausgebreitetes Geschäft im Orient, das in den jetzigen Konjunkturen große Einbuße erfahre. Der Minister bemerkte weiter, daß die hiesigen Mechitaristen einen großen Einfluß im Orient üben und, was besonders zu beachten sei, denselben im besten österreichischen Sinne anwenden1. Es könne daher der Regierung nicht gleichgiltig sein, ob die Mechitaristen diese ihre Wirksamkeit weiter fortsetzen können. Es liege vielmehr in ihrem Interesse, durch die Bewilligung des erbetenen Darlehens die Fortdauer dieser einflußreichen Tätigkeit zu ermöglichen, indem man die politischen Zwecke, welche die Mechitaristen erreichen, um diesen Betrag sonst nicht wohl erreichen würde. Der Kassastand des niederösterreichischen Religionsfonds sei übrigens so bestellt, daß er diese Auslage ohne Nachteil tragen kann.

Was die Modalitäten des zu bewilligenden Darlehens anbelangt, sprach sich der hiesige Erzbischof für eine 4½%ige Verzinsung des Kapitals in der Dauer von zehn Jahren, der niederösterreichische Statthalter für eine 4%ige Verzinsung mit einem Amortisationsfonds von 2% und das Finanzministerium für den Fall, als ein Darlehen dennoch bewilligt würde, für die Modalität des hiesigen Erzbischofs mit dem Bemerken aus, daß das Darlehen auf dem Grundbesitze der Mechitaristen sicherzustellen wäre. Was diese letzte Bemerkung des Finanzministeriums betrifft, bemerkte der referierende Minister, daß er, um die Überzeugung zu erlangen, daß die Mechitaristen die Hypothek leisten können, früher Erhebungen pflegen lassen müßte. Nachdem aber der hiesige Erzbischof2 die Sache als dringend darstellt || S. 195 PDF || und wenn auch nicht eine vollständige Sicherheit ausgemittelt würde, nach seinem Dafürhalten die Sache bei den oberwähnten Verhältnissen doch nicht fallenzulassen wäre, indem der Wert der Mechitaristenrealitäten hier und in Klosterneuburg auf 200.000 f. und die darauf lastenden Schulden auf 90.000 f. angegeben werden. Nachdem ferner mit Grund zu erwarten steht, daß die Mechitaristen bei ihrer geordneten Tätigkeit Mittel finden werden, das gedachte Darlehen in der angegebenen Zeit zurückzuzahlen, so beabsichtigt der Minister Graf Thun, das Ansuchen der Mechitaristen­kongregation unter den von dem hiesigen Erzbischofe angedeuteten Modalitäten und Vormerkung des Darlehens auf ihren Realitäten zur Ah. Willfahrung Sr. Majestät au. zu empfehlen. Der Finanzminister glaubte, sich von seinem Standpunkte gegen die Gewährung des Gesuches auszusprechen. Der Staat könne nicht anderen Geld leihen, wenn er seine eigenen Bedürfnisse nicht decken kann und zu deren Deckung selbst Anleihen machen muß. Daß der niederösterreichische Religionsfonds einen Überschuß habe, ändere nichts an der Sache, weil die Überschüsse des einen Religionsfonds zur Deckung der Abgänge der anderen Religionsfonds bestimmt sind, welche sonst von den Finanzen gedeckt werden müßten.

Die übrigen Stimmführer, somit die Majora, vereinigten sich dagegen mit dem Antrage des Kultus- und Unterrichtsministers, weil die verdienstliche Wirksamkeit der Mechitaristen im österreichischen Sinne im Orient, ihr dortiger Einfluß und die sonstigen von dem Referenten dargestellten Verhältnisse Berücksichtigung verdienen3.

II. Konzessionsgesetz für Privateisenbahnen (= Sammelprotokoll Nr. 211)

Der Finanz- und Handelsminister brachte hierauf den Entwurf eines Konzessionsgesetzes für den Bau von Privateisenbahnen zum Vortrage, worüber das Nähere in dem besonderen darüber angelegten Protokolle vorkommt4.

A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 3. April 1854.