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Nr. 76 Ministerkonferenz, Wien, 28. Dezember 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 28. 12.), Bach 30.12., Thinnfeld 30. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 25/1853 – (Prot. Nr. 73/1852) –

Protokoll der zu Wien am 28. Dezember 1852 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Bericht der Internuntiatur über die türkische Blockade der albanischen Küsten

Der vorsitzende Minister des Äußern brachte den neuesten Bericht der k. k. Internuntiatur in Konstantinopel zur Kenntnis der Konferenz, wornach a) in Ansehung der von der Pforte beabsichtigten Blockade der albanesischen Küsten das Zugeständnis gemacht worden ist, die Wirksamkeit derselben erst mit dem Eintreffen der türkischen Eskader an ihrem Bestimmungsorte eintreten zu lassen, was nicht vor Monatsfrist geschehen dürfte, b) die Pforte die Montenegriner als ihre Untertanen ansehen und durch Waffengewalt wieder zur Unterwerfung bringen will, in welcher Beziehung ihr zu erwidern beabsichtigt wird, daß die k. k. Regierung keine Verletzung ihres Gebietes bei Kiek oder Suttorina dulden werde1. Zu diesem Ende haben Se. Majestät, wie der Kriegsminister bemerkte, bereits an FML. Graf Wimpffen die nötigen Befehle erlassen, sich in Bereitschaft zu halten, um, wenn nötig, sogleich die bedrohten Punkte zu verstärken2.

II. Bezüge des künftigen Präsidialgesandten beim Deutschen Bunde

handelt es sich um die Dotation des zum Präsidialgesandten am Deutschen Bunde designierten Freiherrn v. Prokesch. Bisher waren mit diesem Posten ein Gehalt von 40.000 f. jährlich und der Genuß der Wohnung im Taxischen Palais verbunden, zu deren Einrichtung dem jeweiligen Gesandten ein Beitrag von 10.000 f. bewilligt wurde. Dieser letztere Betrag stellt sich nach dem dem vorsitzenden Minister des Äußern bekannten gegenwärtigen Zustande des dem k. k. Präsidialgesandten in Frankfurt eingeräumten Palais als unzureichend dar. Überdies erfordern die bekannten ökonomischen Verhältnisse des Freiherrn v. Prokesch, daß ihm ausreichend Mittel geboten werden, um sich der neuen Würde || S. 378 PDF || angemessen einrichten zu können. Zu diesem Ende und um andererseits den Finanzen kein Opfer aufzuerlegen, machte der Minister des Äußern den Vorschlag, das Gehalt des Präsidialgesandten mit nur 36.000 f., also um 4000 f. geringer als bisher, festzusetzen, dagegen aber dem Baron Prokesch für seine Person einen Einrichtungsbeitrag von 24.000 f. zu bewilligen oder zwar das Einrichtungspauschale möglicher Konsequenzen wegen nur mit 10.000f. zu bestimmen und ihm den Mehrbetrag als ein Extraordinarium allenfalls unter einem anderen Titel zuzuwenden.

Unter dieser Restriktion und bei ausdrücklicher Verwahrung gegen alle Folgerungen für die Zukunft erklärte sich der Finanzminister und sohin die Konferenz mit dem Antrag des Ministers des Äußern einverstanden.

III. Verhaftung des Korrespondenten des Morning Chronicle in Wien Reynald Harwood

Der Minister des Äußern referierte über eine Reklamation der hiesigen großbritannischen Gesandtschaft über die dem englischen Sprachlehrer und Korrespondenten des Morning Chronicle Reynald Harwood in Wien widerfahrene Behandlung3. Derselbe wurde auf den Verdacht bedenklicher Korrespondenz und Einsendung unliebsamer Artikel aus Wien an die genannte Zeitung auf der Straße von zwei Zivilisten angehalten, genötigt, in einen Wagen zu steigen, sofort auf die Stadtgouvernementskanzlei gebracht, verhört, über Nacht auf dem Polizeihause, und zwar zuerst auf einem Zimmer mit vier Übeltätern, sohin aber in einem anderen Zimmer verhaftet gehalten und am anderen Tage nach Beschlagnahme seiner Papiere in seiner Wohnung wieder freigelassen. Der Minister des Äußern teilte die diesfällige Reklamation der englischen Gesandtschaft dem Gouverneur4 zur Aufklärung dieses Vorgangs mit einigen Bemerkungen mit, welche sich über dessen Ungehörigkeit an und für sich, da Harwood seit zehn Jahren sich hier aufhält und einer Flucht nicht verdächtig war, sowie über den bedauerlichen Umstand verbreiteten, daß wider Harwood nichts Gravierendes erhoben, mithin die hiesige Polizei dem Auslande gegenüber bloßgestellt worden sei. Der Gouverneur suchte in seiner Antwort den Vorgang zwar durch das Verdacht erregende Benehmen Harwoods bei Aufgabe seiner Korrespondenz sowie überhaupt durch die Verfassung von Artikeln über Österreich für das demselben feindlich gesinnte englische Blatt zu rechtfertigen, gestand jedoch selbst zu, daß die betreffenden Polizeiorgane aus allzu großem Diensteifer die Grenzen der Mäßigung überschritten haben, weshalb er denselben eine Rüge erteilt und infolge der Note des Ministers wider sie einen 24stündigen Hausarrest verhängt habe. Dabei glaubte er aber auf die Ausweisung dieses immerhin eben wegen seiner Korrespondenz bedenklichen Individuums antragen und deren Verfügung dem Einvernehmen des Ministers mit der königlichen Gesandtschaft vorbehalten zu sollen. Was das eigentliche Faktum betrifft, um dessentwillen von der Gesandtschaft Klage geführt und Satisfaktion verlangt worden ist, so hat sich – bemerkte der Minister des Äußern – der englische Botschafter, || S. 379 PDF || welchem die Erwiderung des Gouverneurs einstweilen brevi manu mitgeteilt worden ist5, mit der durch Verhängung eines Hausarrests wider die schuldtragenden Polizeiorgane gegebenen Satisfaktion zufriedengestellt. Hierüber dürfte also nichts weiter als die schriftliche Mitteilung davon an den Gesandten zu veranlassen sein. Was dagegen die vom Gouverneur angeregte Hinwegweisung Harwoods aus Österreich anbelangt, so erscheint solche – abgesehen davon, daß deren Verhängung niemals Sache des Ministeriums des Außern wäre – durch nichts gerechtfertigt, nachdem wider Harwood nichts Staatsgefährliches erwiesen worden und selbst die Korrespondenzartikel aus Wien im Morning Chronicle nicht in dem Grade aufreizend oder verletzend gewesen sind, als sie von dem Polizeibericht dargestellt werden. Der Minister des Außerngedächte daher, dem Gouverneur in diesem Sinne zu antworten und zu bemerken, daß gegen den ferneren Aufenthalt Harwoods kein Anstand obwalte, insofern er in seinen Korrespondenzartikeln überhaupt sowie insonderheit bezüglich der ihm widerfahrenen Behandlung die Grenzen der Mäßigung nicht überschritte. Dem Gouverneur würde weiters der Wunsch zu erklären sein, daß selbst während der Dauer des Ausnahmezustandes – in Ansehung dessen der Minister des Inneren demnächst die weiteren Anträge sich vorbehielt6 – der Polizei mehr Vorsicht, zumal gegen Ausländer, zu empfehlen sei.

Die Konferenz erklärte sich mit dem Antrage des Vorsitzenden vollkommen einverstanden7.

IV. Ah. Entschließung wegen des Reichsgesetzblattes

Der Justizminister eröffnete, daß die Ah. Entschließung vom 27. Dezember 1852 in betreff des Reichsgesetz- und Regierungsblattes durch unverweilte Indrucklegung des Ah. gefertigten Patents teilweise bereits in Vollzug gesetzt und wegen der sonst noch vorbehaltenen Punkte die Verhandlung eingeleitet worden sei8.

V. Regelung der protestantischen Kirchenangelegenheiten der Sachsen in Siebenbürgen

Der Minister des Inneren übergab mit Bezug auf die Besprechung der Anträge zur Regelung der protestantischen kirchlichen Angelegenheiten der Sachsen in Siebenbürgen (Ministerkonferenz­protokoll vom 23. Dezember 1852, Absatz III) seine schriftlichen Bemerkungen dem Kultusminister mit der Andeutung, eine .. bereinstimmung der beiderseitigen, ohnehin nicht wesentlich divergierenden Ansichten werde leicht zu erzielen sein.

Hierauf erbat sich und erhielt sofort der Kultusminister die Ermächtigung der Konferenz zur unverweilten und unmittelbaren Erstattung des betreffenden Vortrags an Se. Majestät, || S. 380 PDF || sobald er sich mit dem Minister des Inneren über die mitgeteilten Differenzpunkte würde geeinigt haben9.

VI. Unterstützung für die Forschungsreisende Ida Pfeiffer

Der Minister des Inneren referierte über das bei ihm eingebrachte Gesuch der bekannten Reisenden Ida Pfeiffer aus Wien um eine Unterstützung10.

Schon einmal sind ihr 100 Pfund Sterling in Rücksicht auf ihre für naturwissenschaftliche Zwecke gemachten und eingesandten Sammlungen bewilligt worden. Gegenwärtig wurden neue gesendet, und es wird vom Direktor des zoologischen Hofkabinetts deren \Vert bestätigt. In Berücksichtigung dessen sowie der sonstigen Verhältnisse dieser Frau, welche bei beschränkten eigenen Mitteln manches Interessante zur Bereicherung der Natur- und Weltkunde beigetragen hat, würde der Minister des Inneren für dieselbe die Bewilligung eines weiteren Geschenkes von 50 Pfund Sterling ab aerario in Antrag bringen.

Der Finanzminister fand kein hinreichendes Motiv zu einer solchen neuen Auslage aus dem ohnehin schon so sehr belasteten Staatsschatze. Handelt es sich um Bezahlung von Sammlungen, so mägen sie die betreffenden Kabinette aus den ihnen eigens dazu angewiesenen Dotationen bestreiten. Hunderte von Kisten mit ähnlichen Sammlungen liegen noch unausgepackt aus Mangel eines Lokals zum Aufstellen. Auch ist kaum zu glauben, daß eine Frau ohne wissenschaftliche Vorbildung wahrhaft Wertvolles in wissenschaftlicher Hinsicht zu sammeln verstehe. Dem Finanzminister traten bei der Kultus- und der Kriegsminister, dem Minister des Inneren die Minister für Landeskultur, Justiz und der Vorsitzende, also die Majorität.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 3. Jänner 1853.