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Nr. 72 Ministerkonferenz, Wien, 14. Dezember 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 14. 12.), Bach 18. 12., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 4840 – (Prot. Nr. 69/1852) –

Protokoll der zu Wien am 14. Dezember 1852 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Vortrag über die Beamtenbenennungen

Mit Beziehung auf die in der Konferenz vom 7. d. M., sub 1., gepflogene Beratung wurde der vom Kanzleidirektor der Ministerkonferenz entworfene au. Vortrag über die im Ah. Kabinettsschreiben vom 12. April 1852, sub 3., gestellte Aufgabe in betreff der Bezeichnung einiger Beamtenstellen gelesen und im wesentlichen einstimmig angenommen1. Hierbei haben die Minister der Justiz und der Landeskultur ihre Meinung näher dahin ausgesprochen, daß auch sie sich dem Antrag des Ministers des Äußern auf Wiederherstellung des Hofratstitels nicht nur bei dem Ministerium dieses letzteren, sondern auch bei den ihrer eigenen Leitung anvertrauten Ministerien anschließen, und daß sonach die Räte, Sekretäre, Konzipisten etc. dieser Ministerien ebenso wie jene des Obersten Gerichtshofes wieder Hofräte, Hofsekretäre etc. heißen sollen. Unter diesen Umständen und für den Fall, daß Ew. Majestät hiernach die Wiederherstellung des Hofratstitels bei einem oder einigen Ministerien zu genehmigen geruhten, erklärte der Minister des Inneren , die gleiche Namensänderung auch für die Räte, Sekretäre etc. aller Ministerien in Anspruch nehmen zu müssen, weil eine ungleiche Behandlung in dieser Beziehung nicht angemessen erschiene, womit sich auch der Finanzminister ausdrücklich einverstanden erklärte. In diesem Sinne wird demnach der Vortrag abgeändert2.

II. Repressalien gegen den Kanton Tessin

Der Minister des Äußern brachte zur Kenntnis der Konferenz einen Vorgang der Regierung des Kantons Tessin, welche acht österreichische Ordensgeistliche aus zwei dortigen Klöstern ausgewiesen und über die Grenze hat bringen lassen. || S. 364 PDF || Es fragt sich, ob nicht, falls von Seite des Bundesrats auf die diesfällige schriftliche Reklamation keine befriedigende Erklärung gegeben würde, zur Ergreifung von Repressalien geschritten und die Ausweisung einer gleichen Anzahl Tessiner aus dem Mailändischen verfügt werden sollte.

Im wesentlichen war die Mehrheit der Konferenz mit dem Antrage auf Ergreifung der Repressalie einverstanden. Sie glaubte jedoch, daß, da die Aufgreifung und Ausweisung von gerade acht Tessinern bezüglich der eben Betroffenen als ein Akt bloßer Willkür erscheinen würde, nach dem Antrage des Ministers des Inneren die Maßregel vielmehr auf alle auf dortigem Gebiete sich aufhaltenden Tessiner erstreckt und etwa nur dem Feldmarschall Graf Radetzky die Vollmacht erteilt werden sollte, einzelnen aus besonderen Rücksichten das längere Verweilen zu gestatten. Dies wäre dem Bundesrate in der Art zu eröffnen, daß, wenn binnen 14 Tagen nach Empfang der hierartigen Note nicht Genugtuung gegeben worden wäre, mit jener Maßregel vorgegangen werden würde. Es wären dabei noch fernere Zwangsmaßregeln in Aussicht zu stellen, worunter der Justizminister geradezu die Besetzung des Kantons versteht, welche seines Erachtens durch mehr als eine Rücksicht gerechtfertigt und durch die Klugheit geboten sein würde, indem der genannte Kanton der beständige Herd der Revolution und das Asyl der österreichischen politischen Flüchtlinge ist. Dem Feldmarschall Grafen Radetzky wäre inzwischen die Weisung zu erteilen, seine Vorbereitungen zu treffen, um, wenn binnen der gestellten Frist keine befriedigende Antwort kommt, unverweilt mit der Repressalie vorgehen zu können. Nur der Kultusminister nahm Anstand, sich dem Antrage auf Ergreifung der Repressalien anzuschließen, weil die österreichische Regierung das Unrecht anerkennt, welches ihren Untertanen durch die Ausweisung angetan worden ist, mithin es ihrer unwürdig wäre, fremden Untertanen ein gleiches Unrecht anzutun, statt von deren Regierung Genugtuung sich zu verschaffen, weil ferner diese Maßregel uns keinen Nutzen bringt und weil früher oder später doch zur Besetzung dieses feindselig gesinnten Kantons dürfte geschritten werden müssen, es also angemessener erscheint, gleich mit dieser ernsteren Maßregel vorzugehen, wenn nicht schon auf die hierortige Reklamation Genugtuung gegeben wird3

III. Erziehungsbeitrag für die Appellationsgerichtskanzlistenwitwe Caprara

Der Justizminister referierte über eine Meinungsdifferenz zwischen ihm und dem Finanzministerium in Ansehung der beantragten Beteilung der Appellationsgerichtskanzlistenwitwe Caprara mit einem Erziehungsbeitrag von jährlich 50 fr. für ihren 12 Jahre alten Sohn. Das Finanzministerium ist nämlich gegen diese Beteilung, weil nur ein Sohn statt der normalmäßigen Anzahl von vier Kindern vorhanden ist und die Witwe im Genuß einer Pension von 233 fr. 20 Kreuzer steht, wovon sie wohl den Unterhalt für sich und ihren einzigen Sohn bestreiten kann. Allein eben diese Möglichkeit glaubte der Justizminister bezweifeln und daher auf seinem Antrag um so mehr bestehen zu sollen, als auch die Verdienste des Vaters und beziehungsweise Gatten in Betracht kommen dürften.

|| S. 365 PDF || Der Finanzminister aber und mit ihm die übrigen Stimmen erklärten, sich für die Aufrechterhaltung der Normalschrift in diesem Falle, wo eine so wesentliche Abweichung davon gefordert wird, daß dieselbe wirklich zur Aufhebung des Normales führen würde.

IV. Begnadigungsgesuche ungarischer Verurteilter

Franz Nagy, reformierter Pastor, einer der fanatischsten Anhänger und Verfechter der Revolution in Ungern, Lästerer der geheiligten Person Ew. Majestät und der Ah. Dynastie etc. ward wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und auf vierjährigen Festungsarrest mit Einrechnung der Untersuchungshaft begnadigt, so daß er gegenwärtig nur noch etwa elf Monate abzusitzen hat4.

Der Justizminister hält unter diesen Umständen das Einschreiten auf Nagys gänzliche Begnadigung einer Rücksicht nicht für würdig, und die Konferenz trat dieser seiner Ansicht einhellig bei.

V. Begnadigungsgesuch ..

Das Ah. signierte Begnadigungsgesuch des Georg Hankovich, gewesener Stuhlrichter im Biharer Komitat, wegen Hochverrats im Rechtswege zum Tode verurteilt, sohin auf zehnjährigen Festungsarrest begnadigt, schien weder dem Justizminister noch der Konferenz dermalen zu einer Berücksichtigung geeignet zu sein, weil Hankovichs revolutionäre Tätigkeit eine hervorragende und gefährliche war und er insbesondere als Präses eines revolutionären Standgerichts zur Aburteilung und Erschießung von sechs Gutgesinnten mitgewirkt hat5.

VI. Begnadigungsgesuch ..

Aus Anlaß des Ah. signierten Gesuches um Begnadigung des auf vier Jahre verurteilten ungrischen Hochverräters Moses v. Berde, dessen revolutionäre Wirksamkeit nur eine untergeordnete und geringfügige war, glaubte der Justizminister unter Beistimmung der Konferenz auf den schon früher gestellten, von Ew. Majestät zwar nicht genehmigten Antrag zurückkommen zu sollen, daß dessen Strafe auf zwei Jahre gemäßigt werde6. Er würde hiernach bis Mai 1854 seine, wie bemerkt, nicht erhebliche revolutionäre Beteiligung abzubüßen haben7.

VII. Pension der Försterswitwe Josepha Aigner

Eine kleine Differenz zwischen [dem Finanzminister und] dem Minister für Landeskultur und Bergwesen in betreff der Pensionsbehandlung der Försterswitwe Josepha Aigner (Vortrag vom 3. Dezember 1852, KZ. 4814, Mez. 3894, ExtraheftNr. 16212/4199 II) wurde durch die Erklärung des Finanzministers behoben, daß er sich aus den dort dargestellten Billigkeitsrücksichten mit der || S. 366 PDF || Ansicht vereinige, der genannten Witwe die Pension nach dem letzten provisorischen Gehalte ihres Gatten mit 208 fr. statt mit 170 fr. anzuweisen.

VIII. Militärstrafgesetz (= Sammelprotokoll Nr. 81)

Fortsetzung der Beratung über das Militärstrafgesetz (Extraprotokoll)8.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 24. Dezember 1852.