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Nr. 140 Ministerkonferenz, Wien, 8. Juli 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 9. 6. [sic!]), Bach 23. 7., Thun, K. Krauß, Baumgartner.

MRZ. – KZ. 2657 – (Prot. Nr. 60/1853) –

Protokoll der am 8. Julius 1853 zu Wien abgehaltenen Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Regulierung des Studienwesens

Se. Majestät der Kaiser geruhten, im Nachhange zu der am 29. April 1853, MCZ. 13711, unter dem Ah. Vorsitze stattgefundenen Beratung den Unterrichtsminister aufzufordern, seine Ansichten zu entwickeln, welcher Gang bei den Allerhöchstenorts unterm 13. Julius 1852 angeordneten Beratungen über die Regulierung des Studienwesens2 einzuhalten wäre, um die Erledigung dieser hochwichtigen Angelegenheit zu fördern.

Der Unterrichtsminister äußerte hierauf, er sei der Meinung, daß man sich vor allem mit der Festsetzung der Bestimmungen über die Gymnasialstudien zu beschäftigen habe. Dieselben bilden nämlich die Vorschule der Fakultätsstudien und werden daher nicht von den letzteren influenziert. Bei den Gymnasien bestehe keine Lehr- und Lernfreiheit, noch werde deren Einführung dort beabsichtigt; die Einrichtung dieser Anstalten sei daher von der Entscheidung der Frage über die gedachte Freiheit ganz unabhängig3. Über die Ergebnisse des seit mehreren Jahren bereits in praktischer Anwendung bestehenden Gymnasiallehrplans liegen sehr umständliche Nachweisungen vor, man besitze daher die nötigen Anhaltspunkte zu einer gründlichen Beratung darüber4. Der Unterrichtsminister könne die dermaligen provisorischen Einrichtungen der Gymnasien im allgemeinen nur als zweckmäßig anerkennen, wenn er gleich nicht verkennt, daß im Detail manche Änderung wünschenswert sei. Dieselben würden sich - unbeschadet des Systems - leicht treffen lassen. Dringend erscheine es ihm aber, aus dem provisorischen Zustande, in welchem sich diese wichtigen und sehr zahlreichen Anstalten befinden, baldmöglichst herauszukommen, da das Ministerium bei seinen Verfügungen durch die noch vorhandene Ungewißheit über die Zukunft der Gymnasien wesentlich gehemmt werde. Der Minister des Inneren glaubte, daß sich die Organisation der Gymnasien nicht ohne Hinblick auf das Ganze der Studieneinrichtungen beurteilen lasse. Die Einrichtung der Fakultätsstudien sei nämlich durch den Grad der Vorbildung bedingt, || S. 198 PDF || mit dem die absolvierten Gymnasialschüler in dieselben eintreten, und bei den Normen über die Gymnasial- und juridischen Studien müsse die Notwendigkeit der Vorbildung brauchbarer Staatsbeamter vor allem berücksichtigt werden. Solange man sich daher über die Hauptgrundsätze der Einrichtung der höheren Studien nicht geeinigt hat, könne man über die Einrichtung der Gymnasien nicht mit Beruhigung ein Gutachten abgeben, und der Minister müsse also darauf antragen, daß vor allem über die Hauptgrundsätze beraten und eine Ah. Entscheidung diesfalls erwirkt werde5. Der Justizminister teilte vollkommen die Meinung der Vorstimme und bezeichnete als diejenigen Fragen, welche vor allem zu lösen sein dürften, jene über die Berücksichtigung der Nationalitätsverhältnisse bei den Unterrichtssprachen, über die Lehr- und Lernfreiheit, über die Lehrgegenstände, die aus den Fakultätsstudien auszuscheiden und den Gymnasialstudien zuzuweisen wären. Nur wenn man über diese und ähnliche Hauptpunkte völlig im reinen ist, werde es möglich sein, ein konsequentes Lehrsystem von den Volksschulen bis zu den Fakultätsstudien hinauf auszuarbeiten. Der Minister des Äußern erklärte sich gleichfalls für die vorläufige Beratung dieser Grundfragen.

Nachdem hierauf noch die Errichtung von Konvikten zur speziellen Heranbildung von Staatsbeamten zur Sprache gekommen war, geruhten Se. Majestät der Kaiser an den Unterrichtsminister die Frage zu richten, ob er bereits die nötigen Vorlagen besitze, um in der Konferenz seine Anträge über die erwähnten Hauptpunkte stellen zu können. Minister Graf Thun äußerte hierauf, daß er noch vor Antritt seines Urlaubes in der Lage sein werde, darüber zu referieren. Se. Majestät geruhten danach zu befehlen, daß vor allem in die Beratung über die Einrichtung der Gymnasien mit Berücksichtigung der vom Unterrichtsminister vorgelegten Ausarbeitung in der Art einzugehen sei, daß ein jeder der Minister diejenigen Punkte zur Sprache bringe, hinsichtlich welcher seines Erachtens das Bedürfnis einer näheren Erwägung vorliege6.

II. Erweiterung der Inneren Stadt Wien

Se. k. k. apast. Majestät geruhten, die Frage aufzuwerfen, ob und welche Hindernisse noch gegen die Erweiterung der Inneren Stadt Wien obwalten.

Der Finanz- und Handelsminister äußerte, daß gegen diese nicht bloß wünschenswerte, sondern bereits dringend notwendig gewordene Stadterweiterung im wesentlichen keine Hindernisse obwalten. Es komme hiebei nur auf einen Ah. Ausspruch an, welche Linie der neuen Stadtumfangsmauer vorzuzeichnen wäre, wann die alten Basteien abzutragen seien und bis wann die neue Umfangsmauer hergestellt sein muß. Während das finanzielle Interesse es sehr wünschenswert macht, diesen letzteren Termin nicht zu nahe zu rücken, sei es zur Belebung der Baulust und Beschleunigung der ganzen Sache sehr angezeigt, so bald wie möglich mit der Beseitigung der Basteien und der Gebäude des alten Arsenals zu beginnen. Nachdem Se. Majestät geäußert hatten, || S. 199 PDF || daß es keinem Anstand unterliegen würde, die Basteien noch vor der Herstellung der neuen Umfangsmauer abzutragen, erklärte der Finanzminister , er werde demnächst eine Modifikation der Bauvorschriften für Wien in Antrag bringen, zu dem Zwecke, damit die Neubauten – unbeschadet der Solidität und Feuersicherheit – minder kostspielig hergestellt werden können. Wenn nämlich der Hausbau in Wien minder kostspielig bewirkt werden kann, muß dies eine Vermehrung der Bauten und die so wünschenswerte Verminderung der Wohnzinsen zur Folge haben.

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf zu befehlen, daß die Einleitungen zur Erweiterung der Stadt möglichst zu beschleunigen und für dieses Geschäft eine eigene Kommission zusammenzu­setzen sei, wobei Allerhächstdieselben Sich vorzubehalten geruhten, in Überlegung zu nehmen, ob der Erlös der Bauplätze auf dem Glacis vor der Roßau nicht für die Stadterweiterung zu widmen wäre7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 25. Juli 1853.