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Nr. 580 Ministerrat, Wien, 7. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 8. 11.), P. Krauß 10. 11., Bach 10. 11., Thinnfeld 10. 11., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 10. 11.; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3777 – KZ. 4032 –

Protokoll der am 7. November 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Staatsvoranschlag pro 1852 und Wirkungskreis der Ministerien

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate den Inhalt zweier heute an ihn gelangter Ah. Handschreiben mit, durch deren erstes Se. Majestät den Ah. Willen auszusprechen geruhen, daß das Staatsbudget für das Verwaltungsjahr 1852 mit aller Beschleunigung vorgelegt und von diesem Ah. Auftrage alle Minister in die Kenntnis gesetzt werden sollen1, und durch das zweite, daß dem unterm 27. August d. J. ergangenen Ah. Befehle wegen Erstattung der Anträge über den Wirkungskreis der Ministerien und der Statthalter nun ohne Verzug entsprochen werde2.

In Absicht auf den ersten Ah. Befehl fand sich der Finanzminister Freiherr v. Krauß veranlaßt zu bemerken, daß nach der ersten Zusammenstellung des Staatsbudgets für 1852 sich ein Defizit von 88,600.000 f. herausgestellt habe. Es seien hierauf noch einige Änderungen in den Einnahmen und Ausgaben vorgenommen und bei dem Militär Reduzierungen Ah. angeordnet worden3, nach deren Abzug von der obigen Summe sich das Defizit auf circa 70,000.000 f. stellen dürfte. Mit einem so großen Abgange könne der Finanzminister nicht hervortreten. Derselbe schlug demnach vor, das Budget für die Ministerien noch einmal durchzugehen, um zu sehen, wo und was sich allenfalls noch ersparen ließe, und daß zu diesem Zwecke von jedem Ministerium ein Abgeordneter zu dem Finanzministerium gesendet werde, um diese Angelegenheit definitiv festzustellen. Die Minister erklärten sich dazu bereit und nannten dem Finanzminister die Individuen, welche sich an dem von ihm zu bestimmenden Tage in der erwähnten Absicht bei dem Finanzministerium einfinden würden4.

II. Zolltarif

Der Ministerpräsident brachte weiter die Ah. Entschließungen zur Kenntnis des Ministerrates, welche Se. Majestät über den Vortrag des Handelsministers den neuen|| S. 327 PDF || österreichischen Zolltarif betreffend und über den diesfälligen Einbegleitungsvortrag des Ministerpräsidenten zu erlassen geruhet haben5.

III. Aufhebung des Vereines der Deutschkatholiken

Der Minister des Inneren Dr. Bach las den Entwurf der Ministerialverordnung vor, welche er wegen Aufhebung der Deutschkatholiken oder der sogenannten Lichtfreunde, dem früheren Ministerratsbeschlusse zufolge, nun Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung vorzulegen beabsichtiget6.

Hierüber ergaben sich nur folgende Bemerkungen: a) daß statt des Ausdruckes „daß sie nur politische und keine religiösen Zwecke verfolgen“ jener gesetzt werde „daß sie als vorwaltend politische Vereine anzusehen und nach § 18 des Vereinsgesetzes zu behandeln sind“, b) daß der von der Geschlechtsvereinigung handelnde Paragraph ganz ausgelassen werde, und c) daß die Beerdigung derselben unter polizeilicher Aufsicht und in der Stille zu geschehen habe.

Diesen Bemerkungen entsprechend wird der Minister des Inneren die Textierung ändern und behält sich vor, nach Herablangung der Ah. Genehmigung hierüber eine Instruktion für das Benehmen hinsichtlich der Deutschkatholiken zu entwerfen und im Ministerrate vorzubringen7.

IV. Ehrenbergsche Kolonisten in Ungarn

Derselbe Minister referierte hierauf über die gegenwärtigen, sehr mißlichen Verhältnisse der Ehrenbergschen Kolonisten in Ungarn8. Er bemerkte hierüber im wesentlichen folgendes: Ehrenberg habe vom Grafen Szirmay eine Herrschaft gekauft, auf welcher Gläubiger des Grafen Hypothekarrechte besitzen. Ehrenberg sei anfangs als Kommissionär der Kolonisten aufgetreten und habe erst später, als er sah, daß das Geschäft gewinnbringend sein könnte, auf eigene Rechnung zu handeln angefangen und mit den Kolonisten einen Subkontrakt abgeschlossen. Er werde einen höheren Kaufpreis verschrieben haben, um gegen die Ansprüche aaus dem Titel dera Avitizität gesichert zu sein, was gleichfalls den Kolonisten aufgerechnet worden sein mag.|| S. 328 PDF ||

Von denselben hat Ehrenberg ungefähr 56.000 f. in Empfang genommen und ihnen dafür Parzellen übergeben, welche im Pignoralbesitze der Gläubiger des Grafen Szirmay sich befinden. Diese Gläubiger fordern nun die Einantwortung des Pfandes, wozu ein Termin bis 16. d. M. eingeräumt worden ist. Wenn bis dahin kein Bürge oder Zahler eintritt, werde die Expulsion der Kolonisten erfolgen. Diese verzehren mittlerweile ihr Kapital, hatten heuer keine Ernte und haben auch für das künftige Jahr keine zu erwarten. 50 – 60 Menschen seien von dieser 200 Familien enthaltenden Kolonie bereits gestorben.

Es wird nun vorgestellt, daß es im Interesse der Regierung liegen dürfte, hier einzuschreiten, teils aus Rücksichten der Humanität für diese armen Leute, teils aus Rücksichten für das Gedeihen der Kolonisation selbst. Weiter wird bemerkt, daß der Wert des Teiles, der den Kolonisten verkauft (und, wie erwähnt, den Gläubigern des Grafen Szirmay verpfändet ist), 60 – 70.000 f. betragen dürfte. Das Ärar, meint man, würde keine bedeutende Gefahr laufen, wenn es die Pignoralgläubiger befriedigen und ihre Rechte übernehmen würde. Mit einem Verluste von circa 20.000 f. könnten die Kolonisten gerettet werden, denen dann angemessene Fristen zur Bezahlung ihrer Schuld zu gewähren wären.

Der Minister Dr. Bach kann sich nicht erlauben, den erwähnten Antrag, bei der Ungewißheit der ungarischen Verhältnisse, bei dem Mangel jeder Garantie und bei dem Besorgnisse, dadurch doch nicht zu helfen, zu unterstützen. Die Behörden haben keine Schuld an diesem mißlichen Stande der Kolonie, und das Eingehen in den erwähnten Antrag würde das Ärar in unangenehme Komplikationen mit Ehrenberg, Grafen Szirmay und den Kolonisten selbst bringen.

Der Ministerrat teilte die Ansicht, und der Minister v. Thinnfeld fand nur noch beizusetzen, daß es ihm zweckmäßig zu sein scheine, wenn den Kolonisten ein tüchtiger Advokat beigegeben würde, welcher ihre Rechte gegen Ehrenberg zu wahren hätte, auf welche Andeutung der Minister Dr. Bach Rücksicht zu nehmen versprach9.

V. Brünner Escompteanstalt

In Brünn besteht eine Escompteanstalt der österreichischen Nationalbank, welche zwar auf einem geringeren Fuße eingerichtet ist10 als jene in Prag und Ofen, aber sich fortan auszudehnen strebt. Ursprünglich wurde sie mit 500.000 f. dotiert, und dieser Betrag später auf eine Million erweitert11. Gegenwärtig wird wieder eine Ausdehnung beansprucht und zu diesem Ende vorgestellt, daß der dortige Verkehr immer mehr in Schwung komme und eine Vermehrung der Mittel der Escompteanstalt erheische.|| S. 329 PDF ||

Diese Angelegenheit wurde bei der Bank beraten, und man zeigte sich geneigt, den Fonds der Brünner Escompteanstalt um 200.000 f. zu vermehren, ihn also auf 1,200.000 zu setzen.

Bei diesem Anlasse wurde jedoch von einigen Kaufleuten bemerkt, daß Brünner Kaufleute (Herring, Gomperz, Gastl, Frankl, Samuel Korn) Geld in größeren Beträgen zu 20 – 30.000 f. zu 4 % aus der Escompteanstalt nehmen, um damit Wechselspekulationb zu 7 % zu treiben.

Als dieser Gegenstand vor der Ausfertigung zur Einsicht des Finanzministers mitgeteilt wurde, fand sich dieser bestimmt, noch vorläufig den Statthalter von Mähren darüber zu vernehmen12. Dieser stellte den erwähnten Vorgang nicht in Abrede, versprach, der Sache Aufmerksamkeit zu widmen und den Erfolg anzuzeigen, äußerte aber gleichzeitig den Wunsch, die Escomptekasse nicht ohne die nötigen Mittel zu lassen13.

Was den hier erwähnten Betrag von 200.000 f. anbelangt, so ist derselbe, wie der Finanzminister bemerkt, nicht von dem Belange, um dessen Bewilligung von Seite des Ministeriums zu beanständen. Der Finanzminister glaubt aber, daß ein Schritt weiter zur besseren Einrichtung dieser Anstalt dadurch zu machen wäre, daß ein lf. Kommissär (was anfangs nicht geschehen) derselben mit der Weisung beigegeben werde, darüber zu wachen, daß der Kredit der Escompteanstalt nicht zu solchen Spekulationen und nur nach Bedarf benützt werde, wogegen sich keine Erinnerung ergab.

Der Handelsminister fügte nur die Bemerkung bei, daß es seine gute Wirkung nicht verfehlen dürfte, wenn offen gesagt würde, daß, wenn die Escompteanstalt in Brünn zu solchen Spekulationen und nicht zur Erleichterung des Warenverkehrs benützt wird, dieselbe wieder aufgehoben werden würde. Die Kaufleute würden dann im eigenen Interesse Anstand nehmen, die Escompteanstalt zu ungeeigneten Krediten zu mißbrauchen14.

VI. Leitung des dalmatinischen Militärgouvernements

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich brachte die eingelangte Meldung zur Kenntnis des Ministerrates, daß FML. Reiche das Militärgouvernement in Dalmatien an cGeneralmajor Derschattac für die Zeit bis zur Ankunft des Generals Mamula bereits übergeben habe15.

VII. Entschädigungsgesuch des Hersch Juster

Derselbe Minister referierte über ein Ah. bezeichnetes Gesuch des Bauunternehmers Juster aus Czernowitz um Entschädigung aus Anlaß des Spitalbaues in der gedachten Stadt.

Juster hat diesen Bau als Mindestfordernder um den Betrag von 75.000 f. übernommen und ausgeführt. Nach vollendetem Bau hat derselbe den dabei gehabten Schaden auf 11.000 f. berechnet und zum Behufe der Erlangung einer Schadenvergütung ein Ah. signiertes Gesuch erwirkt. Es wurden darüber die Geniedirektion, das Landesmilitärkommando, die Buchhaltung und die Kammerprokuratur vernommen. Man hat eine Entschädigung für Gegenstände, welche im Plane nicht aufgenommen waren und ausgeführt worden sind, im Betrage von 648 f., dann eine Vergütung für andere Sachen von 1321 f., zusammen bei 2000 f. als billig erkannt und dem Bittsteller zugesprochen.

Der Finanzminister erklärte sich damit einverstanden, es wurde über jenes Ah. bezeichnete Gesuch ein au. Vortrag erstattet, und der Bittsteller mit seinen weiteren Ansprüchen abgewiesen16.

Da derselbe in seinem neuen, Sr. Majestät in Czernowitz überreichten und abermals Ah. bezeichneten Gesuche keine neuen Umstände anführt, keine neuen Gründe vorbringt und die früher angeführten bereits gehörig gewürdiget worden sind, so glaubt der Kriegsminister abermals auf Abweisung antragen zu sollen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte17.

VIII. Schwurgerichts­verhandlung gegen Emanuel Kollmann

Am 13. d. M. soll bei dem hiesigen Schwurgerichtshofe ein Fall der Majestätsbeleidigung, deren sich der Finanzwacheaufseher Kollmann erwiesenermaßen schuldig gemacht hat, zur Verhandlung kommen.

Der Militärgouverneur Baron Kempen nimmt Anstand gegen diese Verhandlung und ging den Justizminister an, sie nicht zuzulassen18.

Der Justizminister gedenkt demselben zu antworten, daß es nicht in seiner Macht stehe, dem Rechte hemmend in den Weg zu treten. Er glaubt dies umso weniger tun zu sollen, als dem Militärgouverneur ohnehin jede Disposition freisteht und er, wenn er Unzukömmlichkeiten von einer öffentlichen Sitzung besorgt, eine geheime anordnen kann19.

Dem Appellationspräsidenten und dem Generalprokurator will übrigens der Justizminister bedeuten, daß sie jeder Unanständigkeit (die er übrigens nicht besorgt) dadurch begegnen können, daß sie dem Vertreter nötigenfalls das Wort nehmen und den Saal vom Publikum räumen lassen20.

IX. Begnadigungsgesuche von Ludwig Janossy und Johann Lehotzky

Schließlich referierte der Justizminister über zwei von dem Olmützer Dompropste Baron Peteani Sr. Majestät überreichte Gesuche zweier katholischer Geistlichen, Ludwig Janossy und Johann Lehotzky (eines Siebenbürgers und eines Ungarn), von denen einer zu fünf Jahren, der andere zu zehn Jahren Festungsarrest, je nach ihrer mehr oder minder hervorragenden Tätigkeit an der ungarischen Revolution, verurteilt worden sind und von welcher Strafe sie bereits zwei volle Jahre abgesessen haben, um Nachsicht des Strafrestes.

Der Ministerrat stimmte dem Justizminister bei, diese Gesuche bei Sr. Majestät nicht zu befürworten, weil jetzt nicht der Moment sei, solche Individuen in ihre betreffenden Länder zurückkehren zu lassen21.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. November 1851.