MRP-1-3-01-0-18521204-P-0069.xml

|

Nr. 69 Ministerkonferenz, Wien, 4. Dezember 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 5. 12.), Bach 14. 12., Thinnfeld, Thun (BdE. im Separatvotum), Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 446/1853 – (Prot. Nr. 66/1852) –

Protokoll der am 4. Dezember 1852 in \X1ien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Aufhebung der sogenannten Oktava

Der Justizminister Freiherr v. Krauß brachte die Aufhebung der sogenannten Oktava zum Vortrage1.

Nachdem er die Entstehung und die Bestimmung der Oktava umständlich auseinandergesetzt hatte, bemerkte derselbe, daß in den Verhältnissen, wegen welcher die Oktava eingeführt ward, und in der Bestimmung derselben, nämlich Haftung der Dominien mit dem achten Teile ihres Gutswertes in der ersten Priorität für die gehörige Erfüllung der ihnen aus dem Bande der Untertänigkeit und aus der Verwaltung der Gerichtsbarkeit aund des Waisenamtesa obliegenden Verpflichtungen, durch das Ah. Patent vom 7. September 18482 eineb Veränderung eingetreten ist. Durch dieses Patent wurde das Untertansverhältnis und die Dominikal- oder Patrimonialgerichtsbarkeit aufgehoben und auf den Staat übernommen, woraus sich von selbst die Folge ergab, daß von diesem Zeitpunkte an die Dominien aus dem früher bestandenen Verhältnisse nicht verantwortlich sein können. Es entstand nun die Frage, was mit der Haftung der Dominien für die Amtshandlungen vor dem 7. September 1848 zu geschehen habe. Diese Frage wurde zwischen den Ministerien der Justiz, des Inneren und der Finanzen reiflicher Erwägung unterzogen, deren Resultat das heute zum Vortrage gebrachte Gesetz ist, welches die Bestimmung hat, die Güter der ehemaligen Grundherren von der Hypothek der Oktava beziehungsweise die Grundherren von der Realhaftung zu befreien3. Der Justizminister bemerkte, daß ihm bei der letzten Revision des Patentsentwurfes, welchen er vorgelesen, einige Anstände vorgekommen sind, || S. 351 PDF || welche einige Modifikationen der früheren Vereinbarungen der Ministerien enthalten und die er zur Sprache zu bringen sich verpflichtet halte.

cDie Bestimmungen des in der Ministerkonferenz vorgelesenen Gesetzentwurfesc sind im wesentlichen folgende:

Die Untertanen wären aufzufordern, ihre aus dem Nexus subditela entspringenden Forderungen in der einstimmig angenommenen Frist von sechs Monaten anzubringen, widrigens sie in Ansehung des gesetzlichen Pfandrechtes als erloschen anzusehen wären und das Pfand gelöscht werden würde.

Den § 2 hat der Justizminister nach den Grundsätzen der neuen Jurisdiktionsnorm4 geändert, und es wurde von der Konferenz beschlossen, darin auszusprechen, daß die Anbringung der Forderungen von Seite der Untertanen bei dem dLandesgerichte stattzufinden habe, in dessen Sprengel das Gut ganz oder dem größeren Teile nach gelegen istd .

Für den § 4 hat der Justizminister gleichfalls eine modifizierte Textierung in Antrag gebracht, welche dahin ging, daß den gewesenen Untertanen statt der ihnen aufzuerlegenden Verpflichtung, ihre Anmeldungen bei dem Landesgerichte zu machen, in dessen Sprengel das mit der Oktava belastete Gut liegt, die Wahl freizulassen wäre, die Anmeldung ihrer Forderung aus dem Untertansverhältnisse entweder bei dem Landesgerichte oder bei dem Bezirksgerichte, in dessen Sprengel die ehemalige Gutsverwaltung liegt und bei Syndikatsbeschwerden entweder bei dem Oberlandesgerichte oder bei dem Bezirksgerichte zu machen. Der Zweck dieser Änderung ist, den Untertanen bei diesem Geschäfte eine Erleichterung zu verschaffen.

Schließlich hat der Justizminister auch eine Modifikation hinsichtlich der beabsichtigten Ausdehnung der Publikation und Anheftung der Edikte (§ 5) in Antrag gebracht.

Gegen alle diese Bestimmungen, welche, sofern sie Ausnahmen von der bestehenden Regel enthalten, ohnehin nur eine kurze Zeit zu dauern haben werden, übrigens aber Erleichterungen der Untertanen bezielen, ergab sich von Seite der mehreren Stimmen in der Konferenz keine Erinnerung5.e

Der Justizminister wird hiernach den neuen Patentsentwurf textieren und denselben vor der Vorlegung an Se. Majestät noch zur Durchsicht der eingeschrittenen Ministerien des Inneren und der Finanzen mitteilen6.f

II. Strafnachsichtsgesuch des Advokaten Samuel Medoro

Derselbe Minister referierte hierauf noch über das Strafnachsichtsgesuch des Juden Samuel Medoro, Advokaten zu Mailand. Man hat bei demselben verbotene Bücher gefunden. Er wurde deshalb infolge der Proklamation vom Februar 1851 zu schwerem Kerker von 5 Jahren verurteilt und befindet sich bereits seit 8 Monaten in der Strafe7 Die gedachte Proklamation bestimmt, daß, wenn jemand in den Besitz von verbotenen Büchern gelangt und sie nicht an die vorgesetzte Behörde abführt, er zu schwerem Kerker von einem bis zu 5 Jahren verurteilt werden solle. Die wenigen bei Medoro vorgefundenen verbotenen Bücher sind vom Jahre 1848, also von einer Zeit vor der Proklamation, und Medoro gibt an, mehrere Bücher ähnlichen Inhalts verbrannt, die in der Rede stehenden aber unter seinen Büchern übersehen zu haben. Das Armeekommando meint, daß ihm höchstens die Hälfte der Strafe nachgesehen werden dürfte. Der Justizminister äußerte die Ansicht, daß Medoro, an sich wohl ein schlechtes Subjekt und wegen Störung der inneren Ruhe des Staates in Untersuchung gestanden und ab instantia entlassen, wegen des Besitzes dieser Bücher gar nicht hätte verurteilt werden sollen, weil dieselben schon vor der erwähnten Proklamation in seinem Besitze waren und er dieselben nicht erst später erworben hat, was die Proklamation voraussetzt, und daß demnach seine Strafe ganz aufzulassen wäre.

Dieser Ansicht schlossen sich die Minister v. Thinnfeld und Ritter v. Baumgartner an, während die Minister Dr. Bach, Graf Thun, Freiherr v. Csorich und der vorsitzende Minister Graf v. Buol-Schauenstein, also die Majorität, auf die Herabsetzung der Strafdauer auf ein Jahr aus dem Grunde stimmten, weil Medoro an sich ein politisch schlechtes Individuum ist und durch die gänzliche Auflassung der Strafe der Zivil- und Militärgouverneur Feldmarschall Graf Radetzky kompromittiert würde8.

III. Einrichtung von ambulanten Militärstandgerichten in Ungarn gegen Raubdelikte

Der Militär- und Zivilgouverneur von Ungarn Herr Erzherzog Albrecht hat, um dem Überhandnehmen der Räubereien im Lande Grenzen zu setzen und die öffentliche Sicherheit herzustellen, eine Distriktskommission unter dem Distriktsobergespan von Pest zusammengesetzt, um Anträge zur Erreichung des erwähnten Zweckes zu erstatten. Die Distriktskommission hat sich in der Ansicht geeinigt, daß mehrere ambulante Militärstandgerichte einzusetzen wären, welche die Räuber und Vorschubleister zu verfolgen und die Eingebrachten an dem Orte der Tat zu justifizieren hätten, und daß auch die des Raubes und der Vorschubleistung beschuldigten Zivilpersonen an die Militärgerichte abzutreten wären9. Unter den Räubern befinden sich viele ehemalige Honvéds, welche von dem Transporte entwichen sind und sich jetzt aus Furcht vor der Strafe in den Wäldern und Schlupfwinkeln herumtreiben und so gezwungen sind, Verbrechen zu begehen. || S. 353 PDF || Es ist zu besorgen, daß ihr Treiben einen politischen Charakter annehmen werde, so wie es ihn zum Teil schon angenommen habe. Um in diesem Punkte die mögliche Abhilfe zu leisten und den ehemaligen Honvéds die straflose Rückkehr anzubahnen, gedenkt der vortragende Kriegsminister bei Sr. Majestät auf Ah. Gewährung des Generalpardons den Antrag zu stellen. Hinsichtlich der beiden übrigen Punkte bemerkte der Justizminister , daß stabile Standgerichte bereits in Ungarn bestehen und daß Se. kaiserliche Hoheit der Herr Militär- und Zivilgouverneur Erzherzog Albrecht auf diesem Grunde auch schon die ambulanten Standgerichte eingerichtet haben werden, in welcher Beziehung daher nichts weiter zu tun erübrigen dürfte. Was die Abtretung der des Raubes und der Vorschubleistung beschuldigten Zivilpersonen an die Militärgerichte anbelangt, so fände der Justizminister dagegen um so weniger einen Anstand, als die gZivilgerichte in Ungarn jetzt noch sehr mangelhaft bestelltg sind und ein energisches Eingreifen zur Herstellung der öffentlichen Sicherheit im Lande notwendig erscheint. Der Justizminister wird demnach den Antrag bei Sr. Majestät unterstützen, daß solche Personen von den Zivilgerichten an die Militärgerichte abgetreten werden dürfen.

Die Ministerkonferenz hat sich mit den Anträgen sowohl des Kriegs- als des Justizministers einverstanden erklärt10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. Feber 185311.