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Nr. 36 Ministerkonferenz, Wien, 7. August 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 7. 8.), Bach 10. 8., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 17. 8.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 3245 – (Prot. Nr. 33/1852) –

Protokoll der am 7. August 1852 zu Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Gnadengehalt für den Septemviraltafelassessor Franz v. Császár

Der Justizminister referierte über die bezüglich seines Antrags vom 28. Juli 1852, KZ. 3025, MCZ. 2399, wegen Bewilligung eines Gnadengehaltes von 600 f. für den Beisitzer der aufgelösten Septemviraltafel Franz v. Császár obwaltende Meinungsdifferenz mit dem Finanzminister.

Der letztere erklärte sich wie damals so auch heute gegen diesen Antrag, weil Császár bezüglich seines Verhaltens während der Revolution nicht als vollkommen gerechtfertigt erscheint, nicht für geeignet erkannt wurde, wieder angestellt zu werden, und die ohnehin nur allzuhäufigen Gnadenanträge wenigstens nur zugunsten ganz makelloser Individuen gestellt werden sollten. Mit dieser Ansicht war auch der Kultusminister einverstanden. Die übrigen, also mehreren Stimmen waren dagegen für den Antrag des Justizministers, teils aus den von demselben dafür geltend gemachten Rücksichten, daß die Anstellung der Septemviren eine lebenslängliche war, wider Császár eine positive Teilnahme an der Revolution nicht vorliegt, seine Vermögensumstände als Vater von sechs Kindern sehr mißlich sind und Se. Majestät sogar den kassierten italienischen Appellationsräten Trolli etc. Gnadengehälter in gleichem oder nahekommendem Betrage zu verleihen geruhten, teils weil Császár - wie der Minister des Inneren besonders hervorhob - einer der ersten war, die sich nach dem Einrücken der k. k. Truppen in Pest der rechtmäßigen Regierung zur Disposition stellten und in ihrem Dienste - Császár bei der Redaktion des Magyar Hirlap verwenden ließen, und weil überdies für ihn seine frühere 20jährige untadelhafte Dienstleistung spricht1.

II. Ah. Patent über das Militärreservestatut

Der Kriegsminister brachte zur Kenntnis der Ministerkonferenz, daß Se. Majestät unterm 31. v. M. das Ah. Patent über das Reservestatut, dann das Ah. Befehlsschreiben mit der Ah. genehmigten Anleitung zur Auflösung der bei den 35 deutschen Infanteriewerbbezirksregimentern bestehenden Landwehrbataillone zu erlassen geruht haben2. Diese Ah. Anordnungen sind bereits || S. 204 PDF || in das k. k. Armeeverordnungsblatt Nr. 61 von 1852 aufgenommen worden und werden auch im Reichsgesetzblatte erscheinen3.

III. Kostensteigerung beim Arsenalbau

Der Kriegsminister referierte über die Bitte des Ziegel- und Kalklieferanten für den Arsenalbau um Aufbesserung auf die kontraktmäßig stipulierten Preise von 14 f. 40 Kreuzer per 1000 Ziegel und 8½ Kreuzer per Kubikschuh Kalk wegen der seit 1849 eingetretenen Preissteigerung dieser Artikel. Ein Rechtsanspruch auf eine Aufzahlung besteht nicht. Se. Majestät haben indessen dieselbe unterm 7. Mai 1852 Ag. zuzuführen und zu befehlen geruht, daß diese Vergütung durch eine technische Kommission für die Zeit vom 1. November 1850 angefangen nach einjährigem Durchschnitte für das alljährlich wirklich gelieferte Quantum mit Rücksicht auf die Zeit- und Preisverhältnisse nach einem billigen Maßstabe zu ermitteln, von der Kriegsbuchhaltung zu prüfen und nach eingeholter Ah. Genehmigung den Lieferanten, wenn sie die kontraktmäßigen Lieferungen ohne Unterbrechung fortsetzen, zu erfolgen sei. Die technische Kommission hat nun diese Beträge nach den kurrenten Preisen mit 18 f. 37 Kreuzer per 1000 Ziegel pro 1851, mit 19 f. 9 Kreuzer per 1000 Ziegel pro 1852, die Generalartilleriedirektion aber, wie folgt, ausgemittelt: mit 17 f. für die 1. Hälfte des Jahres 1851, mit 18 f. für die 2. Hälfte des Jahres 1851, mit 18 f. 30 Kreuzer für das Jahr 1852, und die Hofkriegsbuchhaltung mit 17 f. pro 1851 und mit 17 f. 30 Kreuzer pro 18524 Der Gesamtbetrag der Vergütung für beide Jahre würde ausmachen: nach dem Antrage der Kommission 158.314f. 53½ Kreuzer, nach dem Antrage der Artilleriedirektion 133.407 f. 37 Kreuzer, nach dem Antrage der Hofkriegsbuchhaltung 87.272 f. 10 Kreuzer. Rücksichtlich des Kalkes besteht in den Berechnungen keine Differenz, indem dafür einhellig eine Aufbesserung von 2½ und 3½ Kreuzer per Kubikschuh pro 1851 und 1852 beantragt wurde, was zusammen 27.524 f. 57½ Kreuzer kosten würde.

Der Kriegsminister gedächte daher unter Beistimmung der Konferenz diesen letzteren Betrag bezüglich des Kalkes, in Ansehung der Ziegel aber den von der Hofkriegsbuchhaltung ausgemittelten bei Sr. Majestät zu befürworten, indem derselbe der mäßigste ist und es sich, wie gesagt, hier nicht um einen Rechtsanspruch handelt. In dieser Beziehung glaubte der Finanzminister die Bemerkung nicht unterdrücken zu sollen, wie mißlich es im Fall der Befriedigung von derlei Ansprüchen für die Staatsverwaltung ist, Lieferungskontrakte zu festgesetzten Preisen auf längere Zeit abzuschließen, indem, wenn die Preise fallen, von einer Rückvergütung des in den Säckel der Lieferanten fallenden Mehrbetrags an das Ärar unter Berufung auf den Kontrakt niemals die Rede ist, während, wenn die Preise steigen, trotz des Kontraktes von den Lieferanten immer eine Nachzahlung erbeten und ihnen auch meistens gewährt zu werden pflegt.

IV. Jüdische Reformgemeinde in Pest

Der Kultusminister referierte über die Verhältnisse der jüdischen Reformgemeinde in Pest. Dieselbe hat sich im Jahre 1848 zum Zwecke der Einführung wesentlicher Reformen in den Religionsgebräuchen der Juden mit Genehmigung des damaligen || S. 206 PDF || Ministeriums gebildet, ein eigenes Bethaus errichtet und nach mehreren Zwischenverhandlungen, wo dasselbe gesperrt, dann wieder geöffnet worden war, um vollständige Ausscheidung aus der alten Judengemeinde und Anerkennung als eigene, selbständige Kommune gebeten5. Der damalige Statthalterstellvertreter Baron Geringer hat sie jedoch mit diesem Begehren abgewiesen und den Status quo, also den äußerlichen Verband mit der alten J udengemeinde und die Verpflichtung zur Teilnahme an den Gesamtlasten und Verpflichtungen, aufrechterhalten6. Mittlerweile haben sie einen neuen Rabbiner in der Person Einhorns aus Mecklenburg erhalten, dem auch vom Ministerium des Inneren die Aufnahme in den österreichischen Staatsverband erteilt wurde, da er in jeder Beziehung als unbedenklich erschien. Gegenwärtig liegt die Verhandlung zur Entscheidung des Kultusministers vor. Es wird allgemein die Aufhebung dieser Reformgemeinde verlangt, und diese selbst will sich mit dem Status quo nicht zufriedenstellen, sondern begehrt wie früher die Anerkennung als selbständige Gemeinde mit der Versicherung, daß sie in ihren Reformbestrebungen die extreme Richtung vermeiden wolle, welche im Jahre 1848 beantragt und eingeschlagen worden war. In der Rücksicht nun, daß es nicht angeht, innerhalb einer vom Staate anerkannten Kultusgemeinde eine andere, lediglich zu dem Zwecke einer fortwährenden Reform des Kultus selbst, entstehen und sich entwickeln zu lassen, wodurch der sonst allenthalben zu unterdrückende Sektengeist genährt, Zersplitterung der Gemeinden, Störung der bestehenden Konkurrenz- und Beitragsverhältnisse sowie bedenkliche Exemplifikationen veranlaßt, endlich die Regierung, wenn sie anicht an dem Grundsatze festhalte, daß eine Ausscheidung von Reformvereinen aus bestehenden Kultusgemeinden und gegen ihre Einsprache unzulässig sei, doch in die Notwendigkeit geraten würde, in die Frage einzugehen, wie weit die angeblichen Reformen gehen können, ohne die Mehrheit aufzuheben, was sie schon jetzt in die mißliche Lage setzen würde, als Beschützerin der Reformen zu erscheinen und zu ihren Gunstena gewissermaßen als Richter über einen Glaubenszwiespalt in einer Religions­gesellschaft aufzutreten, glaubte der Kultusminister auf der schon gegen den Minister des Inneren schriftlich geäußerten Ansicht, die gedachte Reformgemeinde aufzuheben, um so mehr verharren zu sollen, als dieselbe gleich den Deutschkatholiken in ihren Bestrebungen bloß negative Tendenzen verfolgt, mithin selbst in politischer Hinsicht nicht unbedenklich ist und nur durch ihre Aufhebung den aus ihrem Bestande entsprungenen Verwicklungen des jüdischen Gemeindewesens wirksam gesteuert werden kann.

Der Minister des Inneren , welchem sich die übrigen Stimmen anschlossen, beharrteb dagegen ebenfalls auf seiner bereits schriftlich abgegebenen Äußerung, || S. 207 PDF || nämlich auf Belassung des Fortbestandes der Reformgemeinde in statu quo7 Denn der Ausspruch ihrer Unterdrückung würde ja die Regierung ebenfalls als Schiedsrichter über einen Zwiespalt in jüdischen Glaubens- oder Ritualsachen erscheinen lassen; sie würde damit die Orthodoxie der alten Judengemeinde anerkennen und genötigt sein, ihrem Ausspruche, falls ihm nicht Folge geleistet werden sollte, mit Zwangsgewalt Geltung zu verschaffen. Hierzu ist aber die Staatsverwaltung nicht berufen, zumal nicht bei den Juden. Die jüdischen Glaubensgenossenschaften sind von Seite der Regierung als bloß geduldete Vereine immer nur vom polizeilichen Standpunkte aus behandelt worden. Geben sie in dieser Beziehung zu keinem Bedenken Anlaß, so kümmert sich die Regierung nicht um ihre religiösen Streitigkeiten. Sie hat in dogmatischen Dingen weder eine Entscheidung zu treffen, noch der einen oder anderen Partei in denselben Schutz zu gewähren. Führen dergleichen Streitigkeiten zur Zersplitterung der Judengemeinden in religiöser Hinsicht, so ist darin allein ein Nachteil für das Gemeinwesen nicht, sondern eher noch der Vorteil zu entdecken, das Judentum seinem Zerfalle zugeführt und dem Christentum angenähert zu sehen. Die Beziehungen des bürgerlichen Gemeindeverbandes, seine Einrichtungen, die Rechte und Pflichten der Glieder können dabei unbeirrt bleiben.

Aus diesen Rücksichten und vornehmlich aus dem Grunde, daß die Judenverfassung überhaupt infolge der im vorigen Jahre begonnenen neuen organischen Einrichtungen im Reiche8 erst zur Verhandlung und Entscheidung gebracht werden muß, erachteten die mehreren Stimmen der Konferenz, es in Ansehung der Pester Reformgemeinde bei dem Status quo unter Aufrechterhaltung ihrer bürgerlichen Verpflichtungen gegenüber der ältern Genossenschaft zu belassen und beziehungsweise die Petenten auf die eingangs erwähnte frühere Entscheidung des provisorischen Statthalters von Ungarn zu verweisen. Da der Kultusminister sich mit dieser Ansicht nicht vereinigen zu können erklärte, so behielt er sich vor, hierwegen die Ah. Entscheidung Sr. Majestät einzuholen9.

V. Gnadengabe für Luise Kaufmann

Der Minister des Inneren referierte über die in seinem Vortrage vom 30. Juli 1852, KZ. 3014, MCZ. 2388, berührte Meinungsdifferenz zwischen ihm und dem Finanzministerium in Ansehung der Erhöhung der Gnadengabe von jährlich 20 auf jährliche 40 f. zugunsten der Kreiswundarzteswaise Luise Kaufmann. Durch den heute erklärten Beitritt des Finanzministers zu dem Antrage des Ministers des Inneren hat sich diese Differenz behoben.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. IschI, 26. August 1852.