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Nr. 171 Ministerkonferenz, Wien, 29. Oktober 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 29. 10.), Bach, K. Krauß, Baumgartner; außerdem anw. Bamberg; abw. Thun.

MRZ. – KZ. 4374 –

Protokoll der am 29. Oktober 1853 zu Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Grundsteuerfreiheit der Hofgebäude

Der Minister des Inneren referierte in betreff des mit Ah. Kabinettsschreibens vom 20. Jänner 1852 erteilten Ah. Auftrags1:

|| S. 22 PDF || a) Über die Art, wie mit Rücksicht auf die dynastische Stellung des kaiserlichen Hofes und auf die Ah. Bestimmungen vom 31. Dezember 1851 das Verhältnis der Hofrealitäten und der Hofdienerschaft zu den Gemeinden zu regeln wäre2.

b) Über die Frage der künftigen Verpflichtung der Hofrealitäten zur Entrichtung der auf solche entfallenden direkten Steuern und der daraus abgeleiteten Kommunalbeiträge (im Einvernehmen mit dem Finanzminister).

c) Über die Frage, ob die bis itzt von den Kommunen an das Hofärar gestellten Anforderungen zur Befriedigung geeignet seien (insbesondere die Abgabe zum Wiener Armenfonds), ein erschöpfendes Gutachten abzugeben.

Bezüglich der Frage ad b hat sich zwischen dem Ministerium des Inneren und dem Obersthofmeisteramte3 einer-, dann dem Finanzministerium andererseits eine Meinungsdifferenz darin ergeben, daß letzteres für die Aufrechthaltung der Ah. Bestimmung von 1813 und des § 22 des Grundsteuerpatentes von 1817 wegen Aufhebung aller Immunitäten bei der Grundsteuer, sohin also für die Einbeziehung der Hofrealitäten in die Grundsteuer, wie bisher stimmte, während die beiden ersteren mit Rücksicht auf die staatsrechtliche Stellung des Ah. Landesfürsten die Befreiung derselben davon, ebenso wie sie in Ansehung der Hofgebäude bezüglich der Hauszinssteuer besteht, in Anspruch nahmen4. Der Finanzminister beharrte bei seiner Ansicht wegen Aufrechthaltung der fraglichen, durch wiederholte Aussprüche weiland Sr. Majestät des Kaisers Franz I. zum Gesetz gewordenen Verpflichtung. Nicht um den Betrag der Steuer handelt es sich, denn er ist nicht bedeutend und wird der Hofdotation zurückvergütet; sondern um den allgemeinen Grundsatz, daß bei der Grundsteuer keinerlei Immunitäten bestehen sollen, um die Gleichhaltung in der Klassifikation des produktiven Bodens und um die Evidenz hierin. Gleichwie kein Anstand besteht, es bei der gesetzlichen Befreiung der Hofgebäude von der Hauszinssteuer (wenn sie nicht wirklich vermietet sind) oder von der Einkommensteuer etc. zu belassen, ebenso dürfte es keinem Bedenken unterliegen, die ebenfalls gesetzlich auf Ah. ausdrückliche Anordnung des Landesfürsten bestehende Verpflichtung der Hofrealitäten zur Tragung der Grundsteuer beizubehalten. Sie beeinträchtigt weder das Einkommen noch das Ansehen des Ah. Hofes, und ihre Zurücknahme, welche nur durch || S. 23 PDF || einen Ausspruch des Ah. Landesfürsten selbst erfolgen könnte, würde nicht verfehlen, im Publikum zu Vergleichungen Anlaß zu geben und einen Eindruck zu machen, welcher von jenem günstigen, den die Ah. Entschließungen von 1813 und 1817 gemacht haben, sehr weit verschieden wäre. Auch der Justizminister teilte ganz die Ansicht des Finanzministers. Die staatsrechtliche Stellung des Souveräns — setzte er hinzu — begründet bloß eine Personalimmunität. Das diesfällige Verhältnis ist ohne Zweifel schon damals hinlänglich erwogen und gewürdigt worden, und doch hat man sich damals nicht bestimmt gefunden, die Grundsteuerfreiheit der Hofrealitäten in Anspruch zu nehmen. Diese Verhältnisse haben sich nicht geändert, es scheint also um so weniger ein Grund vorhanden zu sein, von jener Steuerpflicht abzugehen, als jede derlei Immunität zu Konsequenzen und Erweiterungen Anlaß gibt, und in Fällen, wo Hofrealitäten möglicherweise veräußert werden könnten, auch von dem Käufer in Anspruch genommen werden würde. Da auch die übrigen Votanten der Konferenz sich dem Antrage des Finanz- und des Justizministers anschlossen, so trat der Minister des Inneren, obwohl er die in Rede stehende Steuerimmunität aus der staatsrechtlichen Stellung des Souveräns sowohl als aus der rücksichtlich anderer Steuern bereits bestehenden Freiheit allerdings rechtfertigen zu können vermeinte, der Ansicht der Majorität in der Rücksicht bei, weil auch ihm nicht zeitgemäß zu sein schien, dasjenige zurückzunehmen, was infolge der Ah. Bestimmungen von 1813 und 1817 seit 40 Jahren besteht. Insofern es also bei der Verpflichtung zur Bezahlung der Grundsteuer von Hofrealitäten fernerhin zu verbleiben hätte, ergäbe sich die Verpflichtung zur Bezahlung der auf diese Steuer umgelegten Landes- und Bezirksauflagen als Korollarium von selbst. Aber es wurde auch anerkannt, daß ebenso wie bei der Grundsteuer selbst die Rückvergütung dieser Steuern an die Hofdotation erfolgen müsse.

Was die Kommunalumlagen betrifft, so sind die Minister darüber einig, daß, ad c) die Befriedigung der Gemeindeanforderungen pro praeterito zwar erfolgen, künftig aber, nachdem ad a) einer Ausscheidung der Hofrealitäten aus dem Gemeindeverbande vorbehaltlich der hierwegen nach Maßgabe der Bestimmungen des künftigen Gemeindegesetzes zu beachtenden Modalitäten beabsichtigt wird, Gemeindeanlagen (mit Ausnahme solcher, welche der Realität aus besonderen Titeln etwa ankleben) nicht mehr geleistet werden sollen5.

II. Regulierung des Festungsrayons von Arad

Der Minister des Inneren referierte über die Differenz, welche laut seines Vortrages vom 18. d. [M.], KZ. 4325, MCZ. 3503, in Ansehung des Zeitpunktes zur Vornahme der Regulierung des Festungsrayons von Arad und der für die abzutragenden Häuser zu leistenden Entschädigungen zwischen ihm, dem Armeeoberkommando und dem Finanzminister besteht. Da sowohl der Vertreter des Armeeoberkommandos GM. Bamberg als auch der Finanzminister erklärten, von ihrer Ansicht nicht abgehen zu können, und letzterer insbesondere darauf hindeutete, daß, nachdem das Präliminare pro 1854 von Sr. Majestät noch nicht genehmigt ist, durch nachträgliche Erwirkung der Aufnahme eines Teilbetrags der bezüglichen Kosten in dasselbe vielleicht geholfen werden könnte, so machte der Minister des Inneren in Berücksichtigung der hohen Dringlichkeit der baldigen Beseitigung der polizeilichen Übelstände den vermittelnden Antrag, die Arbeiten zwar schon im Jahre 1854 beginnen zu lassen, dieselben aber nicht, wie er vermeinte, in zwei Jahre einzuteilen, sondern innerhalb der vom Armeeoberkommando angetragenen Frist von vier Jahren ausführen zu lassen und für den pro 1854 erforderlichen Kostenbetrag die nachträgliche Aufnahme in das Präliminare pro 1854 bei Sr. Majestät zu erwirken. Hiermit haben sich sowohl der Finanzminister als auch GM. Bamberg einverstanden erklärt6.

III. Rückvergütung für den Wehrdienstersatz der Einwohner von Neu-Schinka

Die Meinungsverschiedenheit, welche laut des Vortrags vom 21. d. [M.], KZ. 4379, MCZ. 3549, in betreff des den Insassen von Neu-Schinka zu bewilligenden Ersatzes von 473 f. 44 Kreuzer für das ihnen wegen Nichtstellung ihrer Söhne verkaufte Vieh zwischen dem Minister des Inneren und dem Armeeoberkommando besteht, wurde durch den Beitritt des GM. Bamberg zu der Ansicht des gedachten Ministers, diesen Insassen, nachdem sie ihrer Pflicht durch Stellung ihrer Söhne nachgekommen sind, den Rückersatz der Frage zu gewähren, behoben.

IV. Belassung der Grenzgründe für die Postmeister in der Militärgrenze

Zeuge des Vortrags des Finanzministers vom 20. Oktober 1853, KZ. 4405, MCZ. 3569, obwaltet zwischen ihm und dem Armeeoberkommando eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob den Postmeistern in der Militärgrenze der Nutzgenuß der ihnen zur besseren Dotation zugewiesenen Grenz- und Kommunitätsgrundstücke zu belassen sei. Im Grundsatze — erklärte der Vertreter des Armeeoberkommandos GM. Bamberg — von der Ansicht desselben nicht abgehen zu können, weil die Grenzkommunitätsgründe verfassungsmäßig nur zur Dotation der Grenzer bestimmt und nicht zu anderen Zwecken zu verwenden sind. Nachdem jedoch der Finanzminister seinen Antrag darauf beschränkte, bloß die dermaligen Postmeister, solange sie in ihrer Verwendung bleiben, in dem Genusse der ihnen bisher zugewiesenen Grenzgründe zu belassen, so nahm GM. Bamberg || S. 25 PDF || keinen Anstand, sich diesem Antrage anzuschließen, wornach also die Differenz in dieser Beziehung als behoben anzusehen ist.

V. Kriegsrechtliche Urteile gegen Franz Dani und Ladislaus Decsey

Der Minister des Inneren referierte über das Ergebnis der kriegsrechtlichen Untersuchung a) wider Franz Dani und b) Ladislaus Decsey.

a) Dani, vormals Advokat, dann Senator in Debreczin, hat als Mitglied des dortigen revolutionären Standgerichts bei der Verurteilung vieler Gutgesinnter, von denen vier wirklich hingerichtet wurden, sich beteiligt und wurde demgemäß vom Kriegsgerichte zum Tode verurteilt. Nachdem er jedoch früher untadelhaften Wandels gewesen, dem revolutionären Standgerichte nicht aus eigener Wahl beigetreten, sondern durch Casimir Batthyány7 dazu bestimmt worden ist, und in seiner Wirksamkeit sehr viel zum Schutze der Gutgesinnten getan, namentlich den Dechant Leeb gerettet, 900 gefangene Serben vor der ihnen durch den Wüterich Perczel angedrohten Behandlung als Rebellen befreit und deren Behandlung als Kriegsgefangene gegen ihn durchgesetzt hat etc., so glaubte das Kriegsgericht auf Umwandlung der Todes- in eine vierjährige Kerkerstrafe antragen, Se. k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Militär- und Zivilgouverneur aber gar — in Betracht der vielen für Dani sprechenden Milderungsgründe — die volle Begnadigung desselben oder doch auf Herabsetzung der Strafe auf zwei Jahre anraten zu sollen8. Der Minister des Inneren fand den Antrag auf Danis völlige Begnadigung nicht gerechtfertigt, da bisher noch keiner der Teilnehmer an Blutgerichten ganz straflos durchgekommen und Dani überdies bisher immer auf freiem Fuße geblieben ist. Dagegen nahm er keinen Anstand, für denselben auf eine zweijährige Festungsstrafe anzutragen, wogegen die Konferenz nichts einzuwenden fand.

b) Decsey, früher Stuhlrichter in Siebenbürgen, dann unter der revolutionären Regierung Deputierter und Regierungskommissär, bereits früher schon in contumaciam zum Tode verurteilt9, erst im April 1853 entdeckt und zur Untersuchung gezogen, ist seiner hervorragenden und gefährlichen Tätigkeit wegen sowohl als Deputierter als auch als Regierungskommissär, in welcher Eigenschaft er die Aufstellung und Ausrüstung von 3000 Mann geleitet, sie gegen die Romanen angeführt, von 80 gefangenen Romanen acht zum Tode bestimmt und sieben davon wirklich hat erschießen zu lassen, vom k. k. Kriegsgerichte im Rechtswege zum Tode verurteilt, jedoch mit Rücksicht auf die Aburteilung anderer in gleicher Kategorie stehender politischer Verbrecher zur Begnadigung gegen zehnjährigen Festungsarrest angetragen worden. Se. k. k. Hoheit sind für die weitere Milderung des Strafausmaßes auf sechs Jahre, welchem Antrage sich der Minister des Inneren und die übrigen Stimmen der Konferenz anschlossen, nachdem Decsey bei der || S. 26 PDF || Klassifizierung in den Sichtungsoperaten in die II. Kategorie (der Deputierten) wäre eingereiht worden10.

VI. Pensionszulage und Orden für Anton Raimund Graf Lamberg

Der Minister des Inneren erhielt die Zustimmung des Finanzministers und der Konferenz zu dem Antrage, dem nach 37jähriger Dienstleistung in den Ruhestand tretenden Hofrat Graf Lamberg statt der normalmäßigen Hälfte zwei Drittel seines Gehalts als Pension, dann die Auszeichnung mit dem Leopoldorden von der Ah. Gnade zu erwirken, nachdem derselbe für sein pflichttreues Ausharren im Jahre 1848 bei der niederösterreichischen Regierung und seiner sonstigen ersprießlichen Dienste der gedachten Auszeichnung ebenso würdig als mit Rücksicht auf seine zahlreiche Familie der Aufbesserung seiner Pension bedürftig ist11.

VII. Begnadigungsgesuch für Franz Duschek

Der Justizminister referierte über das Gesuch der N. Duschek um Begnadigung ihres auf sechs Jahre verurteilten Gatten Franz Duschek, vormals ungrischen Finanzministers.

Die Wirksamkeit Duscheks für die ungrische Revolution ist hinlänglich bekannt. Er sucht sie durch den Drang der Umstände und sein Bestreben, größeres Unheil zu verhüten, zu entschuldigen und macht die Übergabe einer bedeutenden Summe in Silber an FML. Baron Haynau zu seinen Gunsten geltend. Da seine Strafzeit aber erst am 21. August 1852 begonnen und der damalige Antrag des Ministeriums, ihn auf vier Jahre zu begnadigen, die Ah. Genehmigung nicht erhalten hat, so wagt es die Konferenz trotz der Empfehlung Sr. k. k. Hoheit [Erzherzog Albrecht] nicht, aus Anlaß des vorliegenden ohne Ah. Signatur herabgelangten Gesuchs auf eine Strafmilderung für Duschek anzutragen12.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 13. November 1853.