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Nr. 579 Ministerrat, Wien, 5. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 6. 11.), P. Krauß 7. 11., Bach 7. 11., Thinnfeld 7. 11., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3742 – KZ. 4031 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 5. November 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Industrieausstellung in Wien 1853

Der Handelsminister erbat sich die Beistimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Veranstaltung einer Industrieproduktenausstellung in Wien im Jahre 18531. Dieselbe hätte nebst den österreichischen Produkten auch die Erzeugnisse der deutschen und italienischen Staaten zu umfassen, welche zur Teilnahme daran einzuladen wären.

Der Finanzminister hätte gewünscht, daß auch die anderen europäischen Staaten nicht von der Teilnahme daran ausgeschlossen werden möchten, indem die Zulassung der deutschen und italienischen Staaten von den übrigen, namentlich von Frankreich und England, als eine Demonstration gegen sie gedeutet und übel aufgenommen werden würde, was unter allen Umständen besonders derzeit zu vermeiden sein dürfte.

Die Stimmenmehrheit des Ministerrates vereinigte sich jedoch mit dem Antrage des Handelsministers, nachdem bemerkt worden war, daß so kurze Zeit nach der Londoner großen Ausstellung weder der Zeitpunkt zu einer Nachahmung derselben, noch selbst ausreichende Mittel für ein ähnliches Unternehmen in Wien vorhanden wären, und daß es eben im Interesse der angestrebten Zolleinigung mit Deutschland und Italien gelegen sei, der projektierten Ausstellung wesentlich den Charakter einer deutschitalienischen zu geben, weshalb auch die Beschränkung der Teilnahme auf diese Staaten von den übrigen europäischen Staaten nicht leicht übel gedeutet werden könnte.

Nach diesen Andeutungen äußerte der Finanzminister, auf seiner Einwendung nicht beharren zu wollen; der Justizminister erklärte sich jedoch bestimmt gegen eine solche beschränkte Ausstellung, welche seiner Überzeugung nach gewiß bei den nicht darauf vertretenen Staaten Mißstimmung erzeugen und gewissermaßen das Geständnis involvieren würde, daß Österreich Ursache habe, die Konkurrenz mit der englischen und französischen Industrie zu scheuen2.

II. Auszeichnung für Biagio Verona

Einstimmig erklärte der Ministerrat seinen Beitritt zu dem vom Handelsminister beabsichtigten Antrage bei Sr. Majestät auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Kapitän und Eigner eines österreichischen Schiffes, Biagio Verona, dann einer Geldbelohnung von je 50 f. an fünf Individuen seiner Schiffsmannschaft für die mit bewundernswerter Entschlossenheit und Aufopferung bewerkstelligte Rettung seines während einer sechswöchentlichen Fahrt im Ozean den widrigsten Ereignissen ausgesetzten lecken Schiffes3.

III. Aufgebotsdispensenerteilung

Der Kultusminister brachte mit Beziehung auf den Ministerratsbeschluß vom 20. v. M. sub V. in betreff der Dispenserteilung von den drei Aufgeboten in Fällen dringender Todesgefahr noch die Frage zur Sprache: a) von wem der Erlaß der diesfälligen Verordnung auszugehen habe, und b) wer in Städten mit eigener Gemeindeverfassung, wenn dort zugleich der Sitz der Kreisregierung ist, diese Dispens zu erteilen habe. Ad a) ward sich für das Ministerium des Inneren entschieden; ad b) der Antrag des Kultusministers angenommen, daß auch in solchen Städten, wo der Sitz der Kreisregierung oder Bezirkshauptmannschaft ist, in jenen dringenden Fällen von dem Bürgermeister der mit eigener Gemeindeverfassung versehenen Stadt die Dispens zu erteilen sei, weil es inkonsequent wäre, dieses Recht dem Bürgermeister einer Stadt, die nicht der Sitz der Kreisregierung ist, einzuräumen, ohne es jenem der gewöhnlich bedeutenderen Stadt mit einem solchen Sitze zuzugestehen4.

IV. Strafprozeßordnung (4. Beratung)

Fortsetzung der Beratung der neuen Strafprozeßordnung. Es wurden die §§ 139 bis 216 vorgenommen5.

Dabei ergaben sich folgende Modifikationen:

Zum § 141 ward der vom Justizminister selbst vorgeschlagene Zusatz angenommen, daß, wenn eine Haussuchung von einem Sicherheitsbeamten vorgenommen wird, derselbe sich auf die Beschlagnahme und Versiegelung der Papiere zu beschränken und dieselben unverweilt dem Richter zu übergeben oder wenigstens die Anzeige zu machen habe.

§§ 148 und 149 ward vom Finanzminister der Ausdruck „bei sonstiger Nichtigkeit der Aussage“ als nicht präzis genug beanständet und dafür mit allseitiger Zustimmung gesetzt „bei sonstiger Nichtigkeit des Vernehmungsaktes“, indem die Nichtigkeit sich nur auf diesen letzteren und nicht auf den Inhalt der Aussage beziehen dürfte.

§ 153 wurden mit Rücksicht auf die besonderen Dienstverhältnisse auf den Wunsch des Finanzministers auch „die Beamten und Angestellten der Finanzwache“ in den Text dieses Paragraphes aufgenommen, und nach der Bemerkung des Handelsministers || S. 325 PDF || statt „Vorsteher der Zentralleitung der Telegraphen“ gesetzt „die Direktoren der Posten und Telegraphen“, endlich, da es sich in diesem Paragraphe nur um Zeugenverhöre handelt, im Eingang desselben der Ausdruck „alle Vorladungen“ durch den Beisatz „zur Zeugenaussage“ näher begrenzt.

In den §§ 156 und 157 wünschte der Finanzminister alle Beziehungen auf die Hauptverhandlung, von der bisher noch nirgends die Rede war, ausgeschieden und in die Abteilung verwiesen zu sehen, wo von der Hauptverhandlung gesprochen wird. Der Justizminister behielt sich vor, den Paragraph nach dieser Andeutung im Texte zu modifizieren6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 8. November 1851.