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Nr. 39 Ministerkonferenz, Wien, 17. August 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 18. 8.), Bach 21. 8., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 3248 – [Prot. Nr. 36/1852] –

Protokoll der am 17. August 1852 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein. Der Justizminister Freiherr v. Krauß brachte aus der ungarischen Revolutionsepoche folgende Gnadensachen zum Vortrag:

I. Begnadigungsgesuch für Daniel Boczkó

Daniel Boczkó, aus dem Bekeser Komitate gebürtig, 64 Jahre alt, reformierter Religion, wurde im Juli v. J. wegen seiner vorragenden Tätigkeit bei den revolutionären Bestrebungen zu zehn Jahren Festungsarrest verurteilt1, welchen er auf der Festung Kufstein angetreten hat. Boczkó hat im Oktober 1848 den Landsturm in mehreren Komitaten in großen Massen aufgeboten und alles versucht, um die Entwaffnung und Vernichtung des Fürst-Schwarzenberg-Ulanenregimentes durch die Einnahme der Festung Arad zu bewerkstelligen. Er war Regierungskommissär, unter welchem 42 Personen hingerichtet, 80 Gutgesinnte in Arreste gesteckt und 13 Ortschaften durch Feuer verheert wurden. Als mildernde Umstände werden für ihn angeführt, daß er sich bemüht habe, günstige Kapitulationspunkte für die Festung Arad zu erwirken, und daß er gegen die republikanischen Propagandisten aufgetreten sei2. Sein Bruder bittet in einem der Ah. Bezeichnung gewürdigten Gesuche um Begnadigung des Sträflings oder doch um Versetzung in einen anderen Strafort, da derselbe, als der reformierten Religion angehörig, in Kufstein des Religionstrostes und des Beistandes eines reformierten Seelsorgers entbehre, und daß ihm, da er wegen seiner Kränklichkeit die Strafzeit wohl nicht überleben werde, ein heimatliches Grab zuteil werden möge.

Der Justizminister findet in Übereinstimmung mit der Ministerkonferenz keinen zureichenden Grund, für Daniel Boczkó auf eine Gnade bei Sr. Majestät anzutragen, behält sich aber hinsichtlich der Übersetzung desselben in einen anderen Strafort vor, nach Herablangung der Ah. Entschließung über das Ah. bezeichnete Gesuch seines Bruders sich mit dem Kriegsminister diesfalls ins Einvernehmen zu setzen3.

II. Begnadigungsgesuch für Johann Besze

Johann Besze, im Borsoder Komitate gebürtig, 40 Jahre alt, war im Beginn des Jahres 1848 Deputierter von Gran und hat im Landtag für die bedingte Hilfeleistung gegen Italien gestimmt. Später verließ er den Landtag und zog mit der von ihm errichteten Nationalgarde nach Komorn, wo er sie durch acht Wochen kommandierte und an die revolutionäre Regierung über die Verhältnisse der Festung Berichte erstattete. || S. 217 PDF || Er hat zwei Honveds aus eigenem equipiert, bewaffnet und während des Feldzuges erhalten. In der Folge verließ er wieder Komorn, hat an den Sitzungen des Landtages wieder teilgenommen und dafür gestimmt, daß das Haus seine Indignation über die Ermordung des Robert Blum ausspreche, hat im Landtage Reden gehalten und zum Widerstande gegen die russische Armee aufgefordert etc. Wegen dieser seiner revolutionären Tätigkeit wurde er zu zehn Jahren Festungsarrest verurteilt4. Mildernd spricht für ihn, daß er mehrere loyal Gesinnte vom Blutgerichte befreit und sich der Untersuchung freiwillig gestellt hat.

Der Justizminister findet es, da Besze erst kurze Zeit sitzt, und das für ihn eingebrachte Gnadengesuch nicht Ah. bezeichnet wurde, noch zu früh, ihn der Ah. Gnade Sr. Majestät gegenwärtig zu halten. Das betreffende Gesuch wäre demnach, ohne einen au. Vortrag zu erstatten, derzeit lediglich abzuweisen, womit sich die Ministerkonferenz einverstanden erklärte.

III. Begnadigungsgesuch für Stephan v. Doboczy

Doboczy, 51 Jahre alt, reformiert, verheiratet, Vater von drei Kindern, war Oberstuhlrichter im Biharer Komitate, hat Nationalgarde und Freikorps gegen die legitime Regierung organisiert und zu wiederholten Malen nach Siebenbürgen geführt, für die Verpflegung des Bemschen Korps und die Erhaltung der Postkommunikation gesorgt, die Grenze besetzt gehalten und ein Korps errichtet, das seinen Namen führte. Er war Regierungskommissär und hat den Landtagsbeschluß vom 14. April 1849 wegen Entthronung des regierenden Hauses und Losreißung Ungarns von Österreich auf eine Art kundgemacht, welche keinem Zweifel Raum gestattet, daß er mit dieser Maßregel vollkommen einverstanden war. Im Juli 1849 hat er seine Schar zur Insurgentenarmee gestellt. Wegen dieser revolutionären Tätigkeit wurde er unterm 15. September 1851 [sic!], weil die Aburteilung schon in die mildere Periode gefallen, nur auf vier Jahre verurteilt5. Als Milderungsgründe werden für ihn geltend gemacht, daß er die vom gereizten Volke geforderte Entwaffnung zweier schwacher Bataillone verhindert, sich menschlich bewiesen, das harte Los der Geplünderten erleichtert, die Székler Stämme zur Humanität aufgefordert und bei Verpflegung der Verwundeten keinen Unterschied zwischen Feind und Freund gemacht, dann daß er sich für die Befreiung mehrerer Hermannstädter Bürger verwendet habe. Das für ihn eingebrachte Gesuch ist nicht Ah. bezeichnet worden.

Der Justizminister erachtet, daß Doboczy, dessen Verurteilung ohnehin schon in die mildere Kategorie gefallen ist, und da er Errichter einer eigenen feindlichen Schar war, derzeit lediglich abzuweisen wäre, womit sich die Ministerkonferenz gleichfalls einverstanden erklärte.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Ischl, 26. August 1852.