Nr. 585 Ministerrat, Wien, 19. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 20. 11.), P. Krauß 26. 11, Bach (bei I abw.abwesend) 26. 11., Thinnfeld 21. 11., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner (BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt); abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 3907 – KZ. 4037 –
Protokoll der am 19. November 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Verordnung über die Richteramtsprüfungen
Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte eine Änderung des § 14 der Verordnung vom 7. August 1850 (durch welche neue Bestimmungen über die verschiedenen Zweige der Justizpraxis und über die praktischen Justizprüfungen vorgeschrieben wurden) in Antrag1.
Nach dem § 14 dieser Verordnung ist die Richteramtsprüfung nur mündlich und als eine Gesamtprüfung über alle Zweige des Justizdienstes vorzunehmen. Sie hat öffentlich stattzufinden und mit jedem Kandidaten einzeln mindestens zwei Stunden zu dauern. Hat der Kandidat bei dieser Prüfung nach dem Erkenntnisse der Prüfungskommission die Fähigkeit zum praktischen Justizdienste dargetan, so ist ihm von dem Oberlandesgerichtspräsidenten ein Zeugnis auszufertigen, in welchem der gedachte Erfolg einfach beglaubigt wird. Im entgegengesetzten Falle ist ihm von der Kommission ein angemessener Termin zu bestimmen, innerhalb dessen er sich zur Wiederholung melden könne.
Die Appellationsgerichte und Generalprokuratoren haben, wie der Justizminister bemerkt, vorgestellt, daß es nach der bisher gemachten Erfahrung wünschenswert wäre, die gedachte Prüfung nicht bloß mündlich, sondern auch schriftlich vor derselben Kommission vorzunehmen und außer dem Kalkül, der jetzt bloß in der Approbation oder Reprobation besteht, noch andere Abstufungen eintreten zu lassen.
Der Justizminister teilt diese Ansicht und beabsichtiget, bei Se. Majestät auf die Erlassung einer kaiserlichen Verordnung anzutragen, durch welche in der Wesenheit bestimmt würde, daß die Zivil[rechts]-, Strafrechts- und Staatsanwaltschaftskandidaten künftig nebst einer mündlichen auch eine schriftliche Richteramtsprüfung vor derselben Prüfungskommission abzulegen haben. Die schriftliche Prüfung habe der mündlichen vorauszugehen, und der Kandidat sei zu der mündlichen Prüfung nur dann zuzulassen, wenn er die schriftliche gut bestanden hat. Die schriftliche Prüfung könne mit mehreren Kandidaten gleichzeitig unter Aufsicht vorgenommen werden, denen nur die Benützung der Gesetzbücher, sonst aber keine Beihilfe zu gestatten ist. Bei der schriftlichen Prüfung wäre eine zivilrechtliche oder strafrechtliche Aufgabe, ein zivilrechtlicher Fall, die Verfassung eines Aktenauszuges samt Urteil und Entscheidungsgründen und dergleichen auszuarbeiten. Bei der mündlichen Prüfung wäre dann auch eine Besprechung über die|| S. 354 PDF || gegebene schriftliche Aufgabe vorzunehmen um zu sehen, ob der Kandidat gut verstanden und erschöpft hat.
Was den Kalkül betrifft, so wäre künftig in dem Zeugnisse auszudrücken, ob der Kandidat die Prüfung mit gutem, sehr gutem oder ausgezeichnetem Erfolge zurückgelegt habe. Die Note „ausgezeichnet“ wäre ihm nur dann zu erteilen, wenn alle Kommissionsglieder darüber einverstanden sind und der Kandidat aus allen Gegenständen schnelle Auffassung und vollkommen richtige Beurteilung erprobt hat.
Die von dem Justizminister angetragene Verordnung enthält auch Vorsichten, wie Umgehungen derselben beseitiget werden können, damit nicht vom Kandidat, wenn er bei einem Oberlandesgericht reprobiert wurde, die Richteramtsprüfung bei einem anderen Oberlandesgerichte mit Verletzung der bestehenden Vorschriften ablege.
Gegen den Inhalt der von dem Justizminister abgelesenen, Se. Majestät nun vorzulegenden Verordnung ergab sich keine Erinnerung.
Bei dem Vortrage und Beschlusse über diesen Gegenstand war der Minister des Inneren Dr. Bach nicht zugegen2.
II. Regelung der Bankverhältnisse (2. Beratung)
Hierauf ist der Ministerrat zu der in der Sitzung vom 17. d. M. vorbehaltenen Beschlußfassung über die Anträge des Finanzministers hinsichtlich der bei der hiesigen Bank zu treffenden Maßregeln geschritten3.
Die 1. Maßregel betrifft den Antrag, die Bankdirektion (welche nach dem § 76 des Reglements der privilegierten österreichischen Nationalbank vom Jahre 1841 von Zeit zu Zeit die Summe zu bestimmen hat, welche im Ganzen dem Eskompte- und dem Darlehensgeschäfte zu widmen ist) aufzufordern, sich in Gemäßheit dieses bisher nicht beachteten Paragraphes über die Summe auszusprechen, welche im Ganzen dem gedachten Geschäfte bei der Nationalbank zu widmen wäre. Diese Summe wäre sodann nicht von Se. Majestät festzustellen, sondern Se. Majestät um die Ermächtigung des Ministerrates zu bitten, diese Ziffer nach erhaltener Äußerung der Bankdirektion von Fall zu Fall aussprechen zu dürfen.
Mit diesem Antrage erklärte sich der Ministerrat einverstanden.
2. Maßregel: Beschränkung der einzelnen Firmen. Hier war der Finanzminister der Ansicht, daß als Maximum des von der Bank den einzelnen Firmen zu gewährenden Kredits mit 2½ Millionen auszusprechen und die Bestimmung dieser Ziffer ebenso wie der früheren nicht von Se. Majestät auszugehen hätte, sondern dem Ministerium zu überlassen wäre. Der Bankgouverneur hätte nach der Beratung mit der Bankdirektion und mit den lf. Kommissären festzusetzen, welche Firmen auf den höchsten nicht überschreitbaren Kredit Anspruch zu machen und welche in minderen Beträgen daran teilzunehmen haben.|| S. 355 PDF ||
Damit die Einstellung des gegenwärtigen hohen Kredits nicht zu schnell und mit empfindlicher Nachwirkung geschehe, war der Finanzminister der Ansicht, daß die Hälfte des aBetrages der nunmehr fällig werdenden Wechsel durch neue Wechseldarlehen aus der Nationalbank bedeckt werden könnte und auf diese Art fortzufahren wäre, bis der Bankkredit jedes einzelnen Wechselhauses auf den festzusetzenden normalen Stand herabfällta . Nach darüber mit dem Bankgouverneur gepflogener Besprechung, welcher den Wunsch aussprach, daß in der kaiserlichen Verordnung nicht geradezu die Hälfte ausgesprochen werden möge, sondern die Bestimmung darüber mehr frei gelassen werde, bemerkte der Finanzminister gegen die Gestattung bin dieser Fassungb nichts einzuwenden zu haben, da auch bei dieser Modalität das Ministerium den Einfluß darauf in seiner Hand behält.
Auch mit diesen Anträgen erklärte sich der Ministerrat einverstanden, nur der Minister des Kultus Graf Thun hätte gewünscht, daß es bei der Bestimmung der Hälfte oder allenfalls zweier Dritteile belassen worden wäre, wobei er auch noch weiter das Besorgnis äußerte, daß der Bankgouverneur durch die ihm überlassene Bestimmung der Teilnahme der Firmen an dem Bankkredite in eine schiefe Stellung bei der Bank kommen dürfte.
3. Maßregel: Beschaffenheit der Wechsel. In dieser Beziehung ging der Antrag des Finanzministers dahin, daß im Eskompte bei der Bank keine Wechselbriefe angenommen werden sollen, welche nicht aus einem aufrechtem ckaufmännischen Geschäfte entsprungen sind oder welchen ein verbotenes Geschäft zum Grunde liegtc .
Hierüber einigte sich der Ministerrat in dem Beschlusse, daß nur Wechsel im Eskompte angenommen werden sollen, welche auf einem realen Geschäfte beruhen und daß, nach der Bemerkung des Handelsministers , auch Wechsel vom Eskompte auszuschließen sind, welche dvon Geschäften herrühren, die an sich oder unter gegebenen Umständen allgemeinschädlich sind, z. B. Wechsel, denen ein Schmuggelgeschäft oder Kornwucher zum Grund liegtd .
4. Maßregel: Errichtung einer außerordentlichen Kreditskasse. Die Bestimmung derselben wäre, Wechsel der kleinen Gewerbsleute bis zu einem Maximalbetrage von 50.000 fr. zu eskomptieren und Silberwechsel auszugeben. In letzterer Beziehung würde diese Kasse selbst in Silber auszahlen oder es würde auf sie in dieser Münze trassiert werden. Diese außerordentliche Kreditskasse würde von dem Bankgouverneur, zwei Bankdirektoren, zwei Mitgliedern des Gewerbs- und Handelsstandes und zwei Beamten des Finanzministeriums geleitet werden. Die Wechselzensoren würde der Bankgouverneur bestimmen. Die Dotation erhielte die Kasse von der Staatsverwaltung.
Das im Jahre 1848 bei der Bank behufs der Unterstützung kleinerer Gewerbs- und Handelsleute entstandene Komitee würde durch diese Kasse nicht beirrt werden, nur hätte sich diese Kasse mit dem Komitee im steten Einverständnis zu erhalten, damit die Gewerbsleute bei beiden zusammen nicht über 50.000 fr. erhalten.|| S. 356 PDF ||
Gegen diese Anträge wurde von der Stimmenmehrheit des Ministerrates enichts erinnert. Minister Graf Thun hält es für bedenklich, die Staatsfinanzen in das Eskomptegeschäft zu verwickeln und glaubt, daß es nur in soweit als vorübergehende Maßregel zulässig wäre, als es notwendig ist, um zu verhüten, daß durch die Beschränkung des den Bankiers von der Nationalbank zu gewährenden Kredites den kleinen Handels- und Gewerbsleuten augenblicklich Verlegenheiten bereitet werden. Gegen die Vermittlung von Silberzahlungen durch die beantragte Kreditskassa glaubt Graf Thun sich aber mit aller Entschiedenheit aussprechen zu sollen. Wäre der Staatsschatz in der Lage, dem Bedarfe nach Silber nachhaltig zu entsprechen, so würde eine unmittelbare Intervenierung desselben nicht notwendig sein, indem der gegenwärtige Mangel an Metallmünzen im Verkehre eben mit dem Umstande im innigsten Zusammenhange steht, daß die öffentlichen Kassen ihre Zahlungen selbst nur in Papiergeld zu leisten vermögen. Aus diesem Grunde geht auch der Antrag des Herrn Finanzministers dahin, daß nötigenfalles zu den Operationen der projektierten Kreditskasse der Silbervorrat der Nationalbank in Anspruch genommen werde. Mit dieser Bestimmung aber könnte sich Graf Thun in keinem Falle einverstanden erklären. Seit zwei Jahren wird auf Vermehrung des Barfonds der Bank gedrungen, und die Ausweise darüber werden veröffentlicht, um den Kredit der Bank allmählich zu heben. Damit stände die Verfügung, daß der Silberschatz der Bank angegriffen werden solle, um was immer für Geschäfte, zumal aber solche, welche nicht der Bank überwiesen werden, ihr daher fremd sind, damit zu betreiben, in dem auffallendsten Widerspruche, und es dürfte sich mit Gewißheit vorhersehen lassen, daß eine solche Maßregel, ohne auf die Valutaverhältnisse im Inlande einen irgend wesentlichen Einfluß zu üben, dem österreichischen Kredite im Auslande einen neuen empfindlichen Schlag versetzen würdee nichts erinnert. Minister Graf Thun hält es für bedenklich, die Staatsfinanzen in das Eskomptegeschäft zu verwickeln und glaubt, daß es nur in soweit als vorübergehende Maßregel zulässig wäre, als es notwendig ist, um zu verhüten, daß durch die Beschränkung des den Bankiers von der Nationalbank zu gewährenden Kredites den kleinen Handels- und Gewerbsleuten augenblicklich Verlegenheiten bereitet werden. Gegen die Vermittlung von Silberzahlungen durch die beantragte Kreditskassa glaubt Graf Thun sich aber mit aller Entschiedenheit aussprechen zu sollen. Wäre der Staatsschatz in der Lage, dem Bedarfe nach Silber nachhaltig zu entsprechen, so würde eine unmittelbare Intervenierung desselben nicht notwendig sein, indem der gegenwärtige Mangel an Metallmünzen im Verkehre eben mit dem Umstande im innigsten Zusammenhange steht, daß die öffentlichen Kassen ihre Zahlungen selbst nur in Papiergeld zu leisten vermögen. Aus diesem Grunde geht auch der Antrag des Herrn Finanzministers dahin, daß nötigenfalles zu den Operationen der projektierten Kreditskasse der Silbervorrat der Nationalbank in Anspruch genommen werde. Mit dieser Bestimmung aber könnte sich Graf Thun in keinem Falle einverstanden erklären. Seit zwei Jahren wird auf Vermehrung des Barfonds der Bank gedrungen, und die Ausweise darüber werden veröffentlicht, um den Kredit der Bank allmählich zu heben. Damit stände die Verfügung, daß der Silberschatz der Bank angegriffen werden solle, um was immer für Geschäfte, zumal aber solche, welche nicht der Bank überwiesen werden, ihr daher fremd sind, damit zu betreiben, in dem auffallendsten Widerspruche, und es dürfte sich mit Gewißheit vorhersehen lassen, daß eine solche Maßregel, ohne auf die Valutaverhältnisse im Inlande einen irgend wesentlichen Einfluß zu üben, dem österreichischen Kredite im Auslande einen neuen empfindlichen Schlag versetzen würde.
Dagegen wurde erinnert, daß die Wechsel auf drei Monate ausgestellt werden, nach welchen das Silber wieder zurückfließt, daß es von guter Wirkung sein dürfte, wenn außer den den Finanzen feindlichen Geldmächten noch jemand anderer Silber anbietet und daß eine Verminderung des (gegenwärtig tot liegenden) Barfonds der Bank nur dann bedenklich wäre, wenn ein Umsatz der Noten in Silber wirklich statt fände, was aber nicht der Fall sei und bis zur Aufhebung des Zwangskurses nicht sein werde. fDie angeregten Bedenken wären übrigens nur dann von Wichtigkeit, wenn die in der Frage stehende Maßregel bestimmt wäre, vereinzelt zu bleiben. Dieses ist aber keineswegs der Fall. Im Gegenteile werden denselben zwei andere wichtige Vorkehrungen zur Seite gehen, nämlich die Einschränkung der Benützung des Bankkredites und die Herausgabe von Hypothekenanweisungen gegen Erlag von Gold- und Silbermünzen. Beide Vorkehrungen werden auf die Herabminderung des Wechselkurses in dem Maße einwirken, daß die außerordentliche Kreditskasse nicht in die Notwendigkeit geraten dürfte, Wechsel in namhaften Beträgen auszugeben. Zudem dürften die Finanzen durch die Herausgabe 5%iger Anweisungen namhafte Summen Goldes und Silbers zur Verfügung erhalten, was die Benützung des Silbervorrates der Bank entbehrlich machen wird.f Die angeregten Bedenken wären übrigens nur dann von Wichtigkeit, wenn die in der Frage stehende Maßregel bestimmt wäre, vereinzelt zu bleiben. Dieses ist aber keineswegs der Fall. Im Gegenteile werden denselben zwei andere wichtige Vorkehrungen zur Seite gehen, nämlich die Einschränkung der Benützung des Bankkredites und die Herausgabe von Hypothekenanweisungen gegen Erlag von Gold- und Silbermünzen. Beide Vorkehrungen werden auf die Herabminderung des Wechselkurses in dem Maße einwirken, daß die außerordentliche Kreditskasse nicht in die Notwendigkeit geraten dürfte, Wechsel in namhaften Beträgen auszugeben. Zudem dürften die Finanzen durch die Herausgabe|| S. 357 PDF || 5%iger Anweisungen namhafte Summen Goldes und Silbers zur Verfügung erhalten, was die Benützung des Silbervorrates der Bank entbehrlich machen wird.
Schließlich trug der Finanzminister an, um Silber aus dem Auslande gund aus den Verstecken, in denen solches im Inlande verborgen ist, zu ziehen, Anweisungeng ähnlich den 5 % Hypothekaranweisungen hinauszugeben, bei welchen eine 5%ige Verzinsungh zugestanden würdei .
Gegen diesen Antrag ergab sich keine Erinnerung, wobei übrigens bemerkt wurde, daß die fruchtbringende Wirkung desselben als von dem steigenden Vertrauen, d. i. zunehmenden Kredite des Staates abhängig gedacht werden müsse4.
Wien, am 20. November 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 25. November 1851.