MRP-1-3-01-0-18520504-P-0008.xml

|

Nr. 8 Ministerkonferenz, Wien, 4. Mai 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 5. 5.), Bach 8. 5., Thun, Csorich, K. Krauß, Bautngartner 8. 5.; abw. Thinnfeld, Stadion. Teildruck (I): Walter , Zentralverwaltung 3/4, Nr. 6 .

MRZ. – KZ. 1685 – (Prot. Nr. 7/1852) –

Protokoll der am 4. Mai 1852 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Behandlung von Auszeichnungsanträgen in den Ministerkonferenzen

Der vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Buol-Schauenstein eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung, daß Se. Majestät die in dem Protokolle der Minister­konferenz vom 24. April d. J.1 enthaltene au. Bemerkung hinsichtlich des Vortrages der Allerhöchst­demselben zu erstattenden Auszeichnungsanträge in den Ministerkonferenzen zur Ah. Kenntnis zu nehmen geruht habena .

II. Kundmachungsformel für kaiserliche Patente, Gesetze etc

Ferner teilte derselbe Minister mit, daß sich über das Ministerkonferenzprotokoll vom 22. April d. J., MCZ. 1248, die Ah. Weisung au. erbeten wurde, welche Formel künftig bei Kundmachung der kaiserlichen Verordnungen und der Patente oder Gesetze statt der bisherigen nicht ganz passenden: „Nach Vernehmung Meines (Unseres) Ministerrates und nach Anhörung Meines (Unseres) Reichsrates“ in Anwendung zu kommen hätte, und daß Se. Majestät den Ah. Willen dahin auszusprechen geruht haben, sich künftig der Formel: „Nach Vernehmung Meiner (Unserer) Minister und Meines (Unseres) Reichsrates“ zu bedienen2. Hiervon wird allen Ministern schriftliche Mitteilung gemacht werden.

III. Frage der Publizierung der Wirkungskreise der Ministerien

Der Antrag wegen Publizierung der Wirkungskreise der Ministerien soll nach dem Ah. Ausspruche Sr. Majestät auf sich zu beruhen haben, wornach also die Publizierung dieser Wirkungskreise zu unterlassen ist3.

IV. Geschäftsordnung für die Ministerkonferenzen und deren Kanzlei

Gegen den hierauf von dem Kanzleidirektor der Ministerkonferenz vorgelesenen Entwurf des au. Vortrages, womit die Geschäftsordnung für die Ministerkonferenzen und deren Kanzlei zur Ah. Genehmigung Sr. Majestät vorgelegt werden soll, ergab sich keine Erinnerung4.

V. Anstellung des Ministerialsekretärs Franz Xaver v.Paulekovich

Unter den Akten des verstorbenen Ministerpräsidenten Fürst Schwarzenberg hat sich auch ein Akt vorgefunden, welcher die Einreihung des dem gewesenen Minister Baron Kulmer zugewiesenen Ministerialsekretärs Franz Paulekovich in den Status eines Ministeriums oder einer demselben untergeordneten Behörde zum Gegenstand hat5.

Hierüber wurde bemerkt, daß sich dermal bei keinem der Ministerien eine für Paulekovich passende Stelle offen befinde, und daß derselbe daher so wie andere Beamte in ähnlichen Umständen zu behandeln wäre, nämlich das Begünstigungsjahr zu erhalten hätte, und, wenn er innerhalb desselben keine definitive Anstellung erhalten sollte, der normalmäßigen Behandlung zu unterziehen käme. Vielleicht wird bei der bevorstehenden Organisierung der Behörden ein für Paulekovich geeigneter Platz gefunden werden können.

VI. Organisierung der politischen Behörden in Dalmatien

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte bei der Dringlichkeit der baldigen Absendung des hier befindlichen Generals Mamula auf seinen Dienstposten in Dalmatien6 und bei dem Umstande, daß die Organisierung der höheren Justizbehörden in Dalmatien bereits in der Minister­konferenz vom 1. d. M. beraten und beschlossen wurde7, nun auch die Feststellung und Organisierung der höheren politischen Behörden (der Statthalterei und der Kreisbehörden) in Dalmatien zum Vortrage.

Der Minister Dr. Bach bemerkte, daß er hierüber die Anträge des Generals Mamula entgegen­genommen habe8 und daß hierbei die Grundzüge vom 31. Dezember 1851 || S. 51 PDF || als Elemente der Einrichtung festgehalten worden sind9. Gegenwärtig handle es sich bloß um die Statthalterei und die Kreisbehörden, da die Einrichtung der Präturen dem weiteren Einvernehmen mit dem Justizministerium vorbehalten wird. Die politischen Stellen in Dalmatien sind seit vier Jahren ohne Besetzung geblieben, und das dortige Gubernium wurde seit dieser Zeit von dem Gubernialrate Baron Ghetaldi provisorisch geleitet. Dem Ghetaldi sollte mehr Energie zu wünschen sein. Er dient bereits 36 Jahre, und es tritt bei ihm der Umstand ein, daß er eine Zeitlang Vorgesetzter des Generals Mamula war, welcher nun an die Spitze der Dalmatiner Statthalterei treten soll. Der Minister des Inneren erachtet, daß Ghetaldi mit Belassung seines vollen Gubernialratsgehaltes, welches er bisher bezogen, zu pensionieren wäre. Der von dem Minister Dr. Bach angetragene neue Etat ist von dem früheren nicht wesentlich abweichend. Statt des Guberniums soll eine Statthalterei bestehen, und die früheren Gubernialräte sollen Statthaltereiräte und die Gubernialsekretäre Statthaltereisekretäre genannt werden. Es sollen wie bisher nur vier Kreisbehörden in Dalmatien bestehen, nämlich: in Zara, Spalato, Cattaro und Ragusa. Statt der bisherigen ersten Kreiskommissäre, deren Stellung sich als nachteilig erwiesen hat, besonders in Abgang des Kreishauptmannes und bei Vertretung desselben, sollen Vizekreishauptleute mit 1500 fr. Gehalt und dem Range der ältesten Statthaltereisekretäre wie im lombardisch-venezianischen Königreiche die Vizedelegaten (wo sie aber ein Gehalt von 1800 fr. und 2000 fr. haben) bestellt werden. Der Besoldungsetat wäre hiernach von jenem nicht wesentlich verschieden, wie er vor dem Jahre 1848 bestanden hat. Dieser betrug nämlich 75.000 fr., und der neue soll nur eine Auslage von 72.000 fr. in Anspruch nehmen. Der Ban Freiherr v. Jellačić, welcher im Dezember 1848 zum Zivil- und Militärgouverneur von Dalmatien ernannt wurde10, aber als Zivilgouverneur daselbst nie fungiert hat, hätte seinen Titel zu behalten, und dem General Mamula als seinem Vertreter wären alle Befugnisse und der volle Wirkungskreis des Statthalters und der unmittelbare Verkehr mit den Zentralbehörden in Wien einzuräumen.

Mit diesen Sr. Majestät von dem Minister des Inneren nun vorzulegenden Anträgen erklärte sich die Ministerkonferenz vollkommen einverstanden11.

VII. Unterstützung für den griechisch-katholischen Bischof in Siebenbürgen Alexander Sterka Sulucz

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Thun besprach hierauf eine Meinungsverschiedenheit zwischen seinem und dem Finanzministerium bezüglich der von dem griechisch-katholischen Bischofe in Siebenbürgen Sterka Sulucz angesuchten Gewährung eines Subsistenzbeitrages von 5000 fr. als Darlehen gegen Rückzahlung auf Rechnung der definitiven Urbarial- und Zehententschädigung, indem er durch Elementar- und andere Unfälle sehr herabgekommen sei. Die siebenbürgische Landesbehörde und der Minister Graf Thun haben sich für die Gewährung, das Finanzministerium aber dagegen ausgesprochen. Das Finanzministerium hält ein Darlehen aus dem Kameralärar nicht für notwendig, da eine Unterstützung aus den siebenbürgischen politischen Fonds, welche einen Überschuß haben, nötigenfalls geleistet werden könne12. Eine Unterstützung aus diesen Fonds hält jedoch Graf Thun nicht für tunlieh, da diese Fonds durch Stiftungsverhältnisse zu bestimmten Zwecken gewidmet sind und der Regierung darüber kein Dispositionsrecht zusteht. Der vortragende Minister beabsichtigt, den erwähnten Subsistenzbeitrag aus der seinem Ministerium für das Jahr 1852 zu Gebote stehenden Dotation in der Art zu leisten, daß aus Anlaß dieser Zahlung kein höherer Anspruch an die Finanzen gestellt werden soll, unter welcher Beschränkung der Finanzminister und die Ministerkonferenz gegen den Antrag auf die Bewilligung des gedachten Subsistenzbeitrages nichts zu erinnern fanden13.

VIII. Geldsammlungen zu wohltätigen oder kirchlichen Zwecken

Aus Anlaß zweier Gesuche von Ausländern um Sammlungsbewilligung in Österreich zu wohltätigen kirchlichen Zwecken, und zwar: a) eines katholischen Seelsorgers in Gotha für die dortige Kirche und b) eines englischen Klostergeistlichen (übergetretenen Puseisten14) für ein Kloster in England, würde der Minister Graf Thun es als wünschenswert erkennen, Ordnung in solche immer häufiger vorkommende Sammlungsangelegenheiten, welche bereits Mißstimmung bei den geistlichen Behörden veranlassen, zu bringen. Nach seiner Ansicht dürfte jedem um eine solche Sammlung bittenden Ausländer diese unter der Beschränkung bewilligt werden, die Sammlung nur bei Privaten zu veranstalten und selbe durch die Zeitungen anzukündigen. Die Sammlungen in den Kirchen wären nur in seltenen Fällen und bei besonders rücksichtswürdigen Umständen über vorläufiges Einvernehmen mit dem betreffenden Ministerium zu gestatten.

Der Minister des Inneren und die übrigen Konferenzglieder glauben dagegen, daß von dem für die Sammlungen bisher bestehenden Grundsatze, wornach im Privatwege nicht zu sammeln ist, wegen der daraus zu besorgenden Mißbräuche nicht abzugehen und darauf auch für die Zukunft zu halten wäre. In Ansehung der oberwähnten zwei Fälle wäre nach der bisherigen Gepflogenheit vorzugehen.

IX. Leopoldorden für den Finanzlandesdirektor in Böhmen Vinzenz v. Kappel

Der Finanz- und Handelsminister Ritter v. Baumgartner brachte, da nach Nr. 1 dieses Protokolls Auszeichnungen in den Ministerkonferenzen vorgetragen werden dürfen, eine solche einstweilen zurückbehaltene Auszeichnung für den gewesenen Finanzlandesdirektor in Kroatien, jetzigen Finanzlandesdirektor in Böhmen v. Kappel zum Vortrage15. Kappel hat mit Schonung, Umsicht und Klugheit das ganze Steuerwesen in Kroatien (die direkten und indirekten Steuern) auf das entsprechendste organisiert und eingeführt. Der Ban gibt ihm hierüber und über sein ganzes Verhalten ein ganz vorzügliches Zeugnis und trägt für denselben auf die taxfreie Auszeichnung mit dem Ritterkreuze des österreichisch kaiserlichen Leopoldordens an16. Der referierende Finanzminister und die Ministerkonferenz teilen die Ansicht des Banus in Ansehung der Würdigkeit des Kappel vollkommen und vereinigen sich mit seinem Auszeichnungsantrage17.

X. Künftige Verwendung des Schloßberges in Preßburg

Der Minister des Kriegswesens FML. Freiherr v. Csorich brachte zur Kenntnis der Ministerkonferenz, daß Se. Majestät dem Antrage wegen Benützung des Schloßberges in Preßburg zu einer Strafanstalt18 keine Folge zu geben und anzuordnen geruht haben, wegen Benützung dieses Gebäudes etc. andere Vorschläge zu erstatten19. Der Kriegsminister wird diese Ah. Entschließung den Ministern des Inneren, der Justiz, des Handels und der Finanzen mitteilen.

XI. Aufhebung der ständigen Senate bei den Gerichten zweiter Instanz

Der Justizminister Freiherr v. Krauß bemerkt, daß die Gerichtsbehörden durch die neue Prozeßordnung und das organische Statut20 veranlaßt worden seien, ständige Senate für die zweiten Instanzen zu bilden, was die Folge hatte, daß viele Beamte angestellt werden mußten, und daß der Präsident, wenn ein Beamter von einem solchen Senate oder sonst abging, in seiner freien Disposition gehindert warb . Das Oberlandesgericht von Böhmen bittet um die Bewilligung, daß in betreff der Strafsachen die erwähnten cständigen Senate für diec || S. 54 PDF || zweiten Instanzen bei den Kollegialgerichtsbehördend aufhören dürfen. Der Justizminister meint, daß alle solche ständigen Senate aufzuhören und die Präsidenten in ihr früheres freies Dispositionsrecht ehinsichtlich der Zuweisung von Rätene zu treten hätten. Auch meint derselbe, daß das Votieren von unten hinauf, welches sich in der Praxis nicht bewährt habe21, bei den Justizbehörden abzustellen wäre und künftig von oben zu beginnen hätte, wodurch den jüngeren Votanten die größere Erfahrung der älteren zustatten käme fund mehr Stabilität in die Entscheidungen gebracht würdef .

Die Ministerkonferenz fand dagegen nichts zu erinnern, daß ein au. Antrag in diesem Sinne erstattet werde22.

XII. Begnadigung des verurteilten Erzpriesters Demeter Petrovic

Derselbe Minister referierte weiter über das Ah. bezeichnete Gesuch des griechisch-nichtunierten Bischofes Schaguna, dann das Gesuch der Lippaer Bürger und Insassen nächst Temesvár um Begnadigung des Demeter Petrović, Erzpriester der Temesvarer Diözese. Demeter Petrović hat in der ungarischen Revolutionsepoche, von dem damaligen ungarischen Kultusminister Michael Horváth zum Administrator der Temesvárer Diözese ernannt, ein Rundschreiben an die Geistlichkeit erlassen, daß sie sich an die Sache des Kossuth anschließen sollen, hat die Dethronisation Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand23 und die Entsetzung des legitimen Bischofs Stankowicz verkündet und sich überhaupt um die Sache der Revolution eifrig angenommen. Er wurde deshalb auf zwölf Jahre verurteilt, welche Strafe er am 19. Februar 1850 angetreten hat. Ein früheres Gesuch desselben wurde im September 1851 mit dem Antrage auf Abweisung vorgelegt24, weil damals es noch nicht an der Zeit zu sein schien, für ihn eine Ah. Gnade in Anspruch zu nehmen. Dieser Grund besteht wegen der kurzen Zwischenzeit noch fortan.

Der Justizminister und einverständlich mit demselben die Ministerkonferenz glauben daher, daß bei der spezifischen gefährlichen Tätigkeit des Demeter Petrović als geistlicher Agitator unter den nichtunierten Griechen auch dermal noch nicht die Zeit gekommen sein dürfte, ihn der Ah. Gnade Sr. Majestät gegenwärtig zu halten25.

XIII. Schutz der österreichischen Gewässer in Dalmatien bei KIek und Suttotrina

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Buol-Schauenstein leitete schließlich noch die Besprechung auf die bekannten Verhältnisse der dalmatinischen Landesteile bei KIek und Suttorina zu der Türkei.

Nachdem bei diesem Anlasse diese Verhältnisse, wie sie unter der venezianischen und französischen Regierung von Dalmatien26 bestanden haben und jetzt unter der österreichischen Regierung bestehen, neuerdings erörtert worden sind, wurde bemerkt, daß die Türken zu wiederholten Malen anerkannt haben, daß sie das dortige insbesondere bei Cattaro als geschlossen anzusehende Meer ohne unsere Bewilligung nicht benützen dürfen, indem solche Bewilligungen angesucht und erteilt worden sind und über die von dem vorsitzenden Minister gestellte Frage, was wir zu tun berechtigt sind und wie weit wir gehen sollen, um die neueren Vorgänge in jenen Gewässern – es erscheinen dort selbst fremde Schiffe, um die Tiefe des Meeres zu sondieren etc. – zu verhindern und die Schließung des dortigen Meeres sicherzustellen, wurde sich dahin ausgesprochen, daß von unserer Seite der Status quo und der bestehende Rechtszustand fest aufrechterhalten, derzeit aber noch keine Befestigungen dort vorgenommen werden sollen. Unsere dort stationierten Schiffe sind genau instruiert, wie sie sich in vorkommenden Fällen zu benehmen und wann sie einzuschreiten haben. Dies hindere aber nicht, den General Mamula aufzufordern, sich zu äußern, welche Fortifikationen dort zur Aufrechterhaltung der Schließung des Meeres mit Rücksichtnahme auf deren praktische Ausführung von unserer Seite und auf die allenfällige Rückwirkung dieser Maßregel auf die Türkei nötigenfalls vorzunehmen wären27.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz ]oseph. Wien, den 16. Mai 1852.