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Nr. 89 Ministerkonferenz, Wien, 1. Februar 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 1. 2.), Bach 7. 2., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 445 – (Prot. Nr. 10/1853) –

Protokoll der zu Wien am 1. Hornung 1853 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Neues Freiwilligengesetz

Der Kriegsminister hat über Ah. Auftrag wegen einer den bisherigen Erfahrungen entsprechend modifizierten Normierung des mit dem Gesetz vom 23. Dezember 1849 ins Leben getretenen Freiwilligeninstituts1 umfassende Beratungen eingeleitet, an denen auch die Minister des Inneren und der Finanzen teilgenommen haben. Als Resultat derselben ging der Entwurf eines der Ah. Sanktion Sr. Majestät zu unterbreitenden Erlasses hervor, dessen Grundzüge folgende sind: Die durchgängige, wenn auch nicht gleichförmige Erhöhung der Befreiungstaxe in den einzelnen Kronländern auf 700, 800 und 1000 fr. Die Ausscheidung Tirols von der Anwendung des Freiwilligengesetzes gegen Wiedereinführung der daselbst vor dem Jahre 1849 bestandenen Supplierungsmodalitäten. Die Erfolgung einer Prämie von 300 fr. an den ausgedienten oder durch Verwundung im Dienste früher realinvalide gewordenen Freiwilligen nebst der lebenslänglichen Zulage und einige Bestimmungen über den teilweisen Verlust der Freiwilligenbenefizien.

Der sofort artikelweise vorgelesene Entwurf ward einstimmig mit der einzigen Modifikation angenommen, daß im Art. 5 bei der Stelle „und selbst während des Friedens im Dienste erhaltenen Wunden“ dieser letztere Ausdruck, als nach der Ansicht des Finanzministers zu eng, durch einen allgemeineren, etwa „Verletzungen“ oder „Beschädigungen“, ersetzt werde, in welcher Beziehung sich der Kriegsminister die auch seiner Intention in dem gleichen Sinn entsprechende Textesberichtigung zu veranlassen vorbehielt. Nachdem übrigens die heurige Rekrutenstellung schon mit 1. kommenden Monats März beginnt, so wären nach dem Antrag des Ministers des Inneren Se. Majestät, falls das neu angetragene Normativ noch für die heurige Rekrutierung gelten soll, um Ag. Beschleunigung der Ah. Entscheidung hierüber au. zu bitten, damit das Ah. genehmigte Normativ noch bis Mitte des 1. M. Februar bekannt gemacht werden könnte2.

II. Salpeter- und Schießpulvermonopol

las der Kriegsminister den im Einvernehmen mit den Ministerien des Inneren und der Finanzen bearbeiteten Entwurf eines Ah. Patents zum Vollzug der Ah. Entschließung vom 30. Juni [sic!] 1851, womit Se. Majestät die Aufhebung des Salpetermonopols im Prinzip zu genehmigen und für das strengstens aufrechtzuerhaltende Schießpulvermonopol die Ausarbeitung eines neuen Regulativs anzuordnen geruht haben3.

Gegen das Wesen des Entwurfs wurde nichts erinnert, dagegen glaubte der Finanzminister die vielen darin enthaltenen Detailbestimmungen zur Aufnahme in ein Ah. Patent nicht für geeignet halten zu können. Auch würde er, wenn nicht die Ah. Entschließung vom 30. Juni 1851 selbst beide Gegenstände umfaßte, eine Trennung der Bestimmungen über das Pulvermonopol von jenen über die künftige Salpetererzeugung in Antrag gebracht haben. Was nun die Form betrifft, in welcher beide Bestimmungen hinauszugeben wären, so war der Minister des Inneren bei dem Umstande, daß die Aufhebung des Salpetermonopols bereits von Sr. Majestät grundsätzlich vor anderthalb Jahren ausgesprochen worden ist, im Pulvermonopol nichts Wesentliches geändert werden wird und Sr. Majestät nur der Vorschlag zu einem Regulativ erstattet werden soll, der Meinung, daß von der Patentsform abzugehen sei und Se. Majestät lediglich um die Ah. Genehmigung der entworfenen, sohin als Regulativ hinauszugebenden Bestimmungen au. zu bitten wären.

Dieser Ansicht stimmten sowohl der Kriegsminister als auch die übrigen Minister bei. Übrigens glaubte der Minister des Inneren, daß auch über diesen dringenden Gegenstand die Bitte um Ag. baldige Ah. Entscheidung beizufügen wäre4.

III. Ah. Zufriedenheitsbezeigung für Anton Ulbrich

erhielt der Kriegsminister die Zustimmung der Konferenz zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrag auf Bezeigung der Ah. Zufriedenheit an den Pächter der Billnaer Mineralquellen Anton Ulbrich für dessen mehrjährige unentgeltliche Überlassung der benötigten Mineralwässer an die k. k. Militärspitäler und andere Anstalten.

IV. Inkraftsetzung einiger Paragraphen des Eherechts aus dem ABGB. für Ungarn

Der Kultusminister bemerkte, daß in Ungern die schon oft vorgekommenen Skandale von Übertritten katholischer Ehegatten zum Protestantismus behufs der Trennung der bisherigen und der Eingehung einer neuen Ehe jetzt in dem Maße sich zu vermehren scheinen, als der Zeitpunkt herannaht, in welchem mit Einführung des ABGB. beziehungsweise mit dem auf 1. Mai d. J. festgesetzten Eintreten seiner Wirksamkeit in Ungern5 die Paragraphe über das Eherecht einem solchen Treiben für immer ein Ziel setzen werden. Es scheint daher dringend nötig zu sein, hiermit gleich ein Ende zu machen und den Leuten die Gelegenheit zu benehmen, bis zu dem angedeuteten Zeitpunkte unter dem Schutze der gegenwärtigen Gesetze derlei Ärgernis gebende Trennungen und Wieclervereheligungen vorzunehmen. Zu diesem Ende gedächte der Kultusminister Se. Majestät um die Ah. Ermächtigung zu bitten, daß diejenigen Paragraphe des ABGB. über das Eherecht, || S. 460 PDF || welche die Bestimmung über die Ungiltigkeit der Ehen, welche vom katholischen Glauben abgefallene Ehegatten mit anderen Personen eingehen wollen, enthalten, alsogleich für rechtsverbindlich angesehen und erklärt werden dürfen6. Ein ähnlicher Vorgang wurde auch, wie der Justizminister bemerkte, bei Einführung des ABGB. in Krakau beobachtet7 Allein dies geschah unter einem mit dem die Wirksamkeit des Gesetzbuches auf einen späteren Zeitpunkt hinaussetzenden Kundmachungspatent. Hier aber ist das Verhältnis anders. Das ABGB. – bemerkte der Minister des Inneren - ist mit dem Patent vom 29. November 1852 in Ungern eingeführt und der Termin der Wirksamkeit desselben auf den 1. Mai 1853 festgesetzt worden. Zwei Monate nach dieser Verfügung einzelne Paragraphe des Gesetzes herausreißen und sie schon itzt wegen Vorgängen in Wirksamkeit setzen zu wollen, welche man damals schon gekannt hat oder hätte kennen sollen, wäre der Würde der Gesetzgebung abträglich, auch nach dem Erachten des Finanzministers viel bedenklicher, als noch ein paar einzelne Fälle von Übertritten und Ehetrennungen eintreten zu lassen, die am Ende weder den Bestand des Reichs noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden. Wird überdies erwogen, daß, bis ein Gesetzesvorschlag dieser Art die gewöhnlichen Stadien durchmacht und die Ah. Genehmigung Sr. Majestät erhält, auch noch eine geraume Zeit vergehen muß, so handelt es sich vielleicht um sechs oder acht Wochen, für welche die Fristveränderung zur Wirksamkeit der in Anregung gekommenen Paragraphe in Anspruch genommen wird, ein Zeitraum, für den es kaum der Mühe wert wäre, eine auf ein paar einzelne Fälle berechnete Ausnahme von einer allgemeinen Maßregel zu statuieren.

Die Konferenz erklärte sich sonach einhellig gegen den Antrag des Kultusministers, welcher denselben gleichwohl der Ah. Entscheidung unterziehen wird, indem es ihm nicht einleuchtet, warum es unzulässig wäre, von einem Gesetz, dessen Umfang die Verschiebung seiner Wirksamkeit auf einen entfernteren Zeitpunkt nötig gemacht hat, einzelne Bestimmungen sogleich in Wirksamkeit zu setzen, wenn überhandnehmende Umtriebe eine solche Maßregel im Interesse der Moral und Religion erheischen8. aInsbesondere glaubt derselbe den Umstand als von entscheidender Wichtigkeit betrachten zu sollen, daß durch solche Ehen, um deren Verhinderung es sich handelt, Familienverhältnisse in eine Verwirrung gebracht werden, die sich nachträglich nicht mehr beseitigen läßt.a

V. Kundmachungsmodus der Regierungsverordnungen in kirchlichen Angelegenheiten durch die Ordinariate

Der Kultusminister referierte seinen Vortrag vom 28. Dezember 1852, KZ. 163, MCZ. 130, über die vom Primas von Ungern unterstützte Bitte der ungrischen Bischöfe, daß die Verordnungen der Regierung in kirchlichen Angelegenheiten dem Klerus nur durch die Ordinariate mitgeteilt werden sollen, wie dies in den deutschen Erbländern infolge früherer gesetzlicher Bestimmung || S. 461 PDF || seit langem geschieht9. Der Minister des Inneren erbat sich vorläufig die Einsicht der Akten, welche ihm brevi manu übergeben wurden, und behielt sich sein Votum darüber vor10.

VI. Konkursprüfungen für Pfarrkandidaten in Ungarn

Der Antrag des Kultusministers vom 8. Jänner 1853, KZ. 240, MCZ. 190, wegen Einführung der Konkurs- oder Synodalprüfungen für die Pfarrkandidaten in Ungern, Siebenbürgen, Kroatien, Slawonien, der serbischen Woiwodschaft und in dem Temescher Banate erhielt die einhellige Zustimmung der Konferenz.

VII. Auszeichnung für Johann Primisl

Die Konferenz trat dem Antrag des Kultusministers vom 29. Dezember 1852, KZ. 162, MCZ. 129, wegen Erwirkung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone für den Pfarrer zu Pernegg Johann Primisl in Betracht seiner langjährigen Verdienste um die Zivil- und Militärseelsorge einstimmig bei.

VIII. Auszeichnung für Franz Dafner

Der Katechet am Wiener Taubstummeninstitute Pranz Dafner hat sich nicht nur als Lehrer und Seelsorger, sondern auch als Stifter durch Beiträge von mehr als 20.000 fr. für den Institutsfonds um diese Anstalt sehr verdient gemacht. Zuletzt hat er, bis zur Ernennung eines neuen Direktors, auch die Oberleitung dieser Anstalt zur Zufriedenheit besorgt. Bei seinem Rücktritt in den früheren Posten als Katechet wird nun von dem Kultus- und Unterrichtsminister der Antrag auf eine Auszeichnung dieses würdigen Priesters beabsichtigt. Der Statthalter hatte für Dafner das goldene Verdienstkreuz mit der Krone beantragt. Da jedoch Dafner bereits mit der großen goldenen Zivilehrenmedaille geziert ist, so schiene dem Kultusminister die Auszeichnung desselben mit dem Ritterkreuz des Pranz-Joseph-Ordens nicht zu viel zu sein, worauf er daher seinen Antrag stellte.

Die Konferenz fand dagegen nichts zu erinnern11.

IX. Einführung der Grundbücher in der Bukowina

Der Justizminister referierte in betreff der Einführung und Regulierung der öffentlichen Bücher in der Bukowina. Außer den Städten bestehen in diesem Lande keine öffentlichen Bücher. Der bäuerliche Grundbesitz ist nirgends eingetragen, aber auch die städtischen Grundbücher und die Landtafel befinden sich in einem so konfusen Zustande, daß eine Regulierung derselben unabweisliches Bedürfnis ist12. Zu diesem Ende muß eine neue Beschreibung sämtlicher Grundbesitztümer, die Aufnahme der auf denselben haftenden Lasten und die Ediktalzitation der Gläubiger oder aller derjenigen, welche auf dies oder jenes Besitztum Anspruch machen zu können vermeinen, eingeleitet werden. Die Auslagen für diese Operation, welche sich übrigens hierbei der Katastralaufnahme, soweit sie vollendet ist, zu bedienen haben wird, sollen vom Staatsschatze vorgeschossen werden.

|| S. 462 PDF || Die Konferenz erklärte sich mit diesen bei Sr. Majestät zu stellenden Anträgen einverstanden, der Finanzminister übrigens nur unter der Bedingung, daß die aus jener Operation erwachsenden Auslagen nicht aus den kurrenten Staatseinnahmen, sondern mittelst besonderer Steuerzuschläge gedeckt werden sollen, gegen welche Bedingnis sich auch keine Einwendung ergab. Die für die Akten dieser Operation angesprochene Stempelfreiheit wurde nicht beanständet13.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 12. Feber 1853.