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Nr. 642 Ministerrat, Wien, 26. März 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), Bach 2. 4., Thinnfeld 29. 3., Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner 31. 3.; abw. Stadion.

MRZ. 937 – KZ. 1055 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 26. März 1852 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Verzugszinsen der Kühtreiberschen Hofquartierentschädigungen

In Ansehung der Verzugszinsen, welche, Zeuge des Vortrags v. 8. d. [M.], MRZ. 782, von der den Kühtreiberschen Erben von ihrem Hause Nr. [931] in der Ballgasse zu zahlenden Hofquartiers­entschädigung zu entrichten sind1, besteht zwischen dem Minister des Inneren und jenem der Finanzen die Differenz, daß, während ersterer jene Verzugszinsen nur für die letzten drei Jahre zugestehen will, letzterer dieselben als vom Tage der verlangten Zahlung an gebührend erkennt. Der Minister des Inneren erklärte sich nunmehr mit dieser letzteren Ansicht aus den vom Finanzminister angeführten Gründen und vorzüglich darum einverstanden, weil in früheren Fällen den Bewerbern ähnliche Zugeständnisse gemacht worden sind.

Der Ministerrat fand gegen den sonach einhelligen Antrag der beiden Minister nichts zu erinnern2.

II. Behandlung der auswandernden Bosnier

Wurden vom Minister des Inneren sowie vom Kriegsminister die Berichte über den Übertritt bosnischer Flüchtlinge zuerst in die Militärgrenze und, nachdem sie dort waren zurückgewiesen worden, nacher Dalmatien vorgelesen3 und die Frage besprochen, ob, wenn neue Flüchtlinge sich der Militärgrenze zuwenden, dieselben wieder abgewiesen und ob den bereits in Dalmatien Aufgenommenen die gebetene Ansiedlung im Banate gestattet werden soll.

Man erklärte sich in aersterer Beziehung für die verneinende, in letzterera für die bejahende Ansicht und wird, was die Militärgrenze betrifft, vom Kriegsminister das Erforderliche|| S. 617 PDF || an den Banus erlassen4, in betreff der Ansiedlung zwischen den Ministern des Inneren und der Finanzen die weitere Rücksprache gepflogen5 und in bezug auf die Einstellung der Christenverfolgung in Bosnien vom Minister des Äußern im Wege der k. k. Internuntiatur das nötige Einschreiten bei der Pforte gemacht werden6.

III. Einlösung der Gloggnitzer Bahn

Der Finanz- und Handelsminister brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß er wegen Einlösung der Wien-Gloggnitzer Bahn für den Staat mit der Direktion bereits vorläufig in Unterhandlung getreten und daß von dieser behufs der endgültigen Entscheidung die Generalversammlung der Gesellschaft einberufen worden sei7. Um nun dieser Generalversammlung eine bestimmte Grundlage zur diesfälligen Verhandlung zu verschaffen, gedenkt der Handelsminister behufs Feststellung dieser Unterhandlungsbasis eine Kommission aus Abgeordneten seiner beiden Ministerien und dem Komitee der Gesellschaftsdirektion zusammen zu berufen und sich hierzu die Ah. Ermächtigung zu erbitten8.

Der Justizminister referierte über nachstehende Begnadigungsgesuche:

IV. Begnadigungsgesuch für Gabriel Mihaly

des Majors Giacinto Giberti für den wegen Hochverrates zu sechsjährigem Kerker verurteilten ehemaligen Vizegespan Gabriel Mihaly, welcher erst ein Jahr in der Strafe ist, und für den keine besondern Rücksichten sprechen9;

V. Begnadigungsgesuch für Gotthard Grafen Kuun de Osdola

der Gräfinnen Kornis und Haller v. Hallerkeö für den wegen desselben Verbrechens zum Tode verurteilten, auf sechsjährigen Kerker begnadigten, erst acht Monate sitzenden Grafen Gotthard Kuun − mit dem Antrage auf Abweisung10, endlich

VI. Begnadigungsgesuch für Joseph Roberti

des Priesters Joseph Roberti, welcher bloß wegen Besitzes einiger 1848er italienischer revolutionärer Plakate und Flugschriften zu dreijährigem Arrest verurteilt worden ist, bereits fast ein Jahr insitzt – mit dem Antrage auf Nachsicht des Strafrestes, nachdem das Benehmen des Bittstellers während der Revolution selbst tadellos war.

Gegen diese drei Anträge fand der Ministerrat nichts zu erinnern11.|| S. 618 PDF ||

Desgleichen war er einverstanden

VII. Appellationsratstitel für Adolf Reyer

mit dem Antrage auf taxfreie Erwirkung des Titels eines k. k. Oberlandesgerichtsrates an den Venediger Merkantilgerichtsrat Adolf Reyer12.

VIII. Orden für Anton Bordoni

Handelt es sich um eine Auszeichnung für den in Ruhestand tretenden Professor der Geodäsie etc. Anton Bordoni in Pavia, welcher nicht nur als Gelehrter, sondern auch als gut österreichischer Patriot gerühmt wird.

Der Statthalter und Feldmarschall Graf Radetzky tragen auf Erwirkung des Franz-Joseph-Ordens-Ritterkreuzes an ihn an. Da er jedoch bereits Ritter III. Klasse des im Range höheren Eisernen Krone-Ordens ist, so erachtete der Unterrichtsminister , daß es angemessen sein dürfte, für diesen Professor auf den nächsthöheren Ordensgrad bei Sr. Majestät einzuschreiten13.

IX. Verdienstkreuz für Joseph Dieffenbach

Beantragte derselbe Minister die Erwirkung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone für den in seinem Berufe durch seltene Kenntnisse und Tätigkeit ausgezeichneten botanischen Gärtner des hiesigen k. k. botanischen Gartens, Joseph Dieffenbach.

Mit beiden Anträgen war der Ministerrat einverstanden14.

X. Militärbefreiung für Schulpräparanden

Dagegen wurde über Antrag des Ministers des Inneren und des Kriegswesens beliebt, die Frage über die vom Unterrichtsminister dringend gewünschte Militärbefreiung der Schulpräparanden bei der Beratung des seiner Vollendung entgegensehenden neuen Rekrutierungsgesetzes wieder aufzunehmen, nachdem dieselbe für die eben vollendete heurige Rekrutierung ohnehin von keiner Bedeutung mehr sein kann und die Zulassung spezieller Ausnahmen überhaupt nicht ratsam ist15.

XI. Advokatenordnung für Ungarn, Kroatien und Slawonien etc. (1. Beratung)

Zum Schlusse wurde mit der Beratung des Entwurfs einer Advokatenordnung für Ungarn, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen, das Temescher Banat und die serbische Woiwodschaft – mit Ausnahme der Militärgrenze – begonnen und davon die §§ 1 – 15 des meritorischen Teils, mit Vorbehalt der nachträglichen Erörterung des Einführungspatents, angenommen.

Hierbei ergaben sich folgende Bemerkungen:

Zu § 2 d glaubte der Unterrichtsminister , daß bdie Kenntnis der deutschen Sprache nicht gesetzlich vorzuschreiben sei. Es könne nicht in Abrede gestellt werden, daß ein Advokat, auch ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein, ungarische Parteien entsprechend zu vertreten befähigt sein könne. Ein unabweisliches praktisches Bedürfnis sei daher die Kenntnis der deutschen Sprache nicht für jeden Advokaten. Solle aber durch die angetragene Bestimmung auf die Verbreitung der Kenntnis dieser Sprache hingewirkt werden, so dürfte gerade dieser Zweck dadurch nicht gefördert werden. Ohne gesetzlichen Zwang werde das eigene Interesse die Advokaten veranlassen, durch Erlernung der deutschen Sprache sich auch die Befähigung zur Vertretung der Parteien in dieser Sprache zu erwerben. Der gesetzliche Zwang werde aber nur dazu dienen, Widerstand hervorzurufen und dadurch den natürlichen Fortschritt aufzuhalten und nationaler Agitation neue Nahrung zu geben.b die Kenntnis der deutschen Sprache nicht gesetzlich vorzuschreiben sei. Es könne nicht in Abrede gestellt werden, daß ein Advokat, auch ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein, ungarische Parteien entsprechend|| S. 619 PDF || zu vertreten befähigt sein könne. Ein unabweisliches praktisches Bedürfnis sei daher die Kenntnis der deutschen Sprache nicht für jeden Advokaten. Solle aber durch die angetragene Bestimmung auf die Verbreitung der Kenntnis dieser Sprache hingewirkt werden, so dürfte gerade dieser Zweck dadurch nicht gefördert werden. Ohne gesetzlichen Zwang werde das eigene Interesse die Advokaten veranlassen, durch Erlernung der deutschen Sprache sich auch die Befähigung zur Vertretung der Parteien in dieser Sprache zu erwerben. Der gesetzliche Zwang werde aber nur dazu dienen, Widerstand hervorzurufen und dadurch den natürlichen Fortschritt aufzuhalten und nationaler Agitation neue Nahrung zu geben.

Allein sowohl der Justiz- als der Minister des Inneren erklärten sich auf das entschiedenste für die Aufrechthaltung der ausdrücklichen Forderung der Kenntnis der deutschen Sprache, da sie als die offizielle Sprache der Zentralregierung jedem in öffentlicher Funktion Stehenden bekannt sein muß und das Abgehen davon zur Unterdrückung des deutschen Elementes in Hungarn führen würde.

Zum § 3, Absatz 2, beantragte der Minister des Inneren mit Rücksicht auf die analogen Bestimmungen im Strafgesetze, daß der Passus „der einer solchen Übertretung“, d. i. einer Übertretung aus Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit, als von zu großer Tragweite lediglich auf die Übertretungen, so aus Gewinnsucht unternommen wurden, beschränkt werden möge, was mit Beistimmung des Justizministers angenommen wurde.

Im § 4 am Schlusse hätte der Minister für Landeskultur eine stringierendere Fassung gewünscht, nämlich „ist das Obergericht ermächtigt, ihm binnen einer etc. Frist das Aufgeben der Nebengeschäfte zur Pflicht zu machen oder ihm die Advokatur zu entziehen“.

Man glaubte indessen, daß auch in der Textierung des Entwurfs das Recht der Einleitung zur Entziehung der Advokatur liege, wenn der Aufgeforderte weder die unverträglichen Nebengeschäfte aufgibt, noch die Advokatur niederlegt.

Der § 6 wurde über Antrag des Ministers für Landeskultur mit Zustimmung des Justizministers gestrichen, da die Ausführung seiner Bestimmungen ohnehin die Sache des Justizministers ist, dem im § 5 die Verteilung der Advokaten vorbehalten ist.

Nur erachtete der Justizminister , daß dann im § 5 nebst der Verteilung an die verschiedenen Gerichtsorte auch von ihren (der Advokaten) Wohnsitzen Erwähnung zu machen sei.

Die im § 8 erwähnte Eidesformel Nr. 1 wird in einigen Formalien nach den Ah. genehmigten Formularien zu modifizieren sein16.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 6. A pril 1852.