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Nr. 109 Ministerkonferenz, Wien, 5. April 1853 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 6. 4.), Bach 9. 4., Thun, K. Krauß, Baumgartner, Kempen 13.4.; [abw. Stadion]. Die erste Ministerberatung v. 5. 4. 1853 wurde unter Vorsitz des Kaisers geführt, weshalb ein Sonderprotokoll (siehe zu diesem Begriff ÖMR. III/l, Probleme der Edition XLIV) angefertigt wurde, zum Unterschied von der zweiten Beratung des gleichen Tages, welche unter Vorsitz Buols stattfand. Beginn der Konferenz: 13 Uhr 30, Mayr , Tagebuch Kempens 286 (Eintragung v. 5. 4. 1853) .

MRZ. – KZ. 2250 – (Prot. Nr. 28/1853) –

Protokoll I der am 5. April 1853 abgehaltenen Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Entsendung des Grafen Rechberg nach Italien

Se. Majestät der Kaiser eröffneten der Konferenz, Allerhöchstdieselben hätten beschlossen, dem Feldmarschall Grafen Radetzky in der Person des Geheimen Rates Grafen Rechberg einen Ratgeber zur Seite zu stellen, welcher den Feldmarschall bei seinen Verhandlungen mit den Nachbarregierungen wie auch in allen nicht rein militärischen Angelegenheiten der inneren Verwaltung, namentlich in Handhabung der höheren Staatspolizei, zu unterstützen hat. Es werde insbesondere auch seine Aufgabe bilden, die Erlässe und Verfügungen des Generalgouvernements gegenüber von Sardinien und der Schweiz mit den von Wien aus an diese Regierungen ergehenden ministeriellen Erlässen im vollen Einklang zu erhalten. Nachdem die Entwürfe der hierüber an Feldmarschall Graf Radetzky und den Grafen Rechberg zu richtenden Ah. Handschreiben || S. 50 PDF || und die Instruktion für den letzteren verlesen worden waren, geruhten Se. Majestät, die Mitglieder der Konferenz aufzufordern, sich darüber zu äußern. Dieselben erklärten einstimmig, mit dem Texte dieser Entwürfe im wesentlichen völlig einverstanden zu sein, und nur ein Satz der Instruktion, welcher sich auf die Stellung des Grafen Rechberg gegenüber den k. k. Gesandtschaften bezieht, wurde über eine vom Minister des Äußern erhobene Bemerkung von Sr. Majestät zur Weglassung bezeichnet1.

II. Sequestrierung der lombardisch-venezianischen Emigrantengüter

Se. k. k. apost. Majestät geruhten hierauf, den Entwurf einer vom Minister des Äußern verfaßten Depeche nach Turin über die Gründe, welche die österreichische Regierung zur Sequestrierung der Emigrantengüter im lombardisch-venezianischen Königreiche bestimmten, verlesen zu lassen.

Der Text dieser Note wurde in allen seinen Teilen, besonders in jener Stelle, wodurch auf eventuelle Erleichterung oder Erschwerung der gegen die Emigrierten getroffenen Maßregel hingedeutet wird, einer sorgfältigen Erwägung von Seite der Konferenz unterzogen, infolge welcher Se. Majestät zu befehlen geruhten, daß die Depeche in der vorgeschlagenen Form ausgefertigt werde2.

III. Teilnehmer an der in Berlin entdeckten Verschwörung in Wien

Über die Ah. gestellte Frage, ob es sich als wahrscheinlich darstelle, daß in Wien noch mehrere Teilnehmer der in Berlin jüngst entdeckten Verschwörung3 ergriffen werden könnten, äußerte der Chef der Obersten Polizeibehörde , daß nach den vorhandenen Anzeichen hierorts keine bedeutende Verzweigung dieser Verschwörung bestehe und somit keine Aussicht vorhanden sei, noch vieler Mitschuldiger habhaft zu werden, deren Übergabe an die Militäruntersuchungs­kommission wünschenswert erscheine.

IV. Ahndung einer Religionsstörung durch die Presse

Schließlich geruhten Se. Majestät der Kaiser ein Erkenntnis verlesen zu lassen, wonach M. G. Saphir durch das Wiener Landesgericht von der Klage auf Religionsstörung durch eine im "Humoristen4" erschienene unleugbar anzügliche Illustration – der „Humorist“ hat eine Frau im Rücken – freigesprochen worden ist. Allerhöchstdieselben äußerten, daß eine Ahndung dieses speziellen Falles zwar nicht in der Ah. Absicht liege, daß jedoch derselbe als Anlaß zu ergreifen sei, um dem Wiener Landesgerichte eine Weisung zu erteilen, in zukünftigen Fällen eine unziemliche Behandlung religiöser Gegenstände durch die Presse nicht ungeahndet zu lassen.

|| S. 51 PDF || Der Justizminister erbat sich hierauf die Ag. Mitteilung des fraglichen Erkenntnisses, um nach Einsicht der bezüglichen Akten dem Landesgerichte die dem Ah. Willen entsprechende Rüge erteilen zu lassen5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 3. Juni 1853.