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Nr. 85 Ministerkonferenz, Wien, am22. Jänner 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 24. 1., I-V), Bach (IV-VI), Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 440 – (Prot. Nr. 6/1853) –

Protokoll der am 22. Jänner 1853 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Begnadigungsgesuch des Pfarrers Stephan Bardi

Der Justizminister Freiherr v. Krauß bemerkte mit Beziehung auf einen früheren Antrag, wornach bei Sr. Majestät die Herabsetzung der Arreststrafe des Pfarrers Stephan Bardi in Siebenbürgen von zwölf Jahren, zu welchen er verurteilt ward, auf sechs Jahre bevorwortet werden sollte1, daß er bei der Vorbereitung des diesfälligen au. Vortrages gefunden habe, daß keine Gründe zur Begnadigung dieses Priesters vorhanden sind. Er war Hauptmann der Szekler Nationalgarde, unter welchem 123 Romanen (Männer und Weiber) umgebracht worden sind, und wenn auch nicht nachgewiesen werden kann, daß es auf sein Geheiß geschehen, so ist doch dargetan, daß er bei allen diesen Greuelszenen gegenwärtig war. Sein Gesuch ist auch nicht der Ah. Bezeichnung gewürdigt worden. Hiernach wäre dieser Bittsteller einfach abzuweisen, womit sich die Ministerkonferenz einverstanden erklärte.

II. Frage der Beiziehung von Landräten zu den Judiciis delegatis rnilitaribus rnixtis

Der Kriegsminister FML. Freiherr v. Csorich brachte zur Kenntnis der Ministerkonferenz, insbesondere des Justizministers, welchem er übrigens auch eine schriftliche Mitteilung machen wird, daß Se. Majestät Ah. anzuordnen geruht haben, daß die bei den Landesmilitärkommanden in Wien, Brünn, Prag, Grätz und Lemberg zu den Judiciis delegatis militaribus mixtis bisher stattgefundene Beiziehung zweier Landräte für die Referate und Beratungen dieser Gerichte aufzuhören habe und statt derselben, wie es bereits in Ungarn, Siebenbürgen, in der Woiwodschaft und anderwärts geschieht, diesen Gerichten ein Majorauditor beigegeben wird. Die Kosten dieser Einrichtung sollen aus der präliminierten Militärdotation des Jahres 1853 bestritten werden2.

Der Finanzminister glaubte, ohne übrigens gegen diese bereits Ah. beschlossene Sache sich eine Erinnerung erlauben zu dürfen, bloß bemerken zu sollen, daß durch diese Maßregel die Militärdotation abermals um mehr als 7000 f. erhöht werde und bei den steten Erhöhungen an ein so wünschenswertes und || S. 428 PDF || notwendiges Herabgehen der Militärdotation wohl nicht zu denken sei. Die zu den gedachten Gerichten beigezogenen Landräte haben ihre Dienste unentgeltlich geleistet und die den künftigen k. k. Landesmilitärgerichten beigegebenen Majorauditoren müssen besoldet werden. Wenn auch im Jahre 1853 die durch diese Maßregel hervorgerufene Mehrauslage aus der präliminierten Militärdotation bestritten werden soll und kann, so wird sie doch in allen künftigen Präliminarien wieder erscheinen und um ihren Betrag die Militärdotation erhöhen.

III. Exzesse gegen Christen beim Brand in Mostar

Der Kriegsminister brachte weiter die ihm zugekommene Anzeige über den Brand zu Mostar und die von der türkischen Soldateska bei diesem Anlasse verübten Unfuge zur Kenntnis der Konferenz3. Die Soldaten haben die den Christen gehörenden Boutiquen angezündet, ihren Oberen den Gehorsam verweigert und jeden, der abwehren wollte, mißhandelt.

Bei dem Vortrage über die vorstehenden drei Gegenstände war der Minister des Inneren nicht anwesend.

IV. Aufenthaltsverbot für österreichische Handwerksgesellen in der Schweiz

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten eröffnete der Konferenz, daß die Regierung die Absicht habe, den österreichischen Handwerksgesellen den Aufenthalt und das Arbeiten in der Schweiz wegen der dortigen unlauteren Gesellenvereine und der für die österreichischen Gesellen bezüglich ihrer politischen Gesinnungen daraus zu besorgenden Gefahr im allgemeinen zu untersagen und nur in einzelnen besonders rücksichtswürdigen Fällen die Erlaubnis dazu zu erteilen. Von dem Ministerium des Inneren und von der Obersten Polizeibehörde sei die Zustimmung hierzu bereits gegeben worden. Preußen und Baden seien mit einer ähnlichen Verfügung vorangegangen.

Die Ministerkonferenz fand dagegen nichts zu erinnern, nachdem auch der Handelsminister in gewerblicher Beziehung diese Maßregel zulässig erklärte und höhere politische Rücksichten für ihre baldige Aktivierung das Wort reden.

V. Antiösterreichische Pressekampagne in Piemont

Derselbe Minister teilte die Antwort des sardinischen Ministers des Äußern auf die Reklamationen mit, welche die k. k. Regierung bei der piemontesischen bezüglich der Schmähungen gegen die geheiligte Person Sr. Majestät des Kaisers in den dortigen Zeitungen, der Aufhetzung der k. k. Provinzen und des piemontesischen Preßunfuges überhaupt eingelegt hat4. Der referierende Minister bemerkte, daß wenig Hoffnung vorhanden ist, von der jenseitigen Regierung eine genügende Satisfaktion zu erhalten. Der dortige Minister habe erklärt, daß die Regierung ein solches Vorgehen der Presse nicht gutheiße und daß in einem halbof6ziellen Artikel und nur in allgemeinen Ausdrücken der Vorgang der Presse getadelt werden wird. Hierauf beabsichtigt der referierende Minister zu erwidern, er habe diesfalls die Ah. Befehle Sr. Majestät eingeholt und || S. 429 PDF || Allerhöchstdieselben hätten zu erkennen gegeben, sich mit dieser Art Satisfaktion nicht zufriedenstellen zu können und darauf beharren zu müssen, daß der Vorgang der Presse von der dortigen Regierung offen und ausdrücklich desavouiert werde. Würde das nicht geschehen, so müßten wir annehmen, daß sie mit uns in freundschaftlichen Verhältnissen nicht leben wolle. Da wir uns an einem solchen Vorgange der piemontesischen Presse durch die Anwesenheit des k. k. Gesandten Grafen Apponyi dort nicht mitschuldig machen wollen, so werde derselbe hierher berufen, um persönlich über den Gegenstand der Frage Bericht zu erstatten. Zur Vorbereitung der Abreise des Gesandten Grafen Apponyi werde ihm ein Termin von acht Tagen gegeben und statt seiner ein k. k. Geschäftsträger dort bestellt. Der referierende Minister meint, daß dieser diplomatische Zug, diese erste Maßregel, keine praktische Folge haben werde. Wir werden dort statt des Gesandten einen Geschäftsträger haben, und die Sachen werden später so wie früher fortgehen und die Emigration fortfahren, wie bis jetzt gegen Österreich zu konspirieren und dasselbe in den gewohnten Wegen anzugreifen. Da das gemeine Recht hier nicht ausreichen werde und, wenn, wie zu erwarten steht, keine Abhilfe verschafft wird, strengere und ausgiebigere Maßregeln sich als notwendig darstellen dürften, so ersuchte der referierende Minister, in Überlegung zu nehmen, welche strengere Vorkehrungen dann gegen Piemont und die Emigration - ob etwa die Sequestration ihrer im ästerreichischen Staate gelegenen Güter, die Sperrung des Grenzverkehrs oder welche Maßregel sonst - in Ausführung gebracht werden könnten.

Die Konferenz erklärte sich mit der Erteilung der obigen Antwort einverstanden und wird den weiter besprochenen Gegenstand in Überlegung nehmen5.

VI. Errichtung einer Universität in Hermannstadt

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Thun brachte schließlich noch die von dem Militär- und Zivilgouverneur in Siebenbürgen Fürsten Schwarzenberg beantragte Sistierung der Aktivierung einer k. k. Rechtsakademie zu Klausenburg und Errichtung einer Landesuniversität in Hermannstadt zum Vortrage6 Derselbe bemerkte, daß Se. Majestät mit Ah. Entschließung vom 16. August 1851 die Errichtung von paritätischen Rechtsakademien zu Hermannstadt und Klausenburg auf Staatskosten im Prinzipe auszusprechen7 und mit der späteren Ah. Entschließung vom 24. April 1852 den Besoldungsmaßstab an den beiden genannten Rechtsakademien festzusetzen geruht haben8. Das Unterrichtsministerium habe auf dem Grunde dieser Ah. Entschließungen auch schon einen vollständigen Organisationsentwurf für diese beiden Rechtsakademien ausgearbeitet, jedoch der Ah. Entscheidung nicht unterbreitet, || S. 430 PDF || weil der Gouverneur von Siebenbürgen mündlich n.dagegen Anstände erhob und zu jener Zeit die Reise Sr. Majestät bevorstand, weshalb der Augenblick nicht geeignet schien zur Vorlegung der vorbereiteten Operatea .9 Der Gouverneur Fürst Schwarzenberg hat gleichzeitig mit Erstattung des Besetzungsvorschlages für die Klausenburger Rechtsakademie in einem abgesonderten konfidentiellen Berichte vom 16. Oktober 1852 dem Unterrichtsminister die gewichtigen politischen Bedenken dargelegt, welche der Errichtung einer Rechtsakademie in Klausenburg entgegenstehen und dringend gebeten, seinen diesfälligen Antrag der Ah. Schlußfassung vorzulegen und vorläufig mindestens auf die Vertagung der Errichtung dieser Akademie einzuraten10. Die vom Fürsten Schwarzenberg für seinen Antrag geltend gemachten Gründe sind im wesentlichen folgende: Es liege im Interesse der Regierung, Siebenbürgen wenigstens in den äußeren Formen den übrigen deutschen Provinzen gleichzustellen. Eine Rechtsakademie in Klausenburg, einer durch und durch magyarisch gesinnten Stadt, dem gewöhnlichen Wohnsitze des siebenbürgischen Adels, einem Brennpunkt der letzten Revolution, mit einem, wie vorauszusehen ist, ungarischen Vortrage, könne nur separatistischen Nationalbestrebungen Nahrung geben und die Spaltung zwischen den zwei Hauptstämmen, den Széklern und Romanen, erweitern. Eine juridische Lehranstalt, und zwar in Hermannstadt, sei für Siebenbürgen hinreichend. Würde man eine zu Klausenburg errichten, so sei nicht abzusehen, wie den an der Zahl überwiegenden Romanen die Errichtung einer Rechtsakademie mit romanischem Vortrage versagt werden könnte u. dgl. Der Unterrichtsminister hält sich verpflichtet, diesen Gegenstand der Ah. Entscheidung nochmals vorzulegen und bis dahin mit dem Vollzuge der Ah. angeordneten Maßregeln einzuhalten. Nach seiner Ansicht wäre die Errichtung einer gemeinsamen Landesuniversität zuHermannstadt das beste Mittel, büberschwenglichen Nationaltendenzen der Ungarn sowie der Romanen vorzubeugenb . Diese und andere in dem Vortrage vom 3. Jänner 185311 angeführten Gründe bestimmten den Grafen Thun, sich in seinem ursprünglichen Antrage zur Organisierung des siebenbürgischen Unterrichtswesens für die Errichtung einer Landesuniversität zu Hermannstadt und gegen abgesonderte Rechtsakademien zu erklären12. Se. Majestät haben jedoch diesen Antrag aus dem Grunde nicht zu genehmigen geruht, || S. 431 PDF || weil bei der Nationalspaltung der Bevölkerung Siebenbürgens die Idee einer gemeinsamen Universität daselbst noch nicht ausführbar sei, und so wurde der Ah. Wille bezüglich der Errichtung von Rechtsakademien in Hermannstadt und Klausenburg im Lande bereits kundgemacht. Der au. Antrag, bemerkte Graf Thun weiter, es von der erwähnten Ah. Zusage wieder abkommen zu lassen, könnte nur in mittlerweile eingetretenen Tatsachen seine Begründung und Rechtfertigung finden. Eine solche Tatsache wäre die vom Gouverneur angedeutetec Übertragung des Sitzes der Regierung von Hermannstadt nach Klausenburg, welche Übertragung in der Tat als Vorbedingung der Möglichkeit angesehen wird, die Rechtsakademie in Hermannstadt zu einer Landesuniversität zu erweitern. Der Unterrichtsminister stellte demnach den Antrag, daß für den Fall, wenn es Sr. Majestät zweckmäßig erschiene, die Übertragung der Landesregierung von Hermannstadt nach Klausenburg zum Gegenstande weiterer Verhandlungen zu machen, Allerhöchstdieselben auch anzuordnen geruhen dürften, gleichzeitig die Frage wegen Erweiterung der Rechtsakademie in Hermannstadt zu einer Landesuniversität einer neuerlichen gründlichen Beratung unterziehen und bis dahin mit der Errichtung der Rechtsakademie in Klausenburg nicht vorgehen zu lassen. Sollte jedoch der Sitz der Landesregierung in Hermannstadt zu verbleiben haben, dann wäre auch die bereits Ah. ausgesprochene Errichtung zweier Rechtsakademien zu Hermannstadt und Klausenburg aufrecht zu erhalten.

Bei der hierüber vorgenommenen Beratung fand der Minister des Inneren vor allem zu bemerken, daß Se. Majestät bereits mit der Ah. Entschließung vom 14. September 1852, kundgemacht in der Wiener Zeitung vom 21. Jänner 1853, festzusetzen geruht haben, daß der Sitz der Landesregierung für Siebenbürgen in Hermannstadt sein soll13, worauf also als eine bereits Ah. entschiedene Sache nicht mehr zurückzugehen wäre. Die übrigens auch schon Ah. entschiedene Frage wegen der Rechtsakademien wäre demnach mit dem Sitze der Regierung nicht in Verbindung zu bringen. Die Konferenz teilte diese Ansicht und die Bemerkung des Finanz- und Handelsministers , daß, wenn Graf Thun mit den vom Gouverneur Fürsten Schwarzenberg gegen die Errichtung einer Rechtsakademie in Klausenburg geäußerten Bedenken und mit den für die Einführung der Universität in Hermannstadt geltend gemachten Gründen einverstanden ist, was dieser zu sein erklärte, er diesen Gegenstand der Ah. Schlußfassung unterziehen und sich, bevor der frühere Ah. Auftrag vollzogen wird, die Ah. Weisung erbitten möge, ob nicht Se. Majestät etwas anderes zu beschließen geruhen. Der Finanzminister glaubte übrigens bemerken zu sollen, daß er die Errichtung einer Universität in Hermannstadt, wo kein Spital und keine anderen bei einer Universität vorausgesetzten Mittel vorhanden sind, nicht recht für ausführbar halte und daher zwei Akademien besser fände, bis Siebenbürgen eine Universität haben kann. || S. 432 PDF || Derselben Ansicht war auch der Justizminister mit dem Bemerken, daß, wenn in der Folge eine Änderung notwendig befunden würde, sie leichter mit der Akademie als mit dem Sitze der Landesregierung wird vorgenommen werden können. Derselbe meinte, daß von der Ah. Entscheidung bezüglich der Rechtsakademie in Klausenburg nicht abzugehen, jedoch darauf zu sehen wäre, daß dort die Gegenstände auch deutsch vorgetragen werden14.

An der Besprechung über diesen letzten Gegenstand hat der Minister des Äußern keinen Teil genommen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 31. Jänner 1853.