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Nr. 4 Ministerkonferenz, Wien, 22. April 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 23. 4.), Bach 24. 4., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 24. 4.; abw. Thinnfeld, Stadion.

MRZ. – KZ. –

Protokoll der am 22. April 1852 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Ungültigkeit der Carta patriotica

Der Minister der Finanzen und des Handels Ritter v. Baumgartner brachte mit Beziehung auf die in dem Ministerkonferenzprotokolle vom 17. d. M. besprochene sogenannte Carta patriotica zur Kenntnis ader Ministerkonferenza, daß nach den demselben von dem Ministerium des Äußern mitgeteilten und eingesehenen Verhandlungsakten über die Übergabe von Venedig von Seite der Staatsverwaltung keinerlei Verpflichtung in Ansehung der Einlösung des genannten Papiergeldes eingegangen wurde, und daß es hiernach bei dem dort nach seinem Antrage vorläufig gefaßten Beschlusse, die Carta patriotica als ungiltig anzusehen, zu verbleiben habe1.

II. Bau der italienischen Zentraleisenbahn

Derselbe Minister besprach hierauf die Verhandlungen über den Bau der italienischen Zentraleisenbahn, welche von Mailand über Piacenza, Parma, Modena, Bologna, dann westlich über Pistoia, Florenz, Siena etc. nach Rom zu gehen hat. Nach den vor seinem Eintritte in das Ministerium bereits geschlossenen Verabredungen sollte Österreich den Bau von Mailand bis an die österreichische Grenze gegen Piacenza übernehmen. Die anderen zur Konkurrenz bei diesem Eisenbahnbaue eintretenden Staaten würden alles andere durch eine Privatgesellschaft herstellen und auch den Bau der Eisenbahn von Mantua nach Reggio auf österreichischem Boden bewerk­stelligen lassen2. || S. 19 PDF || Der Minister Ritter v. Baumgartner hat wegen des Anstandes, welcher darin gefunden wurde, daß man einer italienischen Privatgesellschaft gestatten wolle, von Mantua, einer österreichischen Festung, zu bauen und dadurch diese Festung mit der Gesellschaft in zu nahe Berührung zu bringen, die oberwähnten Verhandlungen reassumieren lassen, deren heute zum Vortrage gebrachtes Resultat folgendes ist: die italienische Gesellschaft hat die ungefähr 70 Millionen Lire kostende Bahn zu bauen. Die Zinsen von diesem Kapital sollen von den betreffenden Regierungen proportionell zu den auf ihren Territorien befindlichen Eisenbahnstrecken mit 5% garantiert werden. Österreich baut selbst außer der oberwähnten Strecke von Mailand nach Piacenza auch jene von Mantua bis an den Po und so weit, bis die Bahn außer den Bereich der Festung gelangt. Von diesem Punkte an aber wäre der Eisenbahnbau der Privatgesellschaft zu überlassen, weil es wünschenswert erscheint, daß die fremde Gesellschaft ein Stück der Bahn auf österreichischem Grunde baue und Österreich sich dadurch eine Stimme bei den Verhandlungen der Gesellschaft hinsichtlich der weiteren Trassierungen der Bahn usw. wahre. Wie der Bau der Bahnhöfe in der Nähe bdes Po und der Festung Piacenzab zu geschehen und welche militärischen Vorsichten dabei einzutreten haben, wurde den Militärautoritäten vorbehalten.

Gegen die in dieser Art Sr. Majestät vorzulegenden Anträge fand die Ministerkonferenz nichts zu erinnern3.

III. Verlautbarung der Wirkungskreise der Ministerien

Gegen den im Auftrage des vorsitzenden Ministers Grafen Buol-Schauenstein von dem Kanzleidirektor der Ministerkonferenz vorgelesenen Entwurf des au. Vortrages wegen Ah. Gestattung der Verlautbarung der Wirkungskreise der Ministerien ergab sich keine Erinnerung4.

IV. Modifizierung der in den Patenten etc. üblichen Formel: „Nach Anhörung des Ministerrates etc.“

Da die bei den Ah. Patenten und kaiserlichen Verordnungen übliche Formel: „Nach Vernehmung des Ministerrates und Anhörung des Reichsrates“ seit der Ah. Erlassung der Kabinettsschreiben vom 20. August 1851 und unter den gegenwärtigen Verhältnissen5, wenigstens was den ersten Teil dieser Formel anbelangt, nicht mehr angemessen erscheint, so hat der vorsitzende Minister es übernommen, sich in einem au. Vortrage die Ah. Weisung Sr. Majestät zu erbitten, was an die Stelle jener Formel zu setzen und wie sich überhaupt künftig in solchen Fällen zu benehmen wäre6.

V. Personalzulage für Professor Karl Kuzmány

Dem Antrage des Ministers des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Grafen Thun , dem an der hiesigen protestantischen theologischen Lehranstalt mit 1800 f. Gehalt und dem Vorrückungsrechte in 2000 f. angestellten Professor Kuzmany, welcher ein sehr verdienstlicher Mann und in kirchlichen und politischen Sachen gleich verläßlich ist, sich als Pastor in Nordungarn während der letzten ungarischen Revolution sehr gut benommen hat, und dem die Sorge für eine zahlreiche Familie obliegt, eine Personalzulage von 200 f. auf solange zu erwirken, bis er in das höhere Gehalt von 2000 f. einrückt, wurde gegenwärtig auch von dem Finanzminister Ritter v. Baumgartner, obgleich sich das Finanzministerium früher dagegen erklärt hatte, beigestimmt7.

VI. Gnadengabe für die Schullehrerswitwe Mayer

Ebenso erhielt der weitere Antrag des Ministers Grafen Thun die Zustimmung der Ministerkonferenz, für die Witwe des Schullehrers Ignaz Mayer, welcher zwölf Jahre auf einer Religionsfondsherrschaft sehr gut gedient hat, in der ungarischen Revolution gefangengenommen, zum Tode verurteilt, von den österreichischen Truppen aber befreit wurde und bald darauf an der Cholera starb, eine Gnadengabe von 60 f. und für jedes ihrer drei Kinder einen Erziehungsbeitrag von 12 f. jährlich zu erbitten8.

VII. Vorarbeiten zur Bearbeitung mehrerer Gegenstände: Geschäftsordnung der Ministerkonferenzen, Jagd- und Waffengesetz etc

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte zur vorläufigen Kenntnis der Ministerkonferenz, daß bei ihm nachstehende Gegenstände beraten und zur weiteren Vorlage vorbereitet erliegen, als: die Geschäftsordnung über die Ministerialkonferenzen, die Verordnung, welche Flaggen und Fahnen bei feierlichen Gelegenheiten aufgestellt werden dürfen, dann das Jagdgesetz und das damit in Verbindung gebrachte Waffengesetz. Er werde diese Entwürfe nun lithographieren lassen, sie sodann unter den Ministern verteilen und in einer der folgenden Ministerkonferenzsitzungen zum Vortrage bringen9.

VIII. Gebühren der bei der Konskriptionsrevision verwendeten Offiziere

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich referierte hierauf über eine Meinungsdifferenz zwischen seinem und dem Finanzministerium. Er bemerkte, daß im Jahre 1850 eine Konskriptionsrevision vorgenommen werden mußte, und daß die Landesmilitärkommanden damals den Offizieren, obwohl sie keine eigentliche Konskription yorzunehmen hatten, Remunerationen und halbe Diäten bewilligt haben, womit sich die Ministerien des Inneren und des Krieges einverstanden erklärt hatten10. Im Jahre 1829 sei eine neue Konskription vorgenommen worden11, im Jahre 1846 habe die letzte Revision stattgefunden, und diese mußte im Jahre 1850 wegen der mittlerweile ins Leben gerufenen neuen Einteilung || S. 21 PDF || der Bezirke in den Kronländern wiederholt werden, wodurch diese Arbeit gleichsam als eine neue Konskription erschien12. Das Finanzministerium erklärte sich gegen jene Zulagen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: die Zulagen seien bisher nur bei neuen Aufnahmen der Bevölkerung zugestanden worden, was jene vom Jahre 1850 nicht war. Den Konskriptionsoffizieren stehe hinsichtlich des Bezuges jener Zulagen kein Recht zur Seite. Das Jahr 1829, in welchem wegen der neuen Grundlage besondere Schwierigkeiten zu überwinden waren, könne für das Jahr 1850 nicht als maßgebend angenommen werden. Und selbst im Jahre 1829 waren die Zulagen auf einen Ah. speziellen Gnadenakt Sr. Majestät gegründet13, woraus sich keine Folgerung für das Jahr 1850 ableiten lasse. Der Kriegsminister erinnerte dagegen, daß im Jahre 1850 dem Namen nach zwar keine neue Konskription vorgenommen wurde, daß sie es aber der Wesenheit nach wegen der ganz neuen Bezirke, wegen der neuen Beamten und der dabei eingetretenen Schwierigkeiten wirklich war, und die Mühewaltung der Offiziere dabei wie bei einer neuen Aufnahme angesehen werden kann. Die Offiziere haben zwar kein Recht auf diesen Bezug, aber dessen Bewilligung erscheine bei einer gemischten politisch-militärischen Mühewaltung im hohen Grade billig. Es sei in der Absicht des Kriegsministers gelegen gewesen, für diesen Bezug auch diesmal, wie es im Jahre 1829 geschehen, einen Gnadenakt Sr. Majestät zu erbitten, er wollte aber nur zuvor noch mit dem Finanzministerium Rücksprache darüber pflegen. Die Bewilligung jenes Bezuges erschien auch deshalb notwendig, um die Offiziere bei ihrer Arbeit soviel möglich unabhängig von den Gemeinden zu stellen, demzufolge für den Hauptmann 1 f. 39 Kreuzer und für einen subalternen Offizier 1 f. täglich angetragen werde, was eine Gesamtauslage von ungefähr 30.000 f. verursache.

Der Finanzminister beharrte bei der oben ausgesprochenen Meinung des Finanzministeriums. Bei der hierüber stattgefundenen Abstimmung vereinigten sich die Minister Dr. Bach, Ritter v. Krauß und Graf Thun, somit die Majora, mit dem referierenden Kriegsminister Freiherrn v. Csorich, welcher nun in diesem Sinne den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten wird14.

IX. Wiedereinführung der körperlichen Züchtigung in den Straf- und Inquisitionshäusern

Im Mai 1848 wurden mehrere in dem Strafgesetzbuche enthaltene Verschärfungen der Strafe, und darunter die wesentlichste, nämlich die körperliche Züchtigung, aufgehoben15. Die Folge davon war: Demoralisation in den Straf- und Inquisitionshäusern überhaupt, besonders aber hier in Wien, Verhöhnung des Aufsichtspersonals, Beschimpfung der Polizeiwache, Beleidigung und Mißhandlung der Ärzte u. dgl. Der Justizminister und der Minister des Inneren haben || S. 22 PDF || zum Behufe der Beseitigung dieser Übelstände Untersuchungen eingeleitet und im Korrespondenzwege darüber verhandelt. Das Resultat dieser Verhandlung ist, daß mit allen Surrogaten für die abgeschaffte körperliche Züchtigung (Dunkelarrest, Fasten u. dgl.) dem Übelstande nicht abgeholfen werden kann und es notwendig erscheint, die körperliche Züchtigung in den Inquisitions- und Strafhäusern wieder einzuführen, worauf alle Unterbehörden antragen und um was selbst die Sanfteren, Ordentlichen und Reumütigen in den Straf- und Inquisitionshäusern baten16.

Der Justizminister Ritter v. Krauß trägt daher auf die Ah. Gestattung an, daß die körperliche Züchtigung als Disziplinarstrafe in den Inquisitions- und Strafhäusern, unter den in seinem au. Vortrage enthaltenen Einschränkungen (daß dabei keine Willkür stattfinde, daß höchstens 20 Stockstreiche nach vorausgegangener ärztlicher Untersuchung und gepflogener Beratung gegeben werden dürfen, daß diese Strafe nur bei grober wörtlicher oder tätlicher Beleidigung einzutreten habe, daß die Männer mit dem Stocke, die Weiber und junge Männer unter 18 Jahren mit der Rute gezüchtigt werden sollen, usw.) wieder eingeführt werde, welchem Antrage die sämtlichen Glieder der Ministerkonferenz beistimmten17.

X. Advokatenordnung für Ungarn

Schließlich las der Justizminister die noch übrigen Paragraphe des hier angeschlossenen Entwurfes der Advokatenordnung für Ungarn, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen, das Temescher Banat und die serbische Woiwodschaft mit Ausnahme der Militärgrenze, und zwar vom § 63 (alt) bis zu Ende, dann das zehn Absätze enthaltende Kundmachungspatent zu diesem Gesetze vor, worüber nichts zu erinnern gefunden wurde18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 4. Mai 1852.