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Nr. 615 Ministerrat, Wien, 19. Jänner 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), Bach 21. 1., Thinnfeld 21. 1., Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner, Kulmer 21. 1.; abw. Stadion.

MRZ. 204 – KZ. 66 –

Protokoll der am 19. Jänner 1852 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Rüstungsbedarf der serbischen Regierung

Der Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten brachte einen Bericht des kaiserlichen Generalkonsuls in Belgrad vom 2. Jänner d. J. zum Vortrage, nach welchem der fürstlich serbische Senat beschlossen hat, 10.000 Zündgewehre, zwei Batterien Sechspfünder und vier Haubitzen ohne Lafetten anzukaufen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

Der Fürst Alexander Karageorgiewitsch habe gegen den Generalkonsul den Wunsch geäußert, die obgenannten Armierungsstücke durch die österreichische Regierung beziehen zu dürfen, und fügte die Bemerkung bei, daß er mit der Antwort an den Senat solange zurückhalten würde, bis ihm eine Erwiderung hierüber von der österreichischen Regierung zugekommen sein wird. Ferner stellte der Fürst die ausdrückliche Bitte, sowohl im Falle der Willfahrung als auch, wenn die kaiserliche Regierung nicht geneigt sein sollte, in das Ansuchen einzugehen, in welchem Falle man trachten würde, die gedachten Armierungsgegenstände aus Belgien um jeden Preis zu beziehen, die Sache ganz geheim zu halten. Auch sprach der Fürst die Überzeugung aus, daß der innige Anschluß Serbiens an Österreich in seiner und seiner Regierung Absicht, selbst im Falle eines Krieges mit der Pforte, liege etc.

Nachdem der Ministerpräsident die gegenwärtigen politischen Verhältnisse Österreichs zu Serbien, ihre durch die Tat dargetane Willfährigkeit, die politischen Flüchtlinge auszuweisen, ihr Streben, sich an Österreich enger anzuschließen dargestellt hatte, schloß er mit der Äußerung der Ansicht, daß er nicht abgeneigt wäre, diesem Ansuchen zu entsprechen, daß aber die serbische Regierung vorläufig um die vertrauliche Aufklärung anzugehen wäre, aus welchen Gründen sie das gedachte Kaufgeschäft so sehr geheim gehalten zu werden wünsche, da es an sich schwer sei, den Ankauf einer solchen Menge von Waffen zu verheimlichen, und man die Überlassung auch nicht unternehmen könnte, ohne die traktatmäßige Schutzmacht Serbiens, Rußland, davon in die Kenntnis zu setzen.

Der Ministerrat erklärte sich damit umso mehr einverstanden, als Österreich, wenn es selbst die angesuchte Lieferung nicht übernähme, nicht verhindern könnte, daß Serbien|| S. 493 PDF || sich diesen Bedarf aus Belgien verschaffe, gegen deren Transit durch Österreich die Pforte keine Einsprache erheben könnte, da die Waffen durch Serben im Auslande angekauft sein würden.

Der Ministerpräsident wird diesen Gegenstand Sr. Majestät vortragen, und der Kriegsminister Freiherr v. Csorich behielt sich vor, in der nächsten Ministerratssitzung anzudeuten, in welcher Art die gedachte Waffenüberlassung an Serbien ausgeführt werden könnte1.

II. Neuer Zolltarif; Aufhebung des Getreideeinfuhrzolles

Der Minister der Finanzen und des Handels Ritter v. Baumgartner brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß Fabrikanten aus mehreren Gegenden Böhmens gegen die Einführung des neuen Zolltarifs, welcher übrigens noch nicht zu wirken angefangen hat, über den sie also aus Erfahrung noch nichts sagen können, Bedenken erregen und das Besorgnis aussprechen, daß sie wegen der Teuerung die Arbeitsleute werden entlassen müssen.

Der Statthalter von Böhmen habe aus Anlaß einer Eingabe dieser Fabrikanten den Antrag gestellt, den Einfuhrzoll auf das Getreide auf der sächsischen Seite aufzuheben2.

Der referierende Minister bemerkte, in diesen Antrag nicht eingehen zu können, weil die Gewährung desselben der Anfang von einer Menge ähnlicher Petitionen wäre, weil die Willfahrung nichts helfen würde, indem das Getreide in Sachsen teuerer als in Böhmen ist und aus Böhmen dahin ausgeführt wird, vorzüglich aber darum, weil, wenn auch das Getreide in Sachsen wohlfeiler wäre als in Böhmen, von der Gewährung des Antrags keine Abhilfe käme, da der Zoll von einem Zentner Getreide nur 15 Kreuzer beträgt, was bei zwei Zentnern pro Kopf jährlich, welche als der Bedarf angenommen werden, 30 Kreuzer jährlich oder zweieinhalb Kreuzer monatlich für eine Person ausmacht, daher bei der Frage von einer Arbeitseinstellung nicht wohl in Anschlag kommen kann, und selbst diese geringe Erleichterung nicht den Konsumenten, sondern nur den Spekulanten zustatten käme.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden, wobei der Minister des Inneren nur noch bemerkte, daß eine Arbeitseinstellung aus diesem Anlasse nicht zu besorgen sei, weil, wenn auch die Getreidepreise hoch sind, eine eigentliche Not nicht in Aussicht stehe, und die Arbeit im allgemeinen und großen noch immer hinlänglichen Lohn findet, und bei partieller Arbeitseinstellung Vorschuß oder Unterstützung aus den Staatsmitteln|| S. 494 PDF || rätlicher wären, als das Eingehen in diese Maßregel, was einer Konzession gleichkäme, zumal jetzt, wo der Zolltarif eingeführt werden soll.

Der Minister des Inneren erbat sich eine Mitteilung dieses Gegenstandes von dem Minister der Finanzen und des Handels, um den Statthalter von Böhmen auch seinerseits darnach anweisen zu können, was Ritter v. Baumgartner zu tun versprach3.

III. Gold- und Silberpunzierungstaxe

Derselbe Minister referierte weiter, daß von Seite der hiesigen Gold- und Silberarbeiter der Wunsch ausgesprochen wurde, die Punzierungstaxe herabzusetzen, und auch geringere Gegenstände ihrer Erzeugung der Verifizierung des Gehaltes wegen der Punzierung zu unterziehen4.

Von ausländischen Silber- und Goldwaren, bemerkte der Minister, wird bei uns bis jetzt keine Punzierungstaxe abgenommen, und ihm schiene es geraten, daß wir, wie andere Staaten, das vom Auslande eingeführte Gold und Silber auch der Punzierung unterziehen, welche Punzierung den Entgang aus der die einheimische Industrie erleichternden Herabsetzung der hiesigen Punzierungstaxe wieder ausgleichen würde5. Diese letztere Taxe ist, wie der referierende Minister bemerkte, mit Ah. Bewilligung vom Jahre 1846 auf die Hälfte bereits herabgesetzt worden6, aallein diese Ah. Verfügung sei aus unbekannten Gründen von der allgemeinen Hofkammer nicht in Vollzug gebracht wordena .

Rücksichtlich der Einführung der Punzierung von Gold- und Silberwaren, welche vom Auslande eingeführt werden, wird der Minister Ritter v. Baumgartner mit Zustimmung des Ministerrates sich die Ah. Ermächtigung erbitten7.

IV. Kupferscheidemünzsystem in Italien

Hierauf besprach der Finanz- und Handelsminister die Einführung des Scheidemünzsystems in bezug auf Kupfermünzen in Italien nach dem in den deutschen und slawischen Provinzen bestehenden Systeme8. Er bemerkte, daß in diesen Provinzen früher der Zentner Kupfer auf 108 f. ausgeprägt wurde. Nach dem neuen leichteren, im verflossenen Jahre eingeführten Systeme wird der Zentner Kupfer auf 170 f. 40 Kreuzer, ausgeprägt. Nach diesem Systeme soll nun auch die Kupferscheidemünze in Italien eingerichtet|| S. 495 PDF || werden, und das 5-Centesimi-Stück soll dort das nämliche Gewicht erhalten, wie ein Kreuzer bei uns, und in demselben Verhältnisse die 3- und 1-Centesimi-Stücke.

Hierdurch würde die Ungleichheit der Kupferscheidemünze in den verschiedenen Provinzen aufhören, und es würde dadurch die bwegen Außerkurssetzung der 6-Kreuzer-Stückeb notwendige Vermehrung der kupfernen Münzen in Italien erzielt werden.

Der Ministerrat stimmte bei, daß sich dafür die Ah. Ermächtigung Sr. Majestät erbeten werde9.

V. Auszeichnung für Christian Heinrich Coith und Johann Baptist Benvenuti

Der Minister Ritter v. Baumgartner brachte schließlich einverständlich mit dem Bankgouverneur die Auszeichnung der zwei Bankdirektoren Coith und Benvenuti durch taxfreie Verleihung des Eisernen Kronordens dritter Klasse in Antrag.

Beide, in ihrer Sphäre sehr angesehene Männer, haben durch eine lange Reihe von Jahren die Angelegenheiten der Bank und der Regierung sehr eifrig unterstützt, und, was vorzüglich für ihre Empfehlung spricht, den Bankkredit fast gar nicht benützt.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage vollkommen einverstanden10.

VI. Zulage für die in Kasernen einquartierte auf dem Marsch befindliche Mannschaft

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich bemerkte, daß bei den Märschen der Truppen (ganzer Körper und einzelner Abteilungen) die Einquartierung bei den Bürgern oder Bauern oder aber in Kasernen und Quasikasernen geschehe. Nach dem neuen Bequartierungsreglement cwird für die Mannschaft auf dem Marsche, wenn sie bei den Bürgern oder Bauern einquartiert wird, vom Feldwebel abwärts eine Entschädigung, welche nach der festgesetzten Modalität berechnet wird, dem Quartierträger geleistetc, damit sich der Soldat besser nähren kann und damit der Landmann seine Vergütung leichter erhalte11.

In den Stationen, wo Kasernen oder Quasikasernen sind, wird die auf dem Marsche begriffene Mannschaft in denselben einquartiert, ohne deinen Menagezuschußd zu erhalten12.

|| S. 496 PDF || Der Soldat muß dem Inhaber der Quasikaserne fast seine ganze Löhnung hergeben, ohne sich, bei gleichen Strapazen, ebenso etwas aufbessern zu können, wie die bei den Bürgern und Bauern einquartierte Mannschaft13.

Der Kriegsminister beabsichtiget ewegen dieser ungleichen Behandlung des Soldaten auf dem Marschee bei Sr. Majestät den au. Antrag zu stellen, daß der transennen Mannschaft, welche in Kasernen oder Quasikasernen einquartiert wird und nur ein oder zwei Rasttage hält, ebenso eine Zulage fvon 3 Kreuzernf zuteil werde, wie sie der bei den Bürgern oder den Bauern einquartierten Mannschaft gewährt wird. Bleibt die Mannschaft über zwei Tage, so habe wieder die Regel einzutreten, daß sie für ihre Verpflegung ohne Zulage zu sorgen habe.

Der Kriegsminister fände keinen Grund, warum der zufällig in den Kasernen einquartierten Mannschaft nicht eben die Erleichterung zuteil werden sollte, welche den beim Bürger und Bauern Einquartierten gewährt wird, welche Erleichterung das neue Bequartierungsnormale nur übersehen habe.

Der Finanzminister bemerkte, daß vielmal 3 Kreuzer zu einer sehr großen Summe anwachsen können und daß er, solange nicht die Ziffer der Mehrauslage wenigstens approximativ bekannt ist, sich darüber auszusprechen außer Stande sei. Der Kriegsminister wird demnach, dem Ansuchen des Finanzministers gemäß, diesen Gegenstand schriftlich an den letzteren leiten14.

VII. Militärische Expedition gegen Sulzbach und Oberberg

Der Kriegsminister brachte weiter die günstigen Erfolge zur Kenntnis des Ministerrates, welche die Expedition in Steiermark und Kärnten gegen Sulzbach und Oberberg aus Anlaß der dort vorgefallenen Mißhandlung einiger Gendarmen hatte, und daß außer einem dieses Verbrechens verdächtigen Individuums viele Deserteure, Rekrutierungsflüchtlinge und sonst verdächtige Individuen in Steiermark, Kärnten und Krain eingebracht worden sind15.

VIII. Strafbestimmungen für Beschädigungen an Eisenbahnen, Telegraphen etc

Der Justizminister Ritter v. Krauß bemerkte, daß die Strafbestimmungen für Beschädigungen auf Eisenbahnen, Brücken, Telegraphen etc. in das neu revidierte Strafgesetzbuch aufgenommen worden seien und daß eben deshalb und in der Voraussetzung, daß die Strafen für boshafte Beschädigungen und Diebstähle an den gedachten Objekten in dem Strafgesetzbuche erscheinen werden, in der neuen Eisenbahnbetriebsordnung keine Strafbestimmungen aufgenommen worden sind. Da nun das Eisenbahngesetz nächstens in Wirksamkeit treten soll, das revidierte Strafgesetzbuch aber vielleicht noch längere Zeit ausbleiben dürfte, so hat der Justizminister auf dringendes Ansuchen des Handelsministeriums die in dem Strafgesetzbuche enthaltenen Bestimmungen hinsichtlich der boshaften Beschädigungen an Eisenbahnen, Anlagen etc. in einer besonderen Verordnung zusammengestellt16, welche nun Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung vorgelegt werden und vom 21. Februar 1852 angefangen, dem Tage, an welchem die Eisenbahnbetriebsordnung in Wirksamkeit tritt, Geltung erhalten soll. Diese Verordnung soll für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze erlassen werden.

Gegen den Inhalt dieser zwölf Paragraphe enthaltenden, vom Justizminister vorgelesenen Verordnung ergab sich keine Erinnerung17.

IX. Strafrestnachsicht für Joseph Pfeifer

Derselbe Minister brachte das Gesuch der Klara Pfeifer, Mutter des Geistlichen und Festungssträflings Joseph Pfeifer, um gänzliche oder teilweise Strafnachsicht neuerdings zum Vortrage.

Als die Sache das erstemal im Ministerrate vorkam, wurde beschlossen, über die von Pfeifer widersprochenen Tatsachen und ihre Wahrheit oder Unwahrheit den provisorischen Statthalter von Ungarn zu vernehmen18.

Baron Geringer äußert sich nun dahin, daß Pfeifer früher ein loyal gesinnter Mann war, daß sein Verschulden nicht so sehr aus bösem Willen, sondern aus dem damals herrschenden Terrorismus entstanden ist, daß er die Proklamation der Unabhängigkeit nicht von der Kanzel kundgemacht und nicht mit Bemerkungen begleitet hat, daß er nicht die Waffen gegen die Regierung ergriffen und nie den Kaiser und die Ah. Dynastie beschimpft hat.

Da hiernach mehrere, dem Pfeifer zur Last gelegten Beschuldigungen als ungegründet entfallen und er bereits seit 24. Dezember 1849, somit schon über zwei Jahre sitzt, so meinte der Justizminister, daß hierin zureichender Anlaß gefunden werden dürfte, auf die Nachsicht des Strafrestes für Pfeifer bei Sr. Majestät au. anzutragen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte19.

X. Strafrestnachsicht für Ladislaus Schnee

Ebenso wurde dem Antrage dieses Ministers beigestimmt, für den ehemaligen Obernotär Ladislaus Schnee, welcher am 22. Februar 1850 zu fünf Jahren Festungsarrest verurteilt wurde, die Nachsicht der Hälfte seiner Strafzeit von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken. Er war Mitglied eines Blutgerichtes, bei welchem einer zum Tode verurteilt worden ist. Nachdem jedoch Se. Majestät bereits zwei Mitglieder dieses Blutgerichtes (Jekelfalusy und Bezdédy) die Hälfte der Strafzeit aus Ah. Gnade nachzusehen geruhet haben20 und Ladislaus Schnee nichts mehr getan und nicht mehr verschuldet hat als diese, so meinte der Justizminister, daß auch dem Schnee eine gleiche Ah. Gnade zuteil werden dürfte.

Von dieser Ansicht hat sich nur der Ministerpräsident getrennt, welcher in diesem, wie in den früheren Fällen, seine Meinung dahin aussprach, daß dem Gnadengesuche keine Folge gegeben werden solle21.

XI. Verstärkung des galizischen Gendarmerieregimentes

Schließlich besprach der Minister des Inneren Dr. Bach noch die Vermehrung des galizischen Gendarmerieregimentes um einige Offizierschargen und Pferde, welche nach dem strengsten Bedürfnisse bemessen der Ah. Genehmigung Sr. Majestät unterlegt werden sollte.

Der Finanzminister äußerte jedoch den Wunsch, bevor er seine Ansicht über diese Vermehrung ausspricht, die Verhandlungsakten einzusehen, welche der Minister des Inneren an ihn zu leiten versprach22.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. Jänner 1852.