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Nr. 646 Ministerrat, Wien, 5. April 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, bei VIII. nur teilweise anw., BdE. fehlt), Bach 15. 4., Thinnfeld, Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. 1056 – KZ. 1262 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 5. April 1852 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Behandlung der infolge der bevorstehenden Neuorganisierung überzähligen Beamten

Der Ministerpräsident brachte zur Kenntnis des Ministerrates das Ah. Kabinettschreiben vom 5. April 1852 in betreff der Behandlung derjenigen Beamten, welche infolge der bevorstehenden neuen Organisierung entweder dienstlos oder auf minder dotierte Posten werden untergebracht werden.

Die zur Begutachtung dieser Frage Allerhöchst berufenen Minister des Inneren, der Justiz und der Finanzen werden das Erforderliche zum Vollzuge der Ah. Anordnung verabreden1.

II. Trauntaler Kohlenbahn nach Lambach

Der Handelsminister erhielt die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der vorläufigen Konzession zur Errichtung einer Pferdeeisenbahn aus den Trauntaler Kohlenwerken nach Lambach an eine Gesellschaft2.

III. Auszeichnung für August Graf Reigersberg

Die gleiche Zustimmung erhielt der Minister des Inneren zu dem mittelst des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Sr. Majestät zu unterbreitenden Antrage auf Verleihung des Franz-Joseph-Ordens an den vormaligen Münchener Polizeidirektor, nunmehrigen Regierungspräsidenten Grafen Reigersberg3.

IV. Beteiligung des Kaisers beim Aktienverein für inländische Flachskultur

Weiteres erachtete der Minister des Inneren, das Unternehmen des Vereines zur Beförderung der Flachs- und Hanfkultur in Österreich einer allgemeinen Unterstützung Sr. Majestät mittelst Abnahme einiger Aktien à 500 fr. in der Rücksicht empfehlen zu dürfen, weil das Unternehmen, wie der Handelsminister und der Minister für Landeskultur bestätigten, von Wichtigkeit für die Leinenproduktion ist und es sicherlich den besten Eindruck machen wird, wenn Se. Majestät an diesem gemeinnützigen Unternehmen|| S. 632 PDF || Allerhöchstsicha zu beteiligen geruhen. Mit Beistimmung des Ministerrates wird demnach der Ministerpräsident Sr. Majestät den au. Antrag auf Abnahme einiger Vereinsaktien bfür Rechnungb des Ah. Familienfonds erstatten4.

V. Entscheidung der Mack-Ribarzschen Angelegenheit

Die Ah. Entscheidung Sr. Majestät vom 19. v. M., daß die Entschädigungsforderung der Amalia Mack-Ribarz nicht im Rechtswege auszutragen sei, ist dem Minister des Inneren mit der Ah. Weisung zugekommen, das Gutachten zu erstatten, ob und was ihr etwa im Wege der Gnade zugewendet werden dürfte5.

Der Minister glaubte vor allem darauf aufmerksam machen zu müssen, daß diese Angelegenheit nicht vereinzelt aufgefaßt werden könne, indem neben der Ribarz noch mehrere andere Parteien sich befinden, welche gleiche Ansprüche wie sie haben. Die Gesamtsumme des Schadens der dieser Kategorie angehörenden Parteien ist mit 2,392.000 fr. ausgemittelt worden, und da, was immer der Ribarz bewilligt wird, die gleichen Ansprüche von Seite ihrer Kategoriegenossen erweckt, so erscheint die Sache auch finanziell nicht unwichtig. Endlich ist eine eigentliche Entscheidung in dieser Angelegenheit nicht erflossen. Die Entscheidung nämlich, daß sie auf dem Rechtswege nicht auszutragen sei, enthält noch keineswegs den Ausspruch, daß der Bittstellerin auch auf dem administrativen Wege nichts zuerkannt werden könne. Jedenfalls müßte der Erwägung, ob Gründe zu einem Gnadenantrage vorhanden seien, die Entscheidung vorausgehen, daß die Petentin auch im administrativen Wege keine Entschädigung anzusprechen habe. Erst wenn auf diesem Wege entschieden ist, daß kein Ersatz gebühre, könnte von einer Gnadenbeteilung die Rede sein.

Was die Frage betrifft, von wem dieses administrative Erkenntnis zu fällen sei, so bezeichnete der Minister des Inneren hierzu zwar den Statthalter von Niederösterreich und in weiterer Berufung das Ministerium. Allein, da sich gegen die Kompetenz des Statthalters von mehreren Seiten Bedenken erhoben, so glaubte der Minister, daß es am zweckmäßigsten wäre, wenn die in Rede stehenden Ansprüche von einer aus Abgeordneten der Ministerien des Krieges, der Finanzen, der Justiz und des Inneren zusammengesetzten Kommission unter dem Vorsitze des Sektionschefs des letztgenannten Ministerii, Altgrafen Salm, geprüft und gutächtlich der Ah. Entscheidung Sr. Majestät unterzogen würden.

Der Ministerpräsident konnte das Bedenken nicht unterdrücken, welches ihm die Betrachtung aufdrängte, Sr. Majestät die erste Entscheidung einer Parteisache anheimzustellen. Die Eigentümlichkeit des Falles indessen, so wie die Zweifel über die Kompetenz der Behörden zur Entscheidung desselben, bewogen den Ministerrat, dem Antrage des Ministers des Inneren beizutreten, wornach dann zwischen den beteiligten Ministerien die weiters nötigen Einleitungen werden besprochen werden6.

VI. Begnadigungsgesuch

Der Justizminister referierte über das Begnadigungsgesuch der Mutter des wegen Teilnahme an der ungrischen Rebellion unterm 7. März 1850 zum Tode, im Gnadenwege zu zwölfjähriger Schanzarbeit in schweren Eisen verurteilten Ludwig Seunig, gewesenen Advokaten7.

Das 3. Armeekommando hat in Anbetracht der für Seunig sprechenden Milderungsgründe auf die Nachsicht der Hälfte der Strafdauer angetragen8. Da er aber erst seit März 1850 sitzt, mithin noch vier Jahre bis zur Vollstreckung der halben Strafzeit verlaufen müssen, so hielt es der Justizminister für noch nicht an der Zeit, auf diesen Antrag einzugehen, würde jedoch in Berücksichtigung des Umstandes, daß der Verurteilte den besseren Ständen angehörte, auf die Umwandlung der Schanzarbeit in schweren Eisen in einfachen Festungsarrest antragen.

Mit Ausnahme des Kriegsministers und des Ministerpräsidenten, welche sich, da das Armeekommando eine Umwandlung der Strafe nicht beantragte, für die einfache Abweisung des Gesuchs erklärten, traten die übrigen, also mehreren Stimmen dem Einraten des Justizministers bei9.

VII. Begnadigungsgesuch

Gegen dessen Antrag auf Zurückweisung des Begnadigungsgesuchs des seit 1. Jänner 1850 wegen gleichen politischenc Verbrechens auf sechs Jahre verurteilten Geistlichen Johann Pados wurde nichts zu erinnern gefunden10.

Bei diesem Anlasse brachte der Minister des Inneren zur Kenntnis des Ministerrates, daß die Ah. Entschließung über die unterm 27. v. M. vorgelegten letzten Verurteilungen der k. k. Kriegsgerichte in Ungern herabgelangt ist11 und, da darin die Anträge Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht genehmigt wurden, der in der Ah. Entschließung enthaltene Ausdruck „nach dem Gesetze das Amt zu handeln“ für die Vollziehung nicht der gesetzlichen Todes-, sondern der dafür substituierten zeitlichen|| S. 634 PDF || Strafe, ohne die von der Ministerialkommission beantragte weitere Milderung, ausgelegt worden ist12.

VIII. Advokatenordnung für Ungarn etc. (2. Beratung)

Fortsetzung der Beratung der Advokatenordnung für Ungern, Kroatien, Slawonien etc., begonnen mit dem § 3213. In diesem sowie in allen Paragraphen, wo des Generalprokurators erwähnt wird, ist die Hinweglassung desselben mit Rücksicht auf die seither beschlossene Änderung des Gerichtsverfahrens und der Organisation und, wo es nötig, die Substituierung durch den Gerichtspräsidenten angenommen worden.

§ 33 ward ad 3. die Überwachung auch der „Moralität“ des Advokaten angenommen.

§ 38 erhielt den Zusatz, daß über die Sitzungen Protokolle zu führen seien.d

§ 43 wurde von [dem] Minister des Inneren der 1. Absatz von Nr. 2 als zu hart und schikanös beanständet und dieser Anstand von den mehreren Stimmen geteilt, weshalb auch der Justizminister sich zur Hinweglassung desselben von „wenn er etc. bis anzeigt.“ herbeiließ.

Hier verließ der Ministerpräsident Fürst zu Schwarzenberg den Ministerrat.

Auch Nr. 3 dieses Paragraphes beanständete der Minister des Inneren, indem es ihm ebenfalls zu hart schien, einen Advokaten, wenn er etwa zweimal wegen eines Versehens um Geld gestraft worden, sogleich zu suspendieren.

Der Justizminister schlug daher die Streichung der Worte „geringeren“ und die Einschaltung „höchsten Geldstrafe“ vor, mit welcher Fassung sich sodann die mehreren Stimmen vereinigten.

Im § 44 wurde über Antrag des Ministers des Inneren die Berufung des § 43 nebst § 42 aufgenommen.

In Folge der veränderten Gerichtsorganisations- und Verfahrensgrundsätze, insbesondere mit Rücksicht auf den aufgegebenen Anklageprozeß, haben die folgenden Paragraphe, mit Ausnahme des § 45, 55, 58, 60, 61 und 62, neu bearbeitet werden müssen. Der Justizminister las die neu redigierten Paragraphe sowie die beibehaltenen 45, 55, 58, 60–62 vor, welche unverändert angenommen wurden.

Bei § 63 wurde die Beratung abgebrochen, nachdem die Meldung von dem dem Ministerpräsidenten zugestoßenen Schlaganfalle und von dessen bald darauf erfolgten Ableben gekommen war13.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 24. April 1852.