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Nr. 619 Ministerrat, Wien, 28. Jänner 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), Bach 11. 1. [sic!], Thinnfeld 30. 1., Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner 30. 1.; abw. Stadion.

MRZ. 311 – KZ. 406 –

Protokoll der am 28. Jänner 1852 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Forstgesetz

Der Minister für Landeskultur und Bergwesen Edler v. Thinnfeld bemerkte, daß Se. Majestät zu befehlen geruhet haben, unverweilt den Entwurf eines neuen, den möglichst vollständigen Forstschutz bezweckenden Forstgesetzes Allerhöchstdenselben vorzulegen1.

Der Entwurf zu diesem Gesetze, bemerkte der Minister weiter, sei bereits im verflossenen Jahre im Ministerrate vorgetragen und besprochen und bis auf einige Bestimmungen über die Waldservituten nach seinem Antrage angenommen worden. Hinsichtlich dieser Servituten sollte er sich noch mit dem Minister des Inneren ins Einvernehmen setzen. Dieses sei geschehen, und beide Minister haben sich über diesen Gegenstand vollkommen geeiniget. Da hiernach der Entwurf zu einem neuen Forstgesetze zur Vorlage an Se. Majestät reif ist, so wird der Minister v. Thinnfeld denselben nun Ah. Orts vorlegen, wogegen sich keine Erinnerung ergab2.

II. Gesuch des Franz Xaver Freiherrn v. Aichen um Übertragung des Freiherrenstandes

Der Minister des Inneren Dr. Bach referierte hierauf über das Ah. bezeichnete Gesuch des Franz Freiherr v. Aichen, Sektionschefs im k. k. Finanzministerium, um Übertragung des Freiherrnstandes an seinen Adoptivsohn Franz Xaver Ritter v. Mitis, aSohn desa Sektionsrates und Ministerial­kommissärs in Bauangelegenheiten in Ungarn, mit dem Antrage, diese Angelegenheit bei Sr. Majestät zu befürworten, weil beide, der Adoptivvater, welcher seiner Verdienste wegen den St. Stephansorden erhieltb und der Adoptivsohn dieser Ah. Gnade vollkommen würdig erscheinen.|| S. 517 PDF ||

Der Ministerrat stimmte diesem Antrage bei3.

III. Untersuchung gegen Francesco Padovan

Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte hierauf folgenden Gegenstand zum Vortrage: Der Appellationspräsident in Venedig Vinzenz v. Schrott berichtete, daß dem FZM. Grafen Gorzkowski eine anonyme Anzeige gegen den Podestà zu Chioggia Antonio Maccari zugekommen sei, worin gemeldet wird, daß an diesem Tage unter einer bestimmten Adresse ein Brief mit sympathetischer Schrift geschrieben anlangen werde, welcher sehr gravierende Umstände gegen den Maccari enthalten dürfte. Ein solcher Brief kam wirklich an, es wurden Nachsuchungen bei Maccari gepflogen, aber nichts gefunden. Der Umstand, daß der mit der sympathetischen Schrift geschriebene Brief in den Schriftzügen dem anonymen Briefe sehr ähnlich war, leitete den Verdacht auf einen gewissen Francesco Padovan aus Chioggia, welcher auch zur Haft gebracht und dem Kriegsgerichte übergeben wurde.

Es handelt sich nun um die Frage, ob über die Stellung dieses Menschen vor das Kriegsgericht, wie der Appellationspräsident Schrott meint, hinauszugehen oder ob dessen Stellung, da die Verleumdung aus Rachsucht, nicht (wie Hochverrat, Aufruhr etc.) zu den den Kriegsgerichten in dem Ausnahmszustande vorbehaltenen Fällen gehört, vor seinen ordentlichen Zivilrichter zu verfügen sei.

Der Justizminister Ritter v. Krauß erklärte sich für das letztere, weil das Verbrechen der Verleumdung nicht zu den den Kriegsgerichten vorbehaltenen Fällen gehört und das Ministerium nicht berechtiget ist, Ausnahmen von dem Gesetze zu bewilligen, sondern vielmehr die Pflicht hat, das Ansehen des Gesetzes und dessen Aufrechthaltung zu wahren.

Die übrigen Stimmführer waren dagegen der Ansicht, daß, da der Appellationspräsident selbst meint, daß man darüber hinausgehen könne, der Fall dem Kriegsgerichte zu belassen wäre, welches, wenn es finden sollte, daß es inkompetent sei, die Sache wohl von selbst an den Zivilrichter leiten wird4.

IV. Gnadengesuch des Moritz König

Der Justizminister referierte weiter über das Ah. bezeichnete Gesuch der Mutter des Kaplans in der Gemeinde Boglár, Honter Komitates, Moritz König, um dessen Begnadigung beziehungsweise um Nachsicht des Strafrestes.

König wurde von dem Kriegsgerichte als überwiesen erkannt, in böswilliger Absicht im Monate Juni 1849 den Beschluß des Debrecziner Konventes (Trennung Ungarns von der Monarchie) von der Kanzel vorgelesen und erläutert zu haben, und wurde in Berücksichtigung der Furcht und des moralischen Zwanges, in dem er sich befand, zu 15jährigem Festungsarreste verurteilt. Er hat die Strafe am 6. September 1849 (in der Festung Königgrätz) angetreten, sitzt demnach schon zwei Jahre und vier Monate.

König berief sich auf die Zwangslage, in welcher er sich damals befand, und die Gemeinde Boglár, welche sich für ihn gleichfalls verwendet, führt an, daß er, so lange als er es|| S. 518 PDF || vermochte, ihnen die kaiserlichen Verordnungen von der Kanzel bekannt gemacht und erläutert habe.

Es wurde beschlossen, daß der Kultusminister über diesen Gegenstand im unaufsichtigen Wege nähere Erkundigungen insbesondere darüber einzuziehen habe, ob die von König widersprochenen Angaben sich als wahr oder unwahr darstellen5.

V. Gnadengesuch des August Desbordes

Den August Desbordes, welcher am 6. und 7. Mai 1849 den Mord- und Plünderungszug in Siebenbürgen mitgemacht hat und deshalb wegen Teilnahme am Aufruhr vom Kriegsgerichte zu zehn Jahren Festungsarrest verurteilt wurde, dann

VI. Gnadengesuch des Emerich Baranyai

den Emerich Baranyai, welcher ebenfalls wegen Teilnahme an Aufruhr, Mord und Plünderung, dieser aber nur zu vierjährigem Kerker verurteilt wurde, findet der Justizminister zu einem Gnadenantrage bei Sr. Majestät nicht geeignet.

Ihre Gnadengesuche werden demnach mit Zustimmung des Ministerrates abgewiesen6.

VII. Privilegiengesetz (1. Beratung)

Der Minister der Finanzen, dann für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner brachte schließlich den Entwurf eines neuen Privilegiengesetzes zum Vortrage7.

Er bemerkte, daß das gegenwärtige Privilegiengesetz nicht in allen Ländern der Monarchie Geltung habe8, indem es nur für die nicht ungarischen Länder erlassen worden ist. Da mittlerweile die Zwischenzollinie zwischen den verschiedenen Teilen der Monarchie gefallen ist, daher nun die Gefahr besteht, daß die Privilegieninhaber in den Ländern, für die das Privilegiengesetz besteht, durch die Bewohner der anderen Länder, auf welche es keine Anwendung findet, benachteiliget werden könnten, so erscheine es unbedingt notwendig, das Privilegiengesetz auch auf die ungarischen Länder auszudehnen.

Bei diesem Anlasse können auch einige wahrgenommene Mängel des gegenwärtigen Privilegien­gesetzes beseitiget werden.

Über den Entwurf des neuen Privilegiengesetzes, bemerkte der referierende Minister weiter, wurden alle Statthalter und alle Handelskammern vernommen und ihre eingelangten Anträge und Bemerkungen hierorts verglichen und reiflich erwogen.

Das Resultat dieser Erwägungen ist der vorliegende Privilegiengesetzesentwurf.

Der Minister Ritter v. Baumgartner hob hierauf einige Momente heraus, durch welche sich das neue Gesetz von dem früheren unterscheiden wird. Der Zweck des früheren Gesetzes war ein einseitiger, was nun vermieden werden soll. Durch dieses Gesetz wollte man nämlich zu Erfindungen, Entdeckungen, Verbesserungen nur aufmuntern, ohne streng darauf zu sehen, daß diese Erfindungen etc. nach Ablauf der Privilegiumsdauer zum Gemeingute werden. Da jedoch der Staat durch die Erteilung des ausschließenden Benützungsrechtes und die durch dieses Recht Beschränkten nach der Überzeugung des|| S. 519 PDF || Referenten das Recht erlangen, zu fordern, daß nach Ablauf der Privilegiendauer der Gegenstand der Erfindung etc. ein Gemeingut werde, so wurde in dem neuen Gesetze darauf gesehen, daß genau niedergelegt werde, worin das Geheimnis der Erfindung etc. bestehe, um nach Ablauf der Zeit davon Gebrauch machen zu können.

Ein weiteres Gebrechen des früheren Gesetzes war, daß auch auf Entdeckung, Erfindung oder Verbesserung ceiner Form, wie z. B. einer neuen Zeichnung, [ein] Privilegium möglich sein muß. Nach dem allgemeinen bisherigen Privilegiumsgesetze würde dieses zu einer Menge von Inkonvenienzen führenc, weil die Form des Gegenstandes unabhängig von dem Materiale privilegiert war, und wenn z. B. einer eine neue Rosette gezeichnet hat, diese nicht durch Stickerei, Häkeln, Guß u. dgl. wiedergegeben werden dürfte.

Eine weitere Inkonvenienz des früheren Gesetzes war, daß dem Privilegierten kein eigentlicher Schutz erteilt worden ist und er immerfort in Gefahr stand, das Privilegium zu verlieren. Klagte z. B. jemand auf die Verletzung eines Privilegiums und wurde die Beschreibung eingesehen, so dwurde oft behauptetd, daß die Beschreibung nicht so deutlich war, um den Gegenstand darnach nachmachen zu können; alleine, wer drüber zu entschieden habe, war nicht gesagt.

Das neue Privilegiengesetz soll diese und ähnliche Mängel beseitigen. Hierauf wurde die Beratung über die einzelnen Paragraphe begonnen.

Zu § 1 (welcher den Zweck des Gesetzes darstellt) wurde beschlossen, aus dem Eingange das Wort „Urheber“, weil Privilegien auch übertragbar sind, wegzulassen und die weiteren Worte „Fabrikat, Fabrikationsmittel, Fabrikationsmethode“ wegen ihres spezifischen, zu beschränkten Begriffes gegen andere, die Sache allgemeiner bestimmende Worte zu vertauschen.

Hiernach dürfte der Eingang des § 1 ungefähr so lauten: „Gegenwärtiges Gesetz hat zum Zwecke, für eine neue Entdeckung, Erfindung oder Verbesserung, welche ein neues Erzeugnis, ein neues Erzeugungsmittel oder eine neue Erzeugungsmethode zur Folge hat, die ausschließende Benützung derselben für eine bestimmte Zeit zu sichern usw.“

Analog diesem ist im § 2, 4. Zeile und folgende, der Satz „welche ein neues Fabrikat, ein neues Fabrikationsmittel oder eine neue Fabrikationsmethode zur Folge hat“ wegzulassen9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 2. Februar 1852.