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Nr. 3 Ministerkonferenz, Wien, 17. April 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 17. 4.), Bach 22. 4., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 22. 4.; abw. Thinnfeld, Stadion.

MRZ. – KZ. 1264 1/2 – (Prot. Nr. 2/1852) –

Protokoll der am 17. April 1852 zu Wien abgehaltenen Ministerkonterenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Behandlung der Carta patriotica in Venedig

Der Finanzminister referierte über die Behandlung der unter der revolutionären Regierung in Venedig ausgegebenen sogenannten „Carta patriotica“1. Nach dem Antrage der mit der Vergutachtung dieser Angelegenheit beauftragten Kommission, welchen der Finanzminister teilte, wäre dieses Papiergeld als von einer illegalen Gewalt ausgegeben ebensowenig als die zur Fondsbildung eingelegten Wechsel anzuerkennen; nur in Ansehung derjenigen amit Zwangsanlehen eingehobenena Beiträge, welche aus Geldern öffentlicher Kassen, insonderheit gerichtlicher Depositen, herrühren, für welche das Ärar überhaupt zu haften hat, wäre eine Ausnahme zu machen2. Vom staatsrechtlichen Gesichtspunkte aus wäre nach dem Erachten des Ministers des Inneren bund der übrigen Ministerb gegen die Nichtanerkennung der Carta patriotica nichts einzuwenden, insofern nicht etwa hierwegen in der Kapitulation von Venedig etwas anderes bestimmt worden wäre. Wie der Finanzminister bemerkte, enthält diese Kapitulation weiter nichts, als daß die Carta patriotica aus dem Umlauf gezogen und die weitere Verfügung darüber vorbehalten werde. Allein der Minister des Inneren glaubte sich zu erinnern, daß in den dem Abschlusse der Kapitulation vorangegangenen Unterhandlungen nähere Bestimmungen über die Carta patriotica enthalten sein dürften, in deren Geiste nunmehr aus Gründen politischer Ehrenhaftigkeit vorzugehen wäre. Um hierüber Gewißheit zu erlangen, wird der Minister des Äußern die bezüglichen Akten an den Finanzminister leiten, welcher sodann nach Einsicht derselben diese Angelegenheit weiter besprechen wird3.

II. Finanzoperationsplan

Dem Finanzminister war von Sr. Majestät eine zwiefache Aufgabe gestellt worden: 1) die Mittel zur Deckung des Defizits im Staatsbudget pro 1852 zu beschaffen, und 2) anzugeben, in welcher Weise den finanziellen Verlegenheiten gründlich abgeholfen und unsere Valuta wiederhergestellt werden könnte4.

Die Aufgabe ad 1) ist bereits gelöst, und die vom Finanzminister hierwegen gemachten Anträge haben die Ah. Genehmigung Sr. Majestät bereits erhalten5. Was zur Lösung der zweiten Aufgabe Sr. Majestät in Antrag zu bringen wäre, setzte der Finanzminister heute in einem längeren Vortrag auseinander. Er bemerkte vor allem, daß die Verbesserung unserer Finanzverhältnisse nicht durch eine plötzliche Reform, sondern mittelst eines sukzessiven, aber konsequenten Vorganges zu erzielen sein werde. Als Mittel dazu erscheint die Erhöhung der Staatseinnahmen bei möglicher Beschränkung der Ausgaben, dann die Herstellung der Silberwährung. Das Defizit pro 1852 ist mit 53 Millionen [fI.] angeschlagen, wird sich aber in der Tat höher stellen. Der Finanzminister rechnet indessen darauf, daß teils durch Einbringung der Steuerrückstände in den ungrischen Ländern, teils durch künftig regelmäßige Einzahlung der direkten Steuern daselbst und durch manche Verbesserung in der Einrichtung der indirekten Besteuerung das jährliche Defizit abnehmen und bis zum Jahre 1857 gänzlich verschwinden werde.

Bis dahin sind zu decken: an jährlichem Defizit zusammen für 5 Jahre 150 Millionen [fl.], an Staatspapiergeld 175 Millionen [fl.], die neue Bankschuld 75 Millionen [fl.]; [zusammen] 400 Millionen [fL], welche somit durch außerordentliche Hilfsmittel aufgebracht werden müssen. Zu diesem Ende gedächte der Finanzminister vorzuschlagen: die Emission von Staatseisenbahnaktien oder, weil dieser Ausdruck wegen der darin liegenden Übertragung des Eigentums vom Justizminister beanständet wurde, Obligationen bis zum Belaufe von 225 Millionen mit 5%iger Verzinsung und Aussicht auf eine Superdividende in jährlich abnehmenden Raten à 55, 50, 45, 40 und 35 Millionen; die Aufnahme eines Silberanlehens im Auslande in jährlichen Raten zu 15 Millionen, zusammen in fünf Jahren von 75 Millionen; und bei fortwährend günstigen Zeitverhältnissen eine Art Zwangsanleihe in der Art, daß jährlich 20 Millionen Staatspapiergeld mittelst Verlosung in 5%ige nach dem Tageskurse zu berechnende Obligationen konvertiert werden, zusammen in den fünf Jahren 100 Millionen; Verhaltung der Nationalbank zur Hinausgabe der Hälfte der noch vorbe­haltenen 50.000 Bankaktien; endlich Ausprägung unseres Silbergeldes mit geringerer Kupferlegierung, um ausländischen Münzen den Reiz zu benehmen, unser Silbergeld als Legierungsmetall || S. 17 PDF || ihren Münzsorten beizusetzen. Sind alle diese Maßregeln durchgeführt, so wird zwar mit Ende des Jahres 1857 die Zinsenlast von 58 Millionen durch den Zuwachs von 21 Millionen Zinsen für diese Kreditoperationen auf 79 Millionen gestiegen, der Staat aber durch Erhöhung der Einnahmen und Herstellung der regelmäßigen Valutaverhältnisse imstande sein, diese erhöhte Auslage zu tragen. Schließlich bemerkte der Finanzminister, daß er über dieses sein Projekt vorläufig mit dem Reichsratspräsidenten Rücksprache gepflogen und dessen Beistimmung erlangt habe6.

Die anwesenden Minister, von denen sich insbesondere der Minister des Inneren weitläufiger über die Zweckmäßigkeit und Opportunität dieser sukzessiven Maßregeln ausließ, fanden gegen die Anträge des Finanzministers nichts zu erinnern, welcher dieselben sofort Sr. Majestät zur Ah. Schlußfassung unterbreiten wird7.

III. Montierungskosten der k. k. Truppen in den römischen Legationen

In der Unterhandlung über die Auszahlung der auf 3 Millionen fr.c berechneten Verpflegungskosten der k. k. Truppen in den römischen Legationen, welche der päpstlichen Regierung obliegt, dist nach Übereinkommen zwischen den Ministern des Äußern, der Finanzen und des Kriegs der FML. Graf Nobili im vertraulichen Wege ermächtigt wordend, im äußersten Falle auf den Betrag von 1,500.000 fr. herabzugehen8. Da entgegen die k. k. Regierung für die in den Legationen beigeschafften Montierungsstücke 165.000 fr. beiläufig noch zu bezahlen hat, so estellte der Kriegsminister die Anfrage, ob FML. Graf Nobili im gleichen Verhältnissee stellte der Kriegsminister die Anfrage, ob FML. Graf Nobili im gleichen Verhältnisse an dieser Post etwas abzuhandeln versuchen sollte. Es liegt indessen die Zusicherung des Feldmarschalles Graf Radetzky vor, worin dem Lande die Vergütung dieser Montierungskosten, die aus Landesmitteln aufgebracht worden sind, ausdrücklich zugesagt wurde. Unter diesen Umständen würde der Kriegsminister einen Versuch, an dieser liquiden Schuld etwas abzuhandeln, nicht für gerechtfertigt halten. Die übrigen Votanten teilten diese Ansicht, wonach also der Kriegsminister den Gegenstand an FML. Graf Nobili erledigen wird9.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 24. April 1852.