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Nr. 588 Ministerrat, Wien, 26. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 27. 11.), P. Krauß 1. 12., Bach 24. 11., Thinnfeld 1. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3991 – KZ. 4268 –

Protokoll der am 26. November 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Gerichtsorganisation in Kroatien und Slawonien

Der Minister der Justiz Ritter v. Krauß fand sich bestimmt, folgendes in Erinnerung zu bringen: Se. Majestät haben mit Ah. Entschließung vom 24. Mai 1850 den Personalstatus der Gerichtsstellen in Kroatien und Slawonien zu genehmigen geruhet1, und es wurden behufs der weiteren Einleitungen avom frühern Justizministera der Einrichtungskommissär und provisorischeb Generalprokurator ernannt. Infolge dieser Ah. Entschließung habe der vorige Justizminister Ritter v. Schmerling den Vorschlag für den Oberlandesgerichts- oder Appellationspräsidenten in der Absicht erstattet, damit der Chef beim Vorschlage für die übrigen Stellen vernommen werden könne, und es wurde Kuković cvon Sr. Majestät im Juli 1850c zum Oberlandesgerichtspräsidenten für Kroatien und Slawonien Ah. ernannt, welcher in dieser Eigenschaft den Eid abgelegt hat und amtiert2.

Als Ritter v. Krauß Minister der Justiz wurde, habe er auch die Systemisierung für Kroatien und Slawonien durchgegangen, um zu sehen, ob sich nicht Ersparungen erzielen lassen, und gefunden, daß diese durch eine Verminderung der Landesgerichte erlangt werden könnten. Demzufolge habe er unterm 7. April d. J. Sr. Majestät einen au. Antrag gemacht, einige Landesgerichte in Kroatien und Slawonien eingehen zu machen, wodurch nur an Besoldungen eine Ersparung von 67.000 f. und mit Rücksicht auf die entbehrlichen Bauten etc. von beiläufig 100.000 f. erzielt würde3.

Mittlerweile habe der Justizminister weitere Vorschläge für den Senatspräsidenten des Ober­landesgerichtes, für die Präsidenten der Landesgerichte, welche beizubehalten wären,|| S. 367 PDF || für einiged Oberlandesgerichtsräte etc. Sr. Majestät erstattet, eund sowohl der Senatspräsident als auch zwei Präsidenten der Landesgerichte von Agram und Esseg, dann die Oberlandesgerichts- oder Banalräte sind von Sr. Majestät mit den damals systemisierten Besoldungen bereits Ag. ernannt wordene .4

Nach einer unterm 25. d. M. an den Justizminister gelangten Ah. Entschließung, fwelche über den au. Vortrag des Justizministers vom 7. April l. J. erfloßf,5 scheinen Se. Majestät vorauszusetzen, daß das Oberlandesgericht in Kroatien und Slawonien noch nicht organisiert sei, und ordnen demzufolge an, daß das Oberlandesgericht den Titel Banaltafel zu führen und sich vorderhand auf gerichtliche Jurisdiktionen zu beschränken habe. Der Ban sei Appellationspräsident und sein Stellvertreter werde gmit einer Besoldung jährlicher 2500 f.g an die Stelle des vorgeschlagenen Senatspräsidentenh zu treten haben (dieser ist aber, wie oben bemerkt wurde bereits Ah. ernannt), ferner sollen nur sieben Banalräte, vier mit 1800 f. und drei mit 1500 f. bestehen (für die Banalräte sei aber wie bei andern Oberlandesgerichten eine Besoldung von 2000 f. systemisiert) etc. etc.

Der Justizminister glaubt, daß Sr. Majestät bei Fassung der letzten Ah. Entschließung die früheren au. Vorträge nicht vorgelegen sein werden (wie denn auch sein unterm 7. April 1851 erstatteter und in späteren Vorträgen bezogener Vorschlag nicht gleichzeitig die Ah. Erledigung erhielt) und daß Se. Majestät hierbei von Voraussetzungen ausgegangen sind, die nach den früheren Ah. Entschließungen nicht als ganz richtig erscheinen.

Der Justizminister beabsichtiget, Sr. Majestät diesen Sachverhalt in einem besonderen au. Vortrage au. aufzuklären und sich die Ah. Weisung zu erbitten, ob und wie die letzte Ah. Entschließung unter den angegebenen Umständen ausgeführt werden solle, iwomit sich der Ministerrat einverstanden erklärtei .6

II. Übersetzung des neuen Zolltarifes in die Landessprachen

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf die Frage wegen Übersetzung des neuen österreichischen Zolltarifs zur Sprache7.

Bei dem Umstande, daß es schwierig ist, eine so umfangreiche Arbeit, als die Übersetzung des Tarifes in zehn Landessprachen ist, in der Zeit zustande zu bringen, wo der neue Tarif in Wirksamkeit zu treten haben wird, und um andererseits den auf den 1. Februar 1852 festgesetzten Zeitpunkt dieser Wirksamkeit nicht weiter hinausschieben zu müssen, beabsichtiget der Finanzminister, Se. Majestät in einem au. Vortrage zu bitten, Allerhöchstdieselben wollen zu gestatten geruhen, daß der neue österreichische Zolltarif|| S. 368 PDF || vorläufig nur in der deutschen und italienischen Sprache kundgemacht werden dürfe und daß die Übersetzungen in anderen Landessprachen nachfolgen werden.

Dieses wäre durch eine kaiserliche Verordnung mit Beziehung auf das Ah. Patent, mit welchem dieser Tarif zur Öffentlichkeit gelangt, auszusprechen.

Dagegen ergab sich keine Erinnerung8.

III. Kammerprokuratorsstelle in Mailand

Der Finanzminister bemerkte weiter, es sei im Ministerrate beschlossen worden, daß der Geheimrat Decio die Kammerprokuratorsstelle in Mailand zu versehen habe9. Decio, hievon in Kenntnis gesetzt, habe aber vorgestellt, daß er sich sowohl physisch als intellektuell nicht stark genug fühle, um diese Versehung übernehmen zu können. Der Präsident der Finanzpräfektur in Mailand legte diese Erklärung des Decio mit der Bemerkung vor, daß er dafür halte, Decio könne diese Stelle immerhin versehen10.

Der Finanzminister hält es aber nicht für ratsam, jemanden zur Versehung eines Postens zu verhalten, wozu er sich selbst physisch und intellektuell ungeeignet erkennt, und glaubt diesen Anlaß benützen zu sollen, zur Versehung der gedachten Stelle einen deutschen, nämlich den Kammerprokurator in Zara, Steiner, nach Mailand zu senden, welcher in Padua studiert und hierauf in den italienischen Provinzen gedient hat, daher der italienischen Sprache vollkommen mächtig ist. Bei der dem Steiner zu gebenden Bestimmung wäre aber ausdrücklich zu sagen, daß er sie nicht erhalte, um in Mailand belassen zu werden, sondern nur provisorisch, wodurch die einem Deutschen in den italienischen Provinzen gewöhnlich bevorstehenden Schwierigkeiten beseitiget würden11.

IV. Militärjurisdiktion (3. Beratung)

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich teilte dem Ministerrate die eingeholte Aufklärung über die jüngst besprochene Ah. Entschließung (die Jurisdiktion der Armeebefehlshaber in Hochverratsprozessen in den Ländern und Städten, wo der Ausnahmszustand besteht, betreffend) zur Kenntnisnahme mit12. Diese Ah. Entschließung hat hiernach keine Beziehung auf die vorausgegangenen und einer Sichtung bereits unterzogenen Hochverratsprozesse. Die Kommandanten können jedes Todesurteil in Freiheitsstrafe mildern, wo sie aber glauben, daß die Todesstrafe dennoch zu vollziehen wäre, haben sie die Akten dem jAh. Armeeoberkommando vorzulegen und die Ah. Entschließung hierüber einzuholenj . Der frühere Zweifel über den Sinn der gedachten Ah. Entschließung|| S. 369 PDF || erscheint dadurch als behoben, daß darin statt „nicht mehr“ der Ausdruck „nicht nur“ aufgenommen worden ist13.

V. Lehranstalt für Militärärzte

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich brachte schließlich die mit dem Minister des Kultus und Unterrichtes bereits besprochene und nun Sr. Majestät in Antrag zu bringende Bildung einer eigenen ärztlich-chirurgischen Anstalt in Wien für die Bedürfnisse des Militärs zum Vortrag. Dieses Institut soll unter der Leitung der militärärztlichen Professoren (welche an Universitäten den Doktorgrad erlangt haben) stehen, sich nach und nach komplettieren, und heuer nur ein Teil der Zöglinge in dasselbe aufgenommen werden. Diese Zöglinge werden gleich als ärztliche Gehilfen zum Militär assentiert, tragen die Uniform der Unterärzte, werden in die Militärgebühr genommen, wohnen teils im hiesigen Militärspitale, teils im sogenannten blauen Hause, unterliegen der Militärjurisdiktion, und ihre Dienstzeit beginnt erst dann, wenn sie in den Dienst beim Regimente eintreten, worauf sie dann eine achtjährige Kapitulationsdienstzeit auszudienen haben. Eine Mehrauslage für die Finanzen würde die Errichtung dieses Institutes nicht oder nur eine höchst geringe verursachen.

Prüfungen würden alle Zöglinge abzulegen haben, denen ein Professor der Universität kund Abgeordneter des Unterrichtsministeriums als Gastk beizuwohnen hätte.

Zur Begründung der Notwendigkeit der Errichtung eines solchen Institutes führte der Kriegsminister an, daß für die Armee 768 Doktoren der Medizin und Chirurgie und 1619 Wundärzte erforderlich sind, daß man seit der Auflösung der Josephsakademie14 nicht die nötige Zahl an ärztlichem Personale gewinnen konnte und daß noch gegenwärtig, ungeachtet der für den Eintritt von Zivilärzten in die Militärdienstleistung in der neueren Zeit gewährten Begünstigungen, noch immer gegen 300 feldärztliche Individuen abgängig sind, daß [sich] bei der eingeführten Lernfreiheit die Erfahrung herausgestellt habe, daß unter 100 Individuen letwa 30l die Prüfungen ablegen, um sodann im Militär verwendet werden zu können, der Rest aber entweder die Prüfungen nicht macht, oder aus anderen Ursachen entlassen werden muß.

Der Kultus- und Unterrichtsminister habe sich bereits mit dem Kriegsministerium darin einverstanden erklärt, daß die militärärztlichen Individuen nicht hier an der Universität gebildet werden sollen, gleichzeitig aber die Meinung ausgesprochen, daß sie von Wien ganz zu entfernen und an keiner rein militärischen, sondern an einer Anstalt zu bilden wären, die für die Chirurgie bereits besteht, wie z. B. Salzburg. Wenn Ärzte nur für das Militär gebildet würden und dann immer beim Militär zu bleiben hätten, hätte er gegen eine solche rein militärische Bildungsanstalt nichts zu erinnern; da diese Individuen aber in der Folge anderwärts ihre Praxis ausüben, sollten sie auch wie andere Zivilärzte dafür vorgebildet sein. Eine andere Schwierigkeit liege auch darin, daß die Militärärzte Magister der Chirurgie sein sollen, nach den bestehenden Vorschriften aber die Magister der Chirurgie nur an den Universitäten gebildet werden können.|| S. 370 PDF ||

Gegen die Benützung der Anstalt in Salzburg erinnerte der Kriegsminister , daß daselbst die Zahl der Schüler nur zehn bis zwölf beträgt, daß oft der ganze chirurgische Jahrgang dort nicht einen wichtigen Knochenbruch zu Gesichte bekommt, daß in der Okulistik auch keine wichtigen Fälle vorkommen, daß eine Gebahranstalt dort gar nicht besteht und daß von chirurgischen Operationen in drei Jahren nur zwei Amputationen vorgekommen sind, während in dem hiesigen, stark belegten Militärspitale die seltensten Fälle vorkommen und die ausgedehnteste Praxis geübt werden kann. Für eine besondere, rein militärischen Anstalt spreche auch der Umstand, daß die Heilmethode und das Verfahren beim Militär ganz speziell sind, daß die militärärztlichen Zöglinge sich viele besondere Vorschriften und Anweisungen eigen zu machen haben u. dgl.

Bei diesen Umständen fand der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichts gegen den Antrag des Kriegsministers nichts weiter zu erinnern, mit welchem sich auch die übrigen Stimmführer des Ministerrates vereinigten15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 2. Dezember 1851.