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Nr. 106 Ministerkonferenz, Wien, 26. März 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 28. 3.), Bach 29. 3., Thun, K. Krauß, Baumgartner; außerdem anw. Kellner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 996 – (Prot. Nr. 25/1853) –

Protokoll der am 26. März 1853 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers abgehaltenen Sitzung.

I. Verbesserung der Lage der griechisch-nichtunierten Kirche in Dalmatien und Vermehrung des österreichischen Einflusses in Montenegro

Se. Majestät der Kaiser sprachen die Ah. Willensmeinung aus, die Ansichten Ah. Ihrer Minister über einige Anträge zu vernehmen, welche teils die || S. 25 PDF || Verbesserung des Zustandes der griechisch-nichtunierten Kirche in Dalmatien, teils die Vermehrung des österreichischen Einflusses in Montenegro zum Zwecke haben1.

A) Die Enthebung des griechisch-nichtunierten Bischofs Mutibarich von seiner kirchlichen Würde, zu welcher er offenbar nicht die nötigen Eigenschaften besitzt.

Der Kultusminister äußerte, daß er, überzeugt von der Unfähigkeit des Mutibarich, bereits Schritte gemacht habe, ihn zu einer „freiwilligen Resignation“ zu bestimmen. Se. k. k. apost. Majestät bemerkten, daß, wenn diese Schritte erfolglos sein sollten, im kirchlichen Interesse nichts anderes erübrigen würde, als diesen Bischof zu entheben und ihm, unter Anweisung einer Pension, ein Kloster zum Aufenthaltsort zu bestimmen2.

B) Festsetzung einer Kongrua von 300 fl. jährlich für die griechisch-nichtunierten Pfarrer.

Der Kultusminister äußerte, daß eine bessere Dotation allerdings eine unerläßliche Bedingung sei, um den griechischen Kuratklerus in wissenschaftlicher und moralischer Beziehung auf eine höhere Stufe zu bringen. Der Minister habe sich bereits mit dieser Frage beschäftigt und glaube, den Mehraufwand auf 20.000 bis 23.000 fl. jährlich anschlagen zu können. Nach seiner Meinung dürfte aber die Kongrua von 300 fl. nur jenen Pfarrern zuzusichern sein, welche ein gewisses Maß wissenschaftlicher Bildung ausweisen, da dies der wirksamste Sporn sowohl für die jungen Kleriker als für die bereits bestellten Pfarrer sein werde, sich die verlangte Bildung anzueignen. Denjenigen Pfarrern, welche entweder keinen Willen oder keine Fähigkeit haben, sich höher auszubilden, dürfte aber keine höhere Kongrua als 200 fl. zu bewilligen sein, da eine weitere Vermehrung ihres Einkommens keine Vorteile in kirchlicher Beziehung verspricht. Minister Graf Thun wird demnächst über diesen Gegenstand au. Vortrag erstatten3. Se. Majestät erinnerten, daß dem Vernehmen nach mehrere griechische Klöster in der Bocche di Cattaro von Rußland Unterstützung erhalten. Dieser Sache werde auf den Grund zu sehen und auf die Abstellung dieses Verhältnisses zu wirken sein.

|| S. 26 PDF || C) Entsprechende Herstellung der großenteils in schlechtem Zustande befindlichen griechischen Kirchen und Pfarrhöfe in Dalmatien aus Staatsmitteln.

Der Kultusminister äußerte hierüber, daß ein Fonds zu diesen allerdings notwendigen Baulichkeiten dann vorhanden wäre, wenn jene 40.000 fl., welche an dem Ärarialzuschusse für die dalmatinischen Gemeindeauslagen im Jahre 1853 reduziert wurden, neuerdings flüssiggemacht werden möchten und dabei der Grundsatz ausgesprochen würde, daß auch die griechisch-nichtunierten Kirchen und Pfarrhöfe aus Gemeindemitteln zu erhalten wären. Der Minister des Inneren erörterte umständlich die Entstehung des Ärarialzuschusses zu den Gemeindeauslagen in Dalmatien, welcher nach den Bestimmungen des Ersparungen im Staatshaushalte bezielenden Ah. Handschreibens vom 14. September 1852 4 mit dem Jahre 1854 gänzlich einzustellen ist. Dieser Minister werde daher mit Ah. Erlaubnis einen au. Vortrag wegen Fortsetzung der Ärarialzuschüsse an die dalmatinischen Gemeinden um Aussprechung des obgedachten Grundsatzes erstatten5.

D) Verbesserung der griechisch-nichtunierten Klerikalschule in Zara und Errichtung von Stipendien für die jene Schule besuchenden Kleriker aus Bosnien und Montenegro.

Der Kultusminister bemerkte, daß zur Umgestaltung dieser Schule gleich nach der Bestellung eines tauglichen Bischofs statt Mutibarich werde geschritten werden können. Die Systemisierung einer Anzahl von Stipendien, etwa a 80 ß. jährlich, für Montenegriner und Bosniaken werde von der Ah. Gnade abhängen. Ob aber Kleriker aus Montenegro sich in Zara einfinden werden, hänge hauptsächlich davon ab, in welchen bischöflichen Sprengel dieses Land fallen wird. Werde der Bischof von Zara dort Oberhirt, so sei der Besuch von Montenegriner Klerikern gesichert6. Se. Majestät der Kaiser geruhten zu bemerken, es sei wünschenswert, daß die Ag. Gesinnungen in dieser Beziehung sowohl als über die Kongrua bald im Lande bekannt würden, daß übrigens die dem früheren Wladika von Montenegro7 in seiner kirchlichen Eigenschaft zugestandene österreichische Subvention jährlicher 2000 fl. nicht mehr aufzuleben haben werde, nachdem Fürst Danilo keine kirchliche Würde bekleidet noch selbe annehmen will8.

E) Wiederaufbau der in Montenegro während des Krieges zerstörten Kirchen und Ortschaften auf Kosten des österreichischen Staatsschatzes.

|| S. 27 PDF || Se. k. k. apost. Majestät äußerten, daß dieser Antrag viel zu weit führen und dem Staatsschatze übermäßige Opfer auflegen würde. Es dürfte genügen, wenn man sich darauf beschränkte, Unterstützungen zur Wiederherstellung der Kirchen und Klöster, namentlich des in Montenegro hochverehrten Klosters des Hl. Basilius zu Ostrog, anzuweisen. Se. Majestät seien gesonnen, dem FML. Baron Mamula hiezu vorläufig eine Summe zur Disposition zu stellen. Nachdem der in die Konferenz berufene k. k. Generaladjutant GM. v. Kellner die Auskunft erteilt hatte, daß seines Wissens die vom Finanzminister jüngst nach Cattaro gesendeten 100.000 fl. sogar noch intakt seien, fanden Se. Majestät über Antrag des Finanzministers Ah. Sich bewogen, für derlei Kirchen- und Klosterbaulichkeiten 20.000 fl. aus jener Summe zu bewilligen.

F) Verleihung Ah. Geschenke an momenegrinische Primaten, um sich dortlands Einfluß zu sichern.

Über diesen Punkt gedenken Se. Majestät Allerhöchstsich vom FML. Mamula nähere Anträge erstatten zu lassen.

G) Aufhebung der zwischen Montenegro und Cattaro bestehenden Zollschranken.

Der Finanzminister bemerkte, es könne sich hiebei wohl nur um die Transitogebühren von montenegrinischen Gütern bei der Durchfuhr an die österreichische Seeküste handeln. Diese Gebühren seien ein Objekt von geringer Bedeutung, und es könne österreichischerseits leicht darauf verzichtet werden. Se. Majestät der Kaiser geruhten den Finanzminister aufzufordern, hierüber einen Vortrag zu erstatten9.

H) Aufnahme von Montenegro in die Diözese von Zara mit der Verpflichtung für den Bischof, jährlich einige Monate in Castelnuovoa zu residieren.

Se. Majestät geruhten zu bemerken, daß diese Maßregel am passendsten über Einschreiten des Fürsten Danilo getroffen werden könnte und FML. Mamula Ah. beauftragt werden wird, ein solches Einschreiten im konfidentiellen Wege zu provozieren.

I) Abhaltung des Fürsten von Montenegro von Gewaltschritten und Willkürlichkeiten.

Dies könnte, wie Minister Graf Buol-Schauenstein bemerkte, am besten durch den Einfluß eines in Cetinje zu bestellenden österreichischen Agenten geschehen. Bevor man jedoch dazu schreitet, dürfte abgewartet werden, bis sich die Verhältnisse dortlands mehr geklärt haben10.

II. Verbreitung der Kenntnis der deutschen Sprache im lombardisch-venezianischen Königreich

Se. Majestät der Kaiser geruhten, hierauf einen Vortrag des Feldmarschalls Grafen Radetzky verlesen zu lassen, worin er darauf anträgt, daß die deutsche Sprache im lombardisch-venezianischen Königreiche in den niederen Schulen, den Universitäten und den Ämtern obligatorisch eingeführt werde11.

Der Minister des Inneren bemerkte, diese Frage sei bei seinem Ministerium schon mehrmals, und zwar zuletzt über Anregung des Feldmarschalls, in Verhandlung gebracht worden, ohne daß es jedoch bisher zu einem praktischen Ergebnis geführt hat. Beamte, welche deutsch und italienisch fertig konzipieren, seien unter den einheimischen Beamten im lombardisch-venezianischen Königreiche beinahe gar nicht zu finden. Auch unter der studierenden Jugend sei die Kenntnis des Deutschen sehr wenig verbreitet. Es fehle an Lernenden sowie an Lehrern. Wollte man daher schon jetzt die Anstellung und das Avancement im Zivildienste von der Kenntnis des Deutschen abhängig machen, so komme diese Maßregel einer förmlichen Sperrung beinahe gleich. Dies würde aber selbst in dienstlicher Beziehung bedenklich sein. Andererseits kommt zu erwägen, daß die Kenntnis des Deutschen für die Beamten der Zentralstellen in Mailand, Verona und Venedig wohl nützlich, für die unteren Beamten der Präturen, der Distriktskommissariate, unteren Finanzbehörden etc. aber entbehrlich sei – was auch der Justizminister bestätigte. Vor allem komme es daher wohl darauf an, dafür zu sorgen, daß die 10mbardisch-venezianischeJugend Deutsch lerne. In dieser Beziehung wolle der Minister des Inneren mit dem Unterrichtsministerium in Verhandlung treten und sonach die au. Anträge in dieser Angelegenheit erstatten. bÜbrigens bemerkte der Minister des Inneren, daß er die in Frage stehende, vom Feldmarschall angeregte Verhandlung in Zusammenhang mit der von Sr. Majestät aufgetragenen Begutachtung der näheren Bestimmungen über die Bedingungen zur Erlangung eines Staatsdienstes namentlich in der politischen und judiziellen Sphäre gebracht habe, worüber die Arbeiten im Ministerium des Inneren und der Justiz im Gange sind und ehestens zum Abschlusse gebracht werden dürften. Hiebei wird sich auch die geeignete Gelegenheit ergeben, die Sprachfrage im allgemeinen und insbesondere in Italien auf angemessene Weise zur Lösung zu bringen.b Übrigens bemerkte der Minister des Inneren, daß er die in Frage stehende, vom Feldmarschall angeregte Verhandlung in Zusammenhang mit der von Sr. Majestät aufgetragenen Begutachtung der näheren Bestimmungen über die Bedingungen zur Erlangung eines Staatsdienstes namentlich in der politischen und judiziellen Sphäre gebracht habe, worüber die Arbeiten im Ministerium des Inneren und der Justiz im Gange sind und ehestens zum Abschlusse gebracht werden dürften12. Hiebei wird sich auch die geeignete Gelegenheit ergeben, die Sprachfrage im allgemeinen und insbesondere in Italien auf angemessene Weise zur Lösung zu bringen. Der Finanzminister machte darauf aufmerksam, daß das Studium des Deutschen dortlands sehr gefördert würde, wenn man dazu keine Deutschen, sondern Italiener oder Südtiroler als Professoren anstellt. Der Deutsche hat dort als Professor mit der Schwierigkeit des italienischen Idioms zu kämpfen und weiß selten sein Auditorium zu gewinnen. || S. 29 PDF || Der Unterrichtsminister äußerte, cdaß er zwar bisher von den fraglichen Anträgen des Feldmarschalls keine Kenntnis erhalten, jedoch ganz in der Richtung desselben bereits nach Möglichkeit Einleitungen getroffen habec . Eine Hauptschwierigkeit, geeignete Professoren des Deutschen zu gewinnen, liege übrigens darin, daß die Besoldungen für dieselben zu niedrig bemessen seien. Wenn Se. Majestät der Kaiser über seinen diesfalls demnächst zu erstattenden Vortrag in dieser Beziehung eine Abhilfe Ag. gewähren, würden sich ohne Zweifel Männer finden lassen, welche wegen ihrer vollkommenen Kenntnis beider Sprachen zum Lehramte des Deutschen völlig geeignet sind13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph, Wien, den 30. März 1853.