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Nr. 575 Ministerrat, Wien, 27. Oktober 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 28. 10.), P. Krauß 29. 10., Bach 29. 10., Thinnfeld 29. 10., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3650 – KZ. 3795 –

Protokoll der am 27. Oktober 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Auszeichnung für Emanuel Vigil Graf v. Hendl zu Kasten

Dem Vortrage des Justizministers Ritters v. Krauß , für den gewesenen Präses des Landesgerichtes zu Bozen, gegenwärtig ersten Appellationsrat in Innsbruck, Emanuel Vigil Grafen v. Hendl, welcher bereits 41 Jahre mit Auszeichnung dient, durch die Veränderungen des Jahres 1849 als erster Appellationsrat nach Innsbruck kam und den der Appellationsratspräsident Jenull bei seinem Dienstesaustritte für eine Auszeichnung sehr warm empfiehlt1, und seine vorzügliche Genauigkeit, Geschicklichkeit, Geschäftskenntnis und Erfahrung lobend hervorhebt, das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erbitten, wurde von dem Ministerrate beigestimmt2.

II. Hofratstitels für Ladislaus v. Czindery; künftige Benennung der Ministerialräte

Ladislaus v. Czindery, gewesener Vizegespan, wurde im Jahre 1845 zum Obergespan ernannt und in der neuesten Zeit als Interimalpräsident des Landesgerichtes in Fünfkirchen im Ödenburger Bezirke verwendet und hat bis jetzt in allen diesen Dienstposten vollkommen entsprochen. Derselbe bittet nun, um seine durch die letzten Wirren sehr in Unordnung geratenen Vermögens­angelegenheiten wieder zurecht zu bringen, um Enthebung von dem Dienste und um gleichzeitige taxfreie Verleihung des Hofratstitels.

Der Justizminister Ritter v. Krauß würde diese Bitte in beiden Beziehungen zur Unterstützung bei Sr. Majestät geeignet gefunden haben, nachdem jedoch der Minister des Inneren bemerkte, daß es, so lange der Hofratstitel nicht wieder restituiert wird, der Konsequenzen wegen nicht angemessen zu sein scheine, diesen gegen das bestehende System verstoßenden Titel in einem einzelnen Falle zu verleihen, und nach seiner Ansicht es viel zweckmäßiger wäre, um der Unsicherheit der Benennung der bei den höchsten Behörden angestellten Räte zu begegnen (bei dem Obersten Gerichtshofe, bei dem|| S. 307 PDF || Generalrechnungsdirektorium und bei den Hofstäben bestehen nämlich Hofräte und bei den Ministerien Ministerialräte), bei Sr. Majestät den Antrag zu stellen, daß adiejenigen Räte der ehemaligen Hofstellen, welche bei keinem Ministerium angestellt sind, „Hofräte“, und die bei Ministerien dienendena Räte künftig „Hof- und Ministerialräte“ genannt werden, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte, so wurde beschlossen, vor allem diesen letzteren Antrag an Se. Majestät zu richten und bis zur Erfolgung der Ah. Entschließung die obige Bitte des Ladislaus v. Czindery und den erwähnten Antrag des Justizministers auf sich beruhen zu lassen.

Den Entwurf zu dem gedachten Vortrage an Se. Majestät zu machen, wurde der Ministerratssekretär Ministerialrat Freiherr v. Ransonnet angewiesen3.

III. Gesuch des Franz Grafen Schlik zu Bassano und Weißkirchen um Haussteuerfreiheit

Der Minister des Inneren Dr. Bach referierte hierauf über das Ah. bezeichnete Gesuch des Generals der Kavallerie Grafen v. Schlik um zwanzigjährige Steuerfreiheit von seinem in Prag neu erbauten Hause. Er bemerkte, daß er diesen im Jahre 1847 begonnenen Hausbau im Jahre 1848 mit bedeutendem Kostenaufwande, um nämlich Arbeiter (124 Individuen im Durchschnitte täglich) zu beschäftigen, fortgesetzt habe und daß sich dieser Bau einer gleichen Begünstigung zu erfreuen haben dürfte, welche den Neubauten in Wien im Jahre 1848 zugestanden worden sind4.

Die über dieses Gesuch vernommenen Behörden äußerten sich dahin, daß die unterm 31. Juli 1848 unter den damaligen schwierigen Verhältnissen für Wien zugestandene zwanzigjährige Steuerfreiheit auf neue Häuserbauten in Prag keine Anwendung finden dürfte, welcher Ansicht auch das Finanzministerium beitrat.

Der Minister des Inneren kann bei diesem Sachverhalte der erwähnten Ansicht nicht entgegentreten und wird mit Zustimmung des Ministerrates in dieser Richtung den au. Vortrag über das Ah. bezeichnete Gesuch des Grafen Schlik an Se. Majestät erstatten5.

IV. Ausschreibung und Einbringung der Zinsgroschen in Prag

Derselbe Minister besprach sodann eine Vorstellung der Gemeinde Prag, nach welcher dieselbe durch die Ereignisse und Veränderungen des Jahres 1848 in ihrem Einkommen sehr zurückgegangen und nur durch das Erlöschen der Justiztaxen und des Verzehrungssteuerzuschlages ein Ausfall in den Renten von mehr als 200.000 f. herbeigeführt worden ist. Um diesen Ausfall zu decken, wurde ein Zuschlag zu den direkten und indirekten Steuern, dann der Zinsgroschen wie in Wien eingeführt6.

In Wien wird jedoch dieser Zinsgroschen von den Hausherrn eingehoben und wie Steuer behandelt, während in Prag dieser Zinsgroschen lediglich den Parteien auferlegt wurde. Diese Art der Auflage verursachte in Prag eine große Agitation dagegen, und es sind|| S. 308 PDF || daselbst über 12.000 Renitente gegen den Zinsgroschen. Der Magistrat von Prag spricht Schutz der Behörden gegen diese Renitenz an, und die Kreisbehörde und der Statthalter von Böhmen tragen an, dem Magistrate nach den Grundsätzen der Verordnung vom 1. M ai 1850 die Militärexekution zur Eintreibung dieser Giebigkeit zu bewilligen.

Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach, welcher auch der Ministerrat beitrat, bleibt, um die Renitenz nicht aufkommen zu lassen und der Stadtgemeine Prag zu ihrem Einkommen zu verhelfen, nichts übrig, als für diesen Fall den Statthalter zu ermächtigen, die Militärexekution zu bewilligen.

Nachdem jedoch die Art des Bezuges des Zinsgroschen in Prag von der hiesigen Gepflogenheit verschieden ist, so wird der Minister des Inneren über diesen Gegenstand eine spezielle Verhandlung in der Richtung einleiten, damit die hierortige zweckmäßigere Manipulation diesfalls auch in Prag eingeführt werde, worüber seinerzeit ein au. Vortrag an Se. Majestät erstattet werden wird7.

V. Auskünfte über Fat Allah Elian aus Aleppo

Mit Beziehung auf einen früheren Ministerratsbeschluß in der Angelegenheit des Fat Allah Elian aus Aleppo8, welcher glänzende Empfehlungen und Zeugnisse vorgebracht und über dessen Ah. bezeichnetes Gesuch Se. Majestät gebeten wurden, dem zu Schaden gekommenen Christen in Aleppo eine Unterstützung von 400 f. zu bewilligen und den Minister zu ermächtigen, dem Fat Allah Elian eine Reiseunterstützung bis 500 f. zu bewilligen, fand sich der Minister des Inneren bestimmt, nachträglich zur Kenntnis des Ministerrates zu bringen, daß Fat Allah Elian den eingelangten Nachrichten zufolge sich die Eigenschaft eines österreichischen Staatsbürgers unrecht angeeignet und Streitigkeiten veranlaßt habe und daß, wenn er auch als Christ in Aleppo einen Schaden erlitten, dieser doch nicht bedeutend sei9.

Bei dieser Sachlage habe der Minister Dr. Bach dem Fat Allah Elian mit einer Unterstützung über Triest nach Konstantinopel bereits abgehen gemacht, und wird diesen von dem früheren Ministerratsbeschlusse abweichenden Sachverhalt aufklärend zur Kenntnis Sr. Majestät bringen, wogegen sich keine Erinnerung ergab10.

VI. Einbringung der Rückstände von aufgehobenen Leistungen im Küstenlande, Tirol und Vorarlberg

Unterm 25. September 1850 wurde eine Verordnung wegen Erleichterung der Einbringung der Rückstände von aufgehobenen oder ablösbaren Leistungen für jene Kronländer (mit Ausnahme von Küstenland, dann Tirol und Vorarlberg) erlassen, in welchen das Gesetz vom 7. September 1848 zur Geltung kam11. Nun soll nach den noch vorläufig|| S. 309 PDF || gepflogenen und eingelangten Erhebungen diese Verordnung auch im Küstenlande, dann in Tirol und Vorarlberg in der von dem Minister des Inneren, der Finanzen und der Justiz bereits vereinbarten Art im Küstenlande mit einer einzigen Modifikation, in Tirol und Vorarlberg mit dem Zugeständnisse eingeführt werden, daß daselbst eine Verordnung vom Jahre 1829 auch bei der Einbringung von Rückständen der aufgeschobenen und ablösbaren Leistungen Anwendung gegeben werde.

Der Minister des Inneren wird mit Zustimmung des Ministerrates die Ausdehnung der gedachten Verordnung vom 25. September 1850 auf das Küstenland, dann Tirol und Vorarlberg mit den erwähnten Modifikationen bei Sr. Majestät in Antrag bringen12.

VII. Auszeichnungsantrag für Thaddäus L´Allemand

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich brachte die Auszeichnungsangelegenheit des Graveurs L’Allemand für die Rettung des Generals Frank im Oktober 1848 neuerdings zum Vortrage, nachdem dem früheren Ministerratsbeschlusse zufolge die Erhebungen über den anzugebenden Ort, wo L’Allemand dem General Frank an dem verhängnisvollen Abende des 6. Oktober 1848 versteckt haben will, gepflogen und vorgelegt worden sind13. Diesen auf Ansuchen des Militärkommandos durch die Stadthauptmannschaft gepflogenen Erhebungen zufolge beruft sich L’Allemand auf das Zeugnis des Polizeibezirkskommissärs, ehemaligen Gardisten Gaubmann und der Blumenmacherin am Kohlmarkt Anna Weigel. Die letztere bestätigte, daß L’Allemand an jenem Abende einen Herrn zu ihr gebracht habe, um ihn zu verbergen, und dieser Herr sei der General Frank gewesen. Die beiden Schwestern des Generals Frank bekräftigten eidlich, von ihrem Bruder mehrmals gehört zu haben, daß ihn L’Allemand an jenem Tage gerettet habe.

Nachdem nun erwiesen vorliegt, was erhoben werden sollte, und ein solches Verdienst sonst gewöhnlich mit der goldenen Medaille belohnt zu werden pflegte, trug der Minister Freiherr v. Csorich an, für den L’Allemand die Auszeichnung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone von der ah. Gnade Sr. Majestät zu erbitten, mit welchem Antrage sich die Mehrzahl der Stimmführer des Ministerrates vereinigte.

Der Ministerpräsident und der Minister des Inneren fanden sich zu der Bemerkung veranlaßt, daß wegen der zu besorgenden Konsequenzen Belohnungen und Auszeichnungen aus Anlaß der Verdienste im Jahre 1848 als geschlossen angesehen und keine neuen Belohnungen und Auszeichnungen mehr aus diesem Titel verliehen werden sollten. Höchstens bemerkte der Minister Dr. Bach, könnte L’Allemand zur Bezeugung der Ah. Zufriedenheit in Antrag gebracht werden14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 8. November 1851.