MRP-1-2-05-0-18511222-P-0603.xml

|

Nr. 603 Ministerrat, Wien, 22. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), P. Krauß (BdE. fehlt), Bach 4. 1., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Thinnfeld (BdE. vom 5. 1.), Stadion, Kulmer.

MRZ. 4307 – KZ. 60/1825 –

Protokoll der am 22. Dezember 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix von Schwarzenberg.

I. Staatliche Vorleistung für das Rigelsche Projekt

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß machte dem Ministerrate die Mitteilung, es sei von einem gewissen Rigel ein Projekt, wodurch dem Staate angeblich viele Millionen verschafft werden können, angeboten und schon die Vorlegung desselben an gewisse Bedingungen geknüpft worden1. Diese Bedingungen sind im wesentlichen folgende: Wenn sein Plan bis zum Jahre 1862, in seinem ganzen Umfange oder teilweise, ausgeführt wird, habe ihm der Staat ein Honorar von 20.000 fr. ein für allemal zu entrichten, kommt er gleich zur Ausführung, eine Leibrente von 2000 fr. zu zahlen und für jetzt eine Remuneration zu bewilligen.

Der Finanzminister bemerkt, er habe dem Projektanten geantwortet, daß, wenn sein Vorschlag neu, anwendbar und in der Ausführung lohnend befunden werden sollte, ihm eine angemessene Belohnung bewilligt werden würde, im vorhinein könne man sich aber in eine vertragsmäßige Verpflichtung nicht einlassen2.

Gegen diese Erledigung seines Antrages macht Rigel nun eine Vorstellung, worin er auf die oberwähnten Bedingungen wieder zurückkommt3.

Der Finanzminister erbat sich die Entscheidung des Ministerrates, ob der von ihm in Anwendung gebrachte Grundsatz, daß man sich in solchen Fällen im vorhinein nicht binden solle, richtig sei oder nicht. Würde man, bemerkte derselbe, in den vorliegenden Antrag eingehen, so würden alle Projektanten, von denen er jetzt so häufig belästigt werde, Kontrakte mit der Regierung schließen wollen, was nicht zugegeben werden könne.

Der Ministerrat erklärte sich mit dem Finanzminister einverstanden, in den Antrag des Rigel nicht einzugehen, und es bei der ihm bereits gewordenen Antwort bewenden zu lassen4.

II. Nachsicht des von der revolutionären Regierung erhaltenen Vorschusses und Einrechnung der erhobenen Zwangskontribution für Komorn

Die Stadt Komorn, welche im Jahre 1847 abgebrannt ist, erhielt von der illegalen ungarischen Regierung im Oktober 1848 zum Wiederaufbau ihrer Häuser ein Darlehen von 300.000 fr. in ungarischen 1 und 2 fr. Noten. Die Stadt hat sich verpflichtet, dieses Darlehen in einer bestimmten Reihe von Jahren und zwar wieder in den ungarischen 1 und 2 fr. Noten zurückzuzahlen.

Während der Revolution hat der ungarische Regierungskommissar Újházy 275.000 fr. zwangsweise von der Stadt Komorn erhoben.

Die Stadt bittet nun, es möchten diese 275.000 fr. von dem obigen Darlehen abgerechnet werden.

Der Minister des Inneren , mit welchem der Finanzminister darüber Rücksprache nahm, erklärte sich für diese Abrechnung, für welche man sich auch bei dem Finanzministerium aussprach, weil der Staat selbst nichts aufgewendet hat und es sich bei ihm nur de lucro captando, bei der Stadt Komorn aber de damno vitando handelt.

Der Finanzminister ist derselben Ansicht umso mehr, als darin ein plausibler Grund gefunden wird, der Stadt Komorn, welche so viel gelitten, einigermaßen aufzuhelfen.

Der Ministerrat einigte sich dahin, Se. Majestät zu bitten, die Forderung des Staates aus dem gedachten Anlehen, ohne übrigens der Abrechnung jener 275.000 fr. zu erwähnen, aus Ah. Gnade auf 25.000 fr. herabzusetzen und von allem übrigen abzusehen.

Was die von der Stadt Komorn gleichzeitig zur Sprache gebrachte Vergütung von Kriegsschäden im Betrage von 73.000 fr. anbelangt, so ist, nach dem allgemeinen Erachten, in diese Sache gar nicht weiter einzugehen5.

III. Pension und Gnadengabe für die Witwe nach Ignaz Freiherr Zephyris zu Greith

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich brachte eine Meinungsdifferenz zwischen ihm und dem Finanzministerium, aus Anlaß des Ah. bezeichneten Gesuches der Feldmarschalleutnantswitwe Freiin v. Zephyris um Pensionsergänzung für sich und um Gnadengaben für ihre zwei Töchter, zum Vortrage.

Der FML. Baron v. Zephyris hat, wie der Kriegsminister bemerkte, über 50 Jahre brav gedient, erhielt von Sr. Majestät eine Personalzulage von 500 fr. und starb im Pensionsstande ohne Vermögen, mit Hinterlassung einer Witwe, zweier Töchter und eines Sohnes, welcher letztere jedoch hier nicht weiter in Frage kommt.

Der Kriegsminister hat angetragen, daß der Witwe eine Pension von 600 fr. (d. i. zu ihren Kautionsinteressen von 160 fr. die Ergänzung von 440 fr.) und für jede ihrer zwei Töchter eine Gnadengabe von 100 fr. bewilligt beziehungsweise von Sr. Majestät erwirkt werden.

Das Finanzministerium erklärte sich mit der Pensionsergänzung für die Witwe, nicht aber mit den Gnadenabgaben für die Töchter einverstanden.

Der Ministerrat (mit Einschluß des Finanzministers) stimmte in Rücksicht der langen, belobten Dienstleistung des FML. Baron v. Zephyris und der Mittellosigkeit der Hinterlassenen, dem Antrage des Kriegsministers bei6.

IV. Verfassungsrevision (4. Beratung)

Vierte Beratung über das Elaborat der mit den Vorarbeiten der Verfassungsrevision beauftragten Kommission nach der nachweisenden Zusammenstellung der Hauptergebnisse der Beratungen derselben7.

Mit Beziehung auf den Punkt d (S. 8) dieser Zusammenstellung, wo es heißt: „daß bei der Unmöglichkeit, die bestandenen Patrimonialgerichte wieder herzustellen, landesfürstliche Bezirksämter nach entsprechenden Territorialbegrenzungen aufzustellen wären etc., bei deren Benennung sich an die Eigentümlichkeiten der Kronländer und die früheren Namen gehalten werden möge, um die langen Gewohnheiten der unteren Volksklasse nicht zu beirren“, fand sich der Minister Graf Thun bestimmt zu bemerken, daß man mit der Organisation der Ämter in den untersten Instanzen nicht eher vorgehen sollte, bis über die Gemeindeverhältnisse und über den großen Grundbesitz die nötigen Bestimmungen getroffen sein werden, bis wohin der Grundsatz der Bestellung der Bezirksämter in den untersten Sphären nicht anzunehmen wäre.

Bei der Durchführung dieses Grundsatzes müßte auf die verschiedenen Teile der Monarchie und ihre verschiedenartigen Verhältnisse die nötige Rücksicht genommen werden. In den Kronländern (vorzüglich Böhmen und Mähren), wo bedeutender Grundbesitz und eine reich begüterte Aristokratie besteht, scheint dem Grafen Thun die erwähnte Organisation weniger angemessen und anwendbar zu sein als in den Ländern, wo das weniger der Fall ist. Jene Maßregel sei mit dem Bestande der großen Grundbesitzer und ihrer sozialen Stellung im innigen Zusammenhange. Der große Grundbesitzer war früher Herr, wie soll er nun der Untergebene der unteren Administration sein.

Graf Thun machte folgende Gründe geltend, welche in dem erwähnten Teile der Monarchie diese Organisation nicht wünschenswert machen. Der ganze Bestand der agrarischen Verhältnisse beruhe darauf, daß die Geschäfte der Landbevölkerung von erfahrenen, wirtschaftsverständigena, praktischen Leuten, und nicht so wie bei den Stadtmagistraten, durch studierte, jedoch in der Landwirtschaft unerfahrene Beamte besorgt werden.

Eine Folge davon war, daß die Geld- und Pupillargeschäfte der Landleute in anderer, schnellerer Form besorgt wurden als die gleichen Geschäfte in den Städten von den studierten Beamten. Diese zur Aufrechthaltung des Bauernstandes notwendigen Verhältnisse wären, nach der Ansicht des Grafen Thun, wieder hervorzurufen. Der Gutsherr war verpflichtet, den allenfälligen, durch seine Beamten verschuldeten Abgang zu ersetzen, er ist daher bei der Aufnahme seiner Beamten sehr sorgfältig zu Werke gegangen; auch konnte er einen nicht entsprechenden Beamten leicht entlassen, was alles bei dem Staate und den kaiserlichen Beamten sich anders verhält. Man habe diese beiden Institute nebeneinander gehabt, und beide aus Erfahrung kennengelernt.

Es sei Tatsache, daß nirgends eine schlechtere Wirtschaft war, als in den kleinen Städten auf dem Lande.

Der Justizminister Ritter v. Krauß fand dagegen zu bemerken, daß man, wenn die Ansicht des Ministers Grafen Thun Geltung erhalten würde, die ganze Staatsverfassung|| S. 439 PDF || auf andere Grundlage stellen müßte. Die Gleichheit vor dem Gesetze sei ausgesprochen, das System der Bevorzugung verlassen und die überwiegenden Vorteile der lf. Behörden vor den Patrimonialämtern anerkannt.

Die Dominikalgewalt sei eine übertragene Gewalt des Kaisers gewesen, und das Zurückkommen auf die Patrimonialgerichtsbarkeit nicht mehr tunlich, auch würde es Mißhelligkeiten und Unzukömmlichkeiten ohne Zahl hervorbringen.

Die untersten Organe werden ihre Pflicht erfüllen; bis jetzt sei keine Klage vorgekommen, was unter den früheren Verhältnissen häufig der Fall war.

Der Justizminister sieht weiter nicht ein, warum die Geld- und Pupillarverhältnisse des Bauernvolkes eine andere Behandlung erfordern sollten, als jene der Städter. Diese Verhältnisse seien durch Gesetze geregelt, oder werden ihre Reglung durch ein künftiges Gesetz erhalten, und nur gesetzliche Bestimmungen können solche Verhältnisse regeln. Dem Bestande der Bauernwirtschaften durch Erleichterung der Aufnahme von Kapitalien bund durch Einführung der Grundbücherb beabsichtiget man ohnedies Hilfe zu leisten.

Der große Grundbesitz fordert gleichfalls keine andere Behandlung. Für diesen ist die Landtafel da, und diese soll aufrecht erhalten werden. In Italien ist gleichfalls großer Grundbesitz und großes Vermögen, und die Präturen verwalten es ohne Anstand. In Salzburg, Istrien, Tirol etc., wo schon seit lange lf. untere Instanzen bestehen, hat sich der Bauernstand fortan erhalten, weil er, wie bereits erwähnt wurde, durch gesetzliche Bestimmungen und nicht durch die Beamten erhalten wird.

Der Minister des Inneren fügte mit Beziehung auf die Angabe des Ministers Grafen Thun, daß die Vermögensangelegenheiten des Bauernvolkes durch erfahrene Patrimonialwirtschaftsbeamte besser und schneller behandelt wurden, die Bemerkung bei, daß die Pfleggerichte ähnliche Angelegenheiten gleich schnell und gut besorgt haben, weil das Verfahren von den Beamten (ob landesfürstlich oder Patrimonial) ganz unabhängig ist, und Patrimonialbeamte in diesen Verhältnissen Staatsbeamte waren und sich an die diesfälligen gesetzlichen Vorschriften halten mußten.

Das Zusammenhalten der Bauernwirtschaften und der bäuerlichen Gründe, welches Graf Thun nach Aufhören der Urbarialleistungen, als des früheren Bindemittels zwischen dem Bauer und dem an seinem Bestande interessierten Grundherrn, jetzt für schwieriger hält als früher, wird nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach durch die Bezirksämter nicht im mindesten gelockert.

Dieses Zusammenhalten ruht in dem Gesetze, und liegen diese Gründe in dem Grundbuche, so sind sie hinreichend geschützt.

In Absicht auf die vom Grafen Thun gemachte Andeutung, daß in einem größeren Bezirke (einer Bezirksgemeinde) ein Ausschuß gebildet werden könnte, mit dem Befugnisse, die Beamten für den Bezirk aufzunehmen, bemerkte der Minister Dr. Bach, daß seiner Ansicht nach nur eines von den zwei Systemen angenommen werden könne, entweder die Administration dem Besitze übertragen und den Besitzer wieder, wie früher, verantwortlich machen, oder die Administration durch Staatsbeamte besorgen lassen;|| S. 440 PDF || einem gemischten Systeme könnte nicht Wort geführt werden. Ein aus der Wahl hervorgegangener Körper könnte nur nach Stimmenmehrheit entscheiden; die früheren Unzukömmlichkeiten der Beamtenwahlen bei den ungarischen Komitaten würden an anderen Orten wieder zum Vorschein kommen etc., was der Minister Dr. Bach in öffentlicher Beziehung für höchst gefährlich, keine Garantie bietend und die Verbindung zwischen der Staatsgewalt und dem Lande sehr erschwerend ansehen würde.

Der Ministerrat fand den oben entwickelten Ansichten des Ministers Grafen Thun nicht beizustimmen8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 7. Jänner 1852.