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Nr. 591 Ministerrat, Wien, 1. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), P. Krauß, Bach 16. 12., Thinnfeld 3. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 3. 12.; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 4045 – KZ. 4452 –

Protokoll der am 1. Dezember 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Zeitungsartikel des „Lloyd“ gegen die Bankdirektion

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß erbat sich den Beschluß des Ministerrates über die von ihm laut des Ministerratsprotokolles vom 28. v. M., MRZ. 4023, zur Sprache gebrachte Eingabe des Bankgouverneurs Dr. Pipitz1, worin im Namen der Bankdirektion über einen im Morgenblatte des „Lloyd“ vom 27. November d. J. vorkommenden, die Bankdirektion sehr verletzenden Artikel Beschwerde geführt und der Schutz des Finanzministeriums gegen solche aufreizenden und zugleich unwahren Verdächtigungen und Beschuldigungen in Anspruch genommen wird.

Die Regierung, bemerkte der Finanzminister, bestrebt sich alles Fleißes, die Valutaverhältnisse zu verbessern, und ein Teil der Presse geht darauf los, in dieser Beziehung Mißtrauen und Beunruhigung unter den Volksklassen zu erregen. Auf diese Weise werde das Ziel nicht erreicht werden.

Die Bank, unser erstes Kreditsinstitut, habe besonders während des Belagerungszustandes Anspruch auf den Schutz der Behörden, und dies umso mehr, wenn die gegen dieselbe vorgebrachten Beschuldigungen unwahr sind und in einem Tone vorgebracht werden, welcher ganz geeignet ist, auf die Industriellen und die Bewohner der Vorstädte aufreizend zu wirken. Was in früheren ähnlichen Fällen geschehen ist, meinte der Finanzminister, dürfte auch im gegenwärtigen zur Beseitigung des Übelstandes verfügt werden.

Der Handelsminister bemerkte, daß es sich hier nicht bloß darum handeln könne, ähnliche unwahre und aufreizende Artikel für die Zukunft zu untersagen, weil das Publikum dadurch nicht über die Unwahrheit und Böswilligkeit des Vorausgegangenen belehrt würde, vielmehr glauben könnte, daß sich die Regierung nicht anders als durch ein Polizeiverbot habe helfen können, sondern vorzüglich darum, das, was geschrieben und in die Welt geschickt worden ist, soweit möglich unschädlich zu machen. In dieser Beziehung kam der Handelsminister auf seine bereits im Protokolle vom 28. v. M. gemachte Bemerkung zurück, daß es ihm am geratensten scheine, wenn der Bankgouverneur eingeladen würde, einen Aufsatz zu schreiben, worin Punkt für Punkt nachgewiesen würde, was in dem beschuldigten Artikel des „Lloyd“ Unwahres sei, worauf dann die|| S. 384 PDF || Redaktion des gedachten Blattes auf dem Grunde des Preßgesetzes zu verhalten wäre, diesen Aufsatz in ihr Blatt aufzunehmen.

Dieser Ansicht trat die Majorität der Stimmführer des Ministerrates und auch der Finanzminister bei, welche sonach zum Ministerratsbeschlusse erwuchs, der Justizminister insbesondere mit der Bemerkung, daß abgesehen davon, ob die Bank schuldig oder nicht schuldig sei, es schon vom Standpunkte der öffentlichen Ruhe nicht ratsam sei, solche aufreizende Artikel zu dulden. Ihre Untersagung erscheine nicht bloß für die Zukunft notwendig, sondern es müsse auch das bereits zugefügte Übel möglichst saniert werden.

Eine Klage vor den Behörden fände der Justizminister in dem gegebenen Falle nicht angemessen, und es wäre nach seiner Ansicht bei Ausführung der oben beschlossenen Verfügung der Redakteur des „Lloyd“ vorzuladen und ihm lediglich einfach und mündlich zu bedeuten, daß man, zumal jetzt, wo die Industrie leidet, die Teuerung zunimmt und alle Verhältnisse schwierig sind, mit dieser Art, die öffentliche Meinung zu leiten, durchaus nicht einverstanden sei und ihn für die Zukunft verwarnen müsse.

Der Minister des Inneren Dr. Bach fand gleichfalls den Ton und die Provokation des „Lloyd“ nicht zu billigen und jede mittelbare oder unmittelbare Aufregung gegen die Bank odera gegen die Finanzverwaltung verwerflich, und wird den oberwähnten Ministerratsbeschluß vollziehen, glaubte aber nicht unbemerkt zu lassen, daß ihm manche Beschuldigungen des „Lloyd“ gegen die Bank nicht ganz ungegründet scheinen, in welcher Beziehung er für zweckmäßig gehalten haben würde, die Fakta näher sicherzustellen2.

II. Wiener Börse

Der Finanzminister referierte hierauf über die neuesten Vorgänge auf der hiesigen Börse.

Seit drei Wochen, bemerkte derselbe, wird eine Menge von Personen von der Börse und von der Stadt ausgewiesen. Solange dieser Vorgang lediglich eine Polizeimaßregel blieb, ergab sich dagegen keine Erinnerung. Gegenwärtig aber, wo wiederholte Fälle von zu weit gehender Strenge und selbst von Störung der Freiheit des Handels vorgekommen sind, scheint ihm eine Milderung in der Sache unerläßlich notwendig.

Der Finanzminister erwähnte hierbei einer ihm zugekommenen Eingabe der hiesigen bürgerlichen Seidenhändler, worin sie folgendes angeben und um Schutz bitten: Sie seien zu der Stadthauptmannschaft vorgeladen und gefragt worden, warum sie Zwanziger kaufen. Sie erwiderten, daß sie sich am lombardisch-venezianischen Anlehen beteiligt haben und zu den diesfälligen Zahlungen Silbergeld benötigten. Hierauf mußten sie ein Protokoll unterschreiben, nach dessen Inhalt sie sich fernerhin von jedem Handel in Valuten zu enthalten haben, widrigens sie kriegsrechtlich behandelt werden würden. Sie bemerken in ihrer Eingabe, daß sie sich streng innerhalb der gesetzlichen Grenzen|| S. 385 PDF || gehalten haben, daß, wenn jenes Protokoll als giltig angesehen werden sollte, sie jeden Handel aufgeben müßten u. dgl., und baten um Schutz in ihren Rechten3.

Der Finanzminister bemerkte, daß ihm kein Gesetz bekannt sei, auf welches jenes Verfahren gegründet werden könnte. In dem Belagerungszustande könne es gleichfalls keine Begründung finden, weil der Belagerungszustand die Gesetze nicht aufhebt, sondern ihre Handhabung nur dem Militär überträgt. Wenn den Handelsleuten der Handel mit Valuten (also mit Gold, Silber und Wechseln) untersagt wird, so bleibt ihnen kein Handel mehr übrig und sie können ihre Zahlungen im Auslande oder im lombardisch-venezianischen Königreiche nicht mehr leisten. Unsicherheit auf der Börse, Geschäftsstockung und Verschlechterung unserer Valuta wären die Folgen davon.

In ihrem Ursprunge bkönne die Maßregel, so weit es sich um die Ausweisung nicht nach Wien zuständiger, keinem gesetzmäßigen Erwerb treibender Leute handelte, notwendig gewesen seinb, man sei aber nicht dabei stehen geblieben, sondern habe in der Strenge alle Grenzen überschritten, so sei, wie der Finanzminister weiter bemerkte, ceinem gewissen Gross, welcher sich bereits seit dem Jahre 1811 auf dem hiesigen Platze befindet, sich hat taufen lassen, eine Christin geheiratet hat und mit sechs noch lebenden Kindern belastet ist, von denen ein Sohn k. k. Polizeikommissär ist und einer in der k. k. Armee dient, von der Stadthauptmannschaft die Karte zum Besuche der Börse abgenommen wordenc .4

Der Finanzminister machte weiter auf die materiellen Nachteile aufmerksam, welche solche rücksichtlosen Abschaffungen vom hiesigen Platze mit sich führen. Wie ihm ein Münzbeamter bemerkte, ist seit der Einführung der erwähnten Maßregel nicht ein Lot dan fremden Goldmünzen von Privaten in die Münzed zum Ausmünzen gekommen, während früher nicht unbedeutende Beträge zur Ausmünzung gelangt sind.

Ferner sei die politische Seite dieser Sache gleichfalls nicht zu übersehen. Die Juden seien keine so unerhebliche Volksklasse, und für die galizischen spreche der Umstand, daß sie sich im Jahre 1846 und 1848 treu benommen haben, und gerade diese seien mitten in der Kälte hinausgewiesen worden. Mit welchen Gefühlen kommen nun solche, meistens arme Leute in ihrer Heimat an?|| S. 386 PDF ||

Der Finanzminister schloß mit dem Antrage, das Ganze auf den gesetzlichen Weg zurückzuführen und den Stadthauptmann mit allem Nachdrucke anzuweisen, bei Ausweisungen vom hiesigen Platze eund überhaupt bei Vollziehung polizeilicher, die Börse berührender Maßregeln sich nach den Gesetzen zu benehmen und niemanden zu Erklärungen, wie die obige der Seidenhändler, zu verhaltene .

Der Handelsminister unterstützte diesen Antrag in Vertretung des Handels mit dem Bemerken, daß der freien Entwicklung des Handels nichts nachteiliger sein könne, als den Belagerungszustand auf die Börse auszudehnen.

Der Ministerrat hat den obigen Antrag zum Beschluß erhoben, und der Minister des Inneren übernahm es hiernach, das Entsprechende zu verfügen und den Stadthauptmann anzuweisen, in allen Beziehungen nur legal vorzugehenf .5

III. Notstand in Schlesien

Der Minister des Inneren Dr. Bach bemerkte bezüglich des zu besorgenden Notstandes in Schlesien von dem Statthalter einen Bericht erhalten zu haben, nach welchem derselbe glaubt, daß er es nicht nötig haben werde, mit unentgeltlichen Beteilungen vorgehen zu müssen, sondern teils mit dem Kontributionsfonds, teils mit den Vorräten das Auslangen zu finden hoffe. Die Bitte des Statthalters, daß ihm ein Kredit von 20.000 f. zum Ankaufe von Cerealien eröffnet werde, fand der Minister des Inneren zur Unterstützung geeignet, gegen deren Gewährung, d. i. die angesuchte Kreditserteilung, sich keine Erinnerung ergab6.

IV. K. k. Ratstitel für Dominik Spinetti

Der Justizminister Ritter v. Krauß unterstützte hierauf den Antrag des Gerichtseinführungskommissärs in Italien, dem Handelsgerichtsbeisitzer in Verona Spinetti den Titel eines kaiserlichen Rates taxfrei von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken. Spinetti dient seit langer Zeit unentgeltlich, ist in politischer Beziehung ganz vorwurfsfrei und der österreichischen Regierung ganz anhängig, weshalb er auch von den Landesbehörden besonders empfohlen wird.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage ebenso einverstanden7, wie mit dem folgenden

V. Orden der eisernen Krone II. Klasse für Thaddäus Edler v. Besozzi

desselben Ministers, daß dem Appellationsrate zu Mailand Ritter v. Besozzi, welcher wegen seiner Anhänglichkeit an die österreichische Regierung in den letzten italienischen Unruhen von seinem Posten vertrieben wurde, über 80 Jahre alt ist und beinahe 60 Jahre dient, bei seinem bevorstehenden Übertritte in den Ruhestand statt des im Jahre 1836 erhaltenen Ordens der eisernen Krone dritter Klasse die zweite Klasse dieses Ordens taxfrei von Sr. Majestät erbeten werde, weil Besozzi seit dem Jahre 1836 wieder durch weitere 15 Jahre mit Auszeichnung gedient hat und seine bewiesene Treue und Anhänglichkeit Anerkennung verdient8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 15. Dezember 1851.