MRP-1-2-05-0-18520329-P-0643.xml

|

Nr. 643 Ministerrat, Wien, 29. März 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), Bach 1. 4., Thinnfeld 31. 3., Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner 2. 4.; abw. Stadion.

MRZ. 961 – KZ. 1258 ½ –

Protokoll der am 29. März 1852 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Auszeichnung für Wenzel Rudolff

Mit dem Antrage des Finanz- und Handelsministers Ritters v. Baumgartner , für den ausgezeichneten Rechnungsrat der k. k. Staatskredits- und Zentralhofbuchhaltung Wenzel Rudolff, welcher die schwierigen Formularien für die Grundentlastung, die Instruktionen für die Grundentlastungsbehörden und andere wichtige Organisierungselaborate neben seinen sonstigen ämtlichen Geschäften ohne Abbruch für dieselben verfaßt hat, das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erbitten, erklärte sich der Ministerrat vollkommen einverstanden1.

II. Strafbestimmung für Verleitung von Militärpersonen zum Treuebruche

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich referierte sodann über den von der Kommission zur Revision der Militärstrafgesetze vorgelegten Entwurf zu einem Gesetze über die strafgerichtliche Behandlung jener Individuen, welche Militärpersonen zum Treubruche oder zu sonstiger Verletzung ihrer Dienstpflicht zu verleiten suchen2.

Derselbe bemerkte, daß zwar unterm 31. Dezember 1849 für alle Kronländer, in welchen das Strafgesetzbuch vom 3. September 1803 besteht, eine kaiserliche Verordnung erlassen worden sei3, worin eine Strafbestimmung für jene Zivilpersonen festgesetzt wurde, die sich der Verführung eines Soldaten zur Verletzung der in dem Fahneneide beschworenen Treue oder zur Auflehnung gegen die Militärvorgesetzten oder die allgemeine Dienstordnung schuldig machen.

Nachdem aber diese Verordnung nicht als ausgiebig genug erkannt wurde und die Erscheinungen der neuesten Zeit den Beweis liefern, daß die Partei des Umsturzes alles daran setzte, durch die allmählige Verführung der Truppen ihren Zweck zu erreichen, es daher unabweislich notwendig wird, solchen ruchlosen Versuchen einen möglichst kräftigen Damm entgegenzusetzen, so hielt es der Kriegsminister für seine dringende Pflicht, die oberwähnte kaiserliche Verordnung einer Revision zu unterziehen.

Die wahrgenommenen Mängel dieser Verordnung sind folgende:

1. wurde in derselben nicht verfügt, daß diejenigen Individuen, welche es auf die Verleitung von Militärpersonen zur Verletzung ihrer Pflicht absehen, den Militärgerichten zur|| S. 621 PDF || Untersuchung und Aburteilung überlassen werden. Diese Bestimmung sei aber notwendig, wenn von dem Gesetze überhaupt ein wirksamer Erfolg erwartet werden soll, weil die Militärgerichte in der Lage sind, dergleichen mit dem Militärdienste in enger Beziehung stehenden Fälle richtiger als die Zivilinstanzen zu beurteilen, und von den Militärgerichten eine strengere Handhabung dieses Gesetzes erwartet werden kann;

2. schien dem Kriegsminister die in der erwähnten kaiserlichen Verordnung angedrohte Strafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr für die gegenwärtige Lage der Dinge und für den Zweck, den das Gesetz zu erreichen beabsichtiget, viel zu gelinde; und

3. hielt er es für notwendig, dem Gesetze eine größere Ausdehnung, nämlich auch auf die Verleitung zur Desertion, zum Ungehorsam usw. zu geben, indem auch durch eine auf diese Militärpflichten abzielende Verführung der Mannschaft der in der Regel hochverräterische Zweck des Verführers erreicht werden kann.

Durch die gegenwärtig in Antrag stehende Verordnung sollen die genannten Mängel beseitiget werden.

Diese Verordnung steht in Verbindung mit dem revidierten Strafgesetzbuche, indem in einem Paragraphe desselben (§ 222) gesagt wird, wer sich in Beziehung auf Soldaten der Verhehlung oder sonstiger Begünstigung eines Deserteurs, der Verleitung eines Soldaten zur Desertion oder einer anderen Verletzung des Fahneneides oder zur Auflehnung schuldig macht, wird von den Militärgerichten nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften untersucht und bestraft.

Bei der mit dem Justizminister über die neue Verordnung gepflogenen Rücksprache erklärte sich derselbe damit einverstanden.

Der Kriegsminister las hierauf den sieben Paragraphe enthaltenden Entwurf des neuen Gesetzes vor, gegen dessen Bestimmungen von keiner Seite eine Erinnerung erhoben wurde; nur wurde allgemein als zweckmäßig erkannt, daß dasselbe in Form eines Ah. Patentes erlassen werde, dessen Wirksamkeit dann a14 Tage nach erfolgtera Einschaltung desselben in das Reichsgesetzblatt beginnen würde4.

III. Stand der Dinge an den dalmatinischen Grenzen

Der Kriegsminister brachte weiter zur Kenntnis des Ministerrates, daß nach einer ihm zugekommenen Anzeige des Landesmilitärkommandos in Zara keine weiteren Besorgnisse bestehen, daß die Grenzen von den Türken werden überschritten werden5.

IV. Regelung des Vereinswesens (2. Beratung)

Der Minister des Inneren Dr. Bach nahm hierauf seinen, in einer früheren Ministerratssitzung begonnenen Vortrag über die Reglung der gesetzlichen Bestimmungen für Privatvereine wieder auf6.|| S. 622 PDF ||

Nach der Lesung des 1. Paragraphes bemerkte der Minister Ritter v. Baumgartner , daß er bei dem Umstande, wo die Begriffe des Vereines und der Gesellschaft in der Übung nicht scharf gesondert sind, in der inneren Bedeutung aber dasselbe aussagen, diesen Paragraph dahin textieren würde: „Privatvereine sind nach den Rechtsgrundsätzen zu behandeln, welche das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für Gesellschaften festsetzt.“ Dieser Paragraph gab zu einer längeren Besprechung Anlaß, infolge welcher man sich endlich darin einigte, die darin enthaltene Bestimmung einstweilen zu übergehen und am Schlusse der Beratungen über das vorliegende Gesetz selbe wieder aufzunehmen, wo es sich dann zeigen werde, ob dieser Paragraph, da dessen wesentlicher Inhalt als in anderen Artikeln dieses Gesetzes enthalten angenommen werden dürfte, nicht etwa ganz wegbleiben könnte.

§ 2, lit. c, erste Zeile, ist statt des Wörtchens „der“ das Wörtchen „von“ zu setzen, damit die hier enthaltene Bestimmung nicht etwa auf den Bau oder die Erhaltung der schon bestehenden Eisenbahnen, Brücken usw. allein bezogen werde.

Die Absätze d und e sind in einen in folgender Art zu verbinden: „Für die Unterhaltung einer regelmäßigen Transportverbindung zwischen zwei oder mehreren Orten zu Wasser oder zu Land überhaupt, für Dampfschiffahrtsunternehmungen insbesondere.“

Lit. f (für Telegraphenunternehmungen) hat wegzubleiben, weil es den Privaten nicht erlaubt ist, Telegraphenlinien zu errichten, deren Bau dem Staate allein vorbehalten wurde.

Lit. h hat zu lauten: „für Landbewässerungs- und Entwässerungsunternehmungen“.

§ 3. Hier kam die Hauptfrage zur Erörterung, was für ein Prinzip für die giltige Entstehung von Vereinen in Anwendung zu kommen hätte.

Der referierende Minister Dr. Bach erklärte sich für die Bewilligung der Staatsverwaltung als Prinzip.

Nach seiner Ansicht, welcher auch der Ministerrat beipflichtete, wären die §§ 3 und 2 in einen zusammenzuziehen und in dem neuen Paragraphe auszusprechen, welche Vereine der besonderen Bewilligung der Staatsverwaltung bedürfen.

Die gegenwärtig in dem § 3 enthaltenen Bestimmungen, daß die Bewilligung der Staatsverwaltung erforderlich sei für Vereine, wenn sie nach einer verabredeten (Statut, Vortrag oder wie immer benannten) Gesellschaftsregel in der Art eingegangen werden sollen, daß der Eintritt in den Verein, ohne Beschränkung auf die ursprünglichen Teilnehmer, auch anderen, welche die festgesetzten Bedingungen erfüllen und sich der gesellschaftlichen Regel unterwerfen, gestattet ist, dann, wenn das für die Unternehmung, die der Verein bezweckt, nötige Kapital ganz oder zum Teile durch Aktien (hier wäre die Definition von Aktien wegzulassen) aufgebracht werden soll etc., wären voranzustellen, und denselben hätten die gegenwärtig im § 2 aufgenommenen mit den obigen Modifikationen zu folgen und allenfalls noch andere angereiht zu werden, bei denen eine besondere Bewilligung als notwendig erkannt wird.

Für die Erteilung solcher besonderen Bewilligungen wären die Bestimmungen des § 7 und der folgenden maßgebend.

Für alle anderen Vereine, wenn sie Statuten haben, wäre die Bewilligung der Statthalterei erforderlich. Hierdurch würden diese Vereine in der Art der Bewilligung leichter behandelt als die andern; die Prüfung der vorgelegten Statuten und die Erteilung der Bewilligung|| S. 623 PDF || hätten nur den allgemeinen Zweck, zu erörtern, ob der Verein nichts Gemeinschädliches enthalte und nicht spezifischen Staatsinteressen entgegen sei.

Der Minister Graf Thun erklärte sich im wesentlichen gleichfalls mit der spezifischen Aufzählung jener Vereine einverstanden, für welche eine besondere Bewilligung der Staatsverwaltung erforderlich sein soll, nur würde er aus dem gegenwärtigen § 2 auch die Vereine für die Beförderung der Wissenschaften und Künste, dann für Bewässerungs- und Entwässerungsunternehmungen auslassen, für welche ihm eine besondere Bewilligung der Staatsverwaltung nicht immerb notwendig zu sein scheint. Was dagegen die übrigen Vereine anbelangt, welche von der Bewilligung der Statthalterei abhängig gemacht werden wollen, würde er eine solche Bewilligung gleichfalls nicht für notwendig und für vollkommen zureichend erkennen, wenn angeordnet würde, daß solche Vereine etwa 14 Tage vor ihrem Beginne lediglich die Anzeige an die Statthalterei zu machen haben. In der diskretionären Gewalt dieser letzteren läge es dann noch immer, den Verein, wenn man in dessen Statuten etwas Gemeinschädliches entdecken würde, nicht ins Leben treten zu lassen, und alle sonstigen mit der Bewilligung verbundenen Weitläufigkeiten und Zeitverluste blieben beseitiget.

Der Minister des Inneren Dr. Bach behielt sich vor, in der oben angedeuteten Art und wenn auch noch über die anderen Hauptgrundsätze des vorliegenden Gesetzes entschieden sein wird, eine neue Redaktion desselben vorzunehmen7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 6. April 1852.