Nr. 590 Ministerrat, Wien, 29. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 29. 11.), P. Krauß 8. 12., Bach 3. 12. (bei I und II abw.abwesend), Thinnfeld 3. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 3. 12.; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 4024 – KZ. 4270 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 29. November 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Salzlieferungsvertrag mit Rußland
Der Finanzminister referierte über die Erneuerung des Salzlieferungsvertrags mit Rußland1. Nach demselben werden aus der Saline Wieliczka jährlich 650.000 Zentner Salz à 52 Kreuzer an Rußland geliefert. Neu dabei ist die Bestimmung, daß die Zahlung nicht im Inlande in Papiergeld CM., sondern in Metallmünze geleistet werden soll. Vermöge der Berechnung würden 53 Kreuzer CM. 57 5/12 Kopeken ausmachen. Die russische Regierung will aber, weil der Bruchteil nicht zahlbar wäre, nur 57 Kopeken geben. Sie verlangt ferner, daß ihr bei dem Umstande, wo für das russische Reich das Silberausfuhrverbot besteht, gestattet werde, die Zahlung in Gold zu leisten. Die Differenz, welche aus dieser Zahlungsmodalität nach unserer Berechnung sich ergibt, beträgt bei 5000 fr., indem der Preis des Salzes à 57 Kopeken in Silberrubeln gezahlt 569.000 fr. CM., in Imperialen aber nur 564.000 fr. ausmachen würde, nicht zu gedenken die Einbuße, die sich aus der Auflassung des Bruchteils von 5/12 Kopeken per Zentner ergibt.
Indessen muß der wesentliche Vorteil in Anschlag gebracht werden, welcher sich aus der bedungenen Zahlung in effektiver klingender Münze für die Finanzen ergibt und welcher nach dem Stande unserer Valuta einen Mehrbetrag von 100.000 fr. ausmacht.
Der Finanzminister war daher des Erachtens, daß auf das Begehren rücksichtlich die Bedingung der russischen Regierung eingegangen und der Lieferungsvertrag darnach auf drei Jahre abgeschlossen werden dürfte.
Der Ministerrat erklärte sich mit dem Antrage einverstanden2.
II. Verurteilung des Emanuel Kollmann
Der Justizminister brachte mit Beziehung auf seine Mitteilung vom 10. d. [M.] ad III. zur Kenntnis des Ministerrates, daß der wegen Störung der öffentlichen Ruhe|| S. 380 PDF || angezeigte Finanzwacheaufseher Kollmann von dem delegierten Schwurgerichte in St. Pölten für schuldig erklärt worden ist3.a
III. Staatsvoranschlag pro 1852 (1. Beratung)
Der Finanzminister brachte den Staatsvoranschlag für das Verwaltungsjahr 1852 in Vortrag4.
Nach der ersten Ausarbeitung desselben war ein Erfordernis von 312 Millionen und eine Bedeckung von 224 Millionen – mithin ein Abgang von 88 Millionen – präliminiert worden.
Bei einer zweiten, eindringlicheren, mit Abgeordneten aller Ministerien beim Finanzministerium gepflogenen Beratung wurde das Erfordernis auf 269 Millionen herabgebracht und 226 Millionen als Bedeckung, 43 Millionen als Defizit präliminiert5.
Da die gegenwärtige Lage gebieterisch fordert, alles aufzubieten, um die Ausgaben des Staates mit den Einnahmen ins Gleichgewicht zu bringen, indem beim fortwährenden Bestande eines Abgangs die öffentliche Meinung im In- und Auslande sich mehr und mehr von uns abwendet und es dann schlechterdings unmöglich macht, den Kredit in Anspruch zu nehmen, so glaubte der Finanzminister unter einzelner Durchgehung der angesetzten Posten die übrigen Minister dringendst einladen zu sollen, ihn bei dem schwierigen Werke einer noch größeren Einschränkung der Staatsausgaben kräftigst zu unterstützen, umso mehr als in diesem Jahre noch nicht auf das volle Eingehen der für Ungern und Siebenbürgen präliminierten Einkünfte zu rechnen ist, nachdem die dazu nötigen Vorkehrungen noch nicht vollständig ausgeführt sind.
Zur Prüfung der einzelnen Ansätze übergehend, bemerkte der Finanzminister, daß bei den Zinsen der Staatsschuld, welche auf positiven Zahlen und Verpflichtungen beruhen, eine Herabsetzung unmöglich sei.
Beim Hofstaat, welcher mit 5,590.000 [fr.], also höher als bisher, veranschlagt worden ist, wurde von der Kommission eine Reduktion um 295.000 fr. in der Voraussetzung beantragt, daß mehrere in den Voranschlag einbezogene Baulichkeiten eine Verschiebung aufs folgende Jahr oder eine sonstige Einschränkung gestatten.
Der Finanzminister, welcher sich gegenwärtig bei der Kürze der Zeit, seit welcher das Hofstaatspräliminare ihm vorliegt, hierwegen keinen bestimmten Antrag zu stellen erlaubte, behielt sich vor, über diesen Gegenstand nach gepflogener Rückspräche mit einem Abgeordneten der Hofstäbe über die Tunlichkeit der angedeuteten Einschränkungen das weitere zu beantragen.|| S. 381 PDF ||
Die Rubriken Reichs- und Ministerrat und Ministerium des Äußern gaben zu keiner Bemerkung Anlaß.
Für das Ministerium des Inneren werden 24,900.000 fr., für die Justiz 18,700.000 fr. beansprucht. In der Berücksichtigung, daß die für 1852 beabsichtigten Organisierungen erst im Laufe des Jahres ins Leben treten, also nicht den vollen präliminierten Aufwand für alle zwölf Monate dieses Jahres, sondern nur für einige in Anspruch nehmen werden, erachtete der Finanzminister, beide Branchen, Inneres und Justiz, auf die runde Summe von 43 Millionen zusammen anweisen zu sollen.
Der Minister des Inneren hoffte, mit einem minderen als dem für ihn angesetzten Betrage von 24,900.000 fr. auszulangen, wogegen der Justizminister in eine Reduktion des ohnehin auf das äußerste eingeschränkten Ansatzes nur mit dem Vorbehalte einstimmte, im Fall der Unzulänglichkeit das Fehlende von den Finanzen nachträglich anzusprechen.
In welchem Verhältnisse die für beide Ministerien zugestandenen 43 Millionen zwischen ihnen nach dem Maße der ursprünglichen Ansätze verteilt werden sollen, ward dem gegenseitigen Einvernehmen der beiden Minister überlassen.
Die bedeutendste Post bleibt, wie bisher, noch immer das Kriegsministerium mit 99 Millionen. Das Komitee hält hier eine Reduktion um drei Millionen für zulässig, und in einer besonderen Denkschrift sind die einzelnen Posten nachgewiesen, bei denen eine weitere Einschränkung statthaft zu sein scheint6.
Der Finanzminister erklärte, daß er nicht nur diese Reduktionen aufs wärmste unterstützen, sondern auch dringend bitten müsse, diese Rubrik auf das bereits von Sr. Majestät Ah. genehmigte Maximum per 85 Millionen herabzubringen.
Ohne sich ein Urteil über das „Wie“ zu erlauben, da er hierin sich nicht für kompetent hält, glaubte er doch, auf einige Rubriken hindeuten zu können, welche ihm – mit Rücksicht auf ihren itzt viel höheren Ansatz, als er in vorigen Jahren war, eine Herabminderung zu vertragen scheinen.
So wird bei den Baulichkeiten über den von Sr. Majestät bereits genehmigten Abzug von 200.000 fr. noch eine weitere Verminderung von 1,200.000 fr. als zulässig befunden werden können, wenn mit einigen Befestigungs- oder Kasernenbauten in diesem Jahre innegehalten wird7.
Was die letzteren betrifft, so erklärte der Kriegsminister , daß er kaum glaube, daß daran etwas werde verschoben werden können; in Ansehung der Reichsbefestigungsbauten steht ihm keine Kontrolle und Urteil zu.
Bei den Artillerieerzeugungsgegenständen, welche um zwei Millionen höher veranschlagt sind als im Kriegsjahre 1848, schiene ebenfalls eine Herabsetzung um 1,200.000 fr. ausführbar, weil nach dem Erachten des Finanzministers fortan in den Jahren 1850 und 1851 nachgeschafft worden, mithin ein bedeutender Vorrat vorhanden sein sollte.
Der Kriegsminister erläuterte den Ansatz dieser Rubrik mit der Notwendigkeit, die in früheren Jahren vernachlässigte Anschaffung von Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenständen|| S. 382 PDF || zu vervollständigen, die Kavallerie neu auszurüsten, die Infanteriegewehre zu ändern etc.
Beim Verpflegungswesen wird eine Verminderung der Ansätze um zwei Millionen beantragt und durch eine vergleichende Übersicht der Beköstigung einer gleichen Anzahl Truppen nach den Preisen des Jahres 1847, welche bekanntlich sehr hoch waren, mit der Beköstigung derselben nach dem Voranschlage von 1852 eine Erhöhung um 14 Millionen ausgewiesen, deren Ursachen nicht aufgeklärt sind und welche am auffallendsten in der Rubrik der Gebühren hervortritt, wo statt 33 Millionen 40, also um sieben Millionen mehr, entfallen8.
Wien, am 29. November 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 4. Dezember 1851.