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Nr. 567 Ministerrat, Wien, 8. Oktober 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 9. 10.), P. Krauß 11. 10., Bach 11. 10., Thinnfeld 11. 10., Thun 11. 10., Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3440 – KZ. 3607 –

Protokoll der am 8. Oktober 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Sardinien

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner brachte die einzelnen Punkte zum Vortrage, über welche man vorläufig behufs des mit Sardinien abzuschließenden Handels- und Schiffahrtsvertrages übereingekommen ist.

Diese sind, und zwar zunächst die formellen, daß die gegenseitigen Handelsagenten steuerfrei sein sollen.

Da Österreich diesfalls den Grundsatz der Reziprozität beobachtet und Agenten fremder Staaten, in denen unsere Agenten steuerfrei sind, ebenfalls frei läßt, so kann die Zugestehung dieses Punktes keinem Anstande unterliegen.

Die Schiffspapiere sollen in bezug auf den Tonnengehalt zum Behufe der Bemessung der Sanitätsgebühren Beweiskraft haben.

Hinsichtlich der Schiffahrt wird im Prinzipe ausgesprochen, daß dieselbe am Po, am Ticino und ihren Nebenflüssen frei sein soll.

Die österreichischen Eisenbahnen sollen sich in einer bestimmten Richtung an die piemontesischen anschließen.

Nachlässe an Zöllen sollen von beiden Seiten zugestanden werden.

Hinsichtlich der piemontesischen Konzessionen wurde diesfalls als Prinzip aufgestellt, daß alle Konzessionen, welche Piemont an Frankreich, die Schweiz, England, Holland, Griechenland und den Zollverein etc. zugestanden hat oder künftig irgend einem Staate noch zugestehen dürfte, als auch Österreich zugestanden gelten sollen.

Piemont will viele Eingangszölle, wie aus dem diesfalls vom Minister Baumgartner vorgelesenen Tarife hervorging, mitunter nicht unbedeutend ermäßigen.

Was Österreich Piemont dafür zugesteht, besteht in der Hauptsache im ermäßigten Zolle auf den Wein, welcher um 34 %, d. i. von 10 Lire 70 Centesimi auf 7 Lire herabgesetzt werden soll.

Diese Herabsetzung würde einen Ausfall von 123.000 f. der Ziffer nach zur Folge haben; die Behörden meinen aber, daß kein oder kein so großer Ausfall stattfinden werde, weil bei dem ermäßigten Zolle auf eine größere Einfuhr gerechnet werden könne und bei dem bisherigen hohen Zoll mit Wein ein starker Schleichhandel, ungeachtet aller dagegen ergriffenen Maßregeln, getrieben wurde.

Die übrigen Zollherabsetzungen von Seite Österreichs wie auf Öl für die Fabriken, für den enthülsten Reis etc. etc., sind solche, wie sie unser neuer Zolltarif enthält, daher keinem Anstande unterliegend.|| S. 270 PDF ||

Weitere gegenseitige Konzessionen sind, daß für alle Gegenstände, für welche der Zoll nicht 5 Centesimi beträgt, nichts gezahlt werden soll. Ganz frei sollen sein: Stroh, Heu, Torf, Wetz- und Schleifsteine, Kastanien bis zu 10 Kilogrammen etc. etc.

Ferner soll auf mehrere Artikel der Zoll während der Dauer des Vertrages von fünf Jahren beiderseits nicht erhöht werden, und Österreich soll alle Begünstigungen, die wir im Verkehre zur See oder zu Lande an der lombardisch-venezianischen Landesgrenze den eingehenden Waren gewähren, auch den Piemontesern zugestehen.

Die Piemonteser wollen weiter noch einige Begünstigungen speziell für unsere Industrie durch Herabsetzung der Zölle auf Baumwollwaren ordinärer Gattung, Sattlerwaren, Spielereiwaren für Kinder etc. bewilligen, die sie andern bis jetzt noch nicht zugestanden haben, deren Zugestehung sie aber nach dem Grundsatze, dieselben so wie die am meisten Begünstigten zu behandeln, nicht wohl werden verweigern können.

Gegen diese vorläufigen Verabredungen ergab sich keine Erinnerung, und es wurde nur bemerkt, daß in dem mit Piemont abzuschließendem Vertrage kein Hindernis der Zolleinigung Österreichs mit Parma und Modena liegen dürfte, da zu erwarten sei, daß diese letzteren Staaten diesen Bestimmungen beitreten werden1, daß aber der Abschluß des in der Rede stehenden Traktates mit Piemont von dem Zustandekommen der (im Zuge der Verhandlung begriffenen) Schmuggel­konvention mit diesem Staate abhängig gemacht werden solle2.

II. Dotation für Erzherzog Albrecht

Der Ministerpräsident eröffnete, daß bei der bereits erfolgten Ah. Ernennung des Herrn Erzherzogs Albrecht zum Zivil- und Militärgouverneur von Ungarn und bei dem nahe bevorstehenden Antritte dieses Amtes von seiner Seite die Bestimmung über seine Dotation nun dringend notwendig werde und daß Se. Majestät aufzutragen geruhten, der Ministerrat möge sich über diesen Punkt aussprechen3.

Der Ministerrat ist nach längerer Besprechung über diese Angelegenheit, wobei die Dotationen der Herren Erzherzoge Rainer in Italien, Joseph und Stephan Palatine in Ungarn, Ferdinand in Galizien zur Sprache kamen und wobei der Wunsch ausgesprochen wurde, daß aus höheren politischen Rücksichten von der Einrechnung der Einkünfte der ehemaligen Palatinalgüter in die Dotation des Herrn Erzherzogs Albrecht ganz Umgang genommen werde, in der Ansicht übereingekommen, daß dem Herrn Erzherzoge mit Rücksicht auf den Umstand, daß er bemüßiget sein werde, ein großes Haus zu führen und Hospitalität zu üben, mit Rücksicht auf seinen hohen Rang und sein Herkommen und daß in Ungarn die hohe Geistlichkeit und ein großer Teil des Adels bedeutende|| S. 271 PDF || Einkünfte haben, nebst seinem Gehalte als Feldzeugmeister aoder General der Kavallerie v. 8000 f.a und der Funktionszulage als Statthalter bvon 8000 f.b eine außerordentliche Dotation von 180.000 f. bewilliget werden dürfte, wornach sich seine Genüsse nebst freier Wohnung und Einrichtung derselben auf 196.000 f. belaufen würden4.

III. Palatinalgarten in Ofen

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß referierte hierauf über die Verhandlung hinsichtlich des sogenannten Palatinalgartens in Ungarn.

Er bemerkte, daß der Kardinal Primas Batthyány im Jahre 1799 einen Garten und ein Haus auf immerwährende Zeiten zum Genusse des jeweiligen Palatinus bestimmt habe.

Dieser Garten und das Haus wurden nach Abgang des Herrn Erzherzogs Stephan von den Finanzbehörden in die Verwaltung genommen.

Der verstorbene Palatin Erzherzog Joseph habe mehrere Gebäude (Wohnhaus, Treibhaus) in dem Garten aufführen lassen, deren Wert auf 40.000 f. angeschlagen wird. Die Verlassenschaftsmasse des Herrn Erzherzogs Joseph stellt nun Forderung auf Vergütung der erwähnten Auslagen5.

Bei dem Finanzministerium erklärten sich die Räte für die Ablehnung dieses Anspruches, weil auf fremdem Boden ohne Einwilligung des Eigentümers gebaut wurde6.

Der Causarum-Regalium-Direktor und die Kammerprokuratur meinen dagegen, daß eine Vergütung, soweit die Bauten einen Nutzen gewähren, nicht verweigert werden könne7.

Was die bei diesem Anlasse gleichfalls zur Sprache gekommene Frage anbelangt, ob bei dem Umstande, daß die Palatinalwürde in Ungarn nicht mehr besteht, es nicht von der Schenkung des Primas Batthyány abgekommen sei, bemerkte der Finanzminister, daß nach dem ungarischen Staatsrechte die Würde des Palatinus mit jener des Statthalters verbunden war, und wenn auch der Palatinus nicht mehr besteht, doch noch immer der Statthalter da sei, daß sonach die Schenkung als fortan bestehend angesehen werden müsse.

Was weiter die Frage betrifft, ob der Masse des Erzherzogs Palatinus eine Vergütung für die gedachten Bauten gebühre, sprach der Finanzminister sich dahin aus, daß der erweisliche Aufwand allerdings zu vergüten wäre.|| S. 272 PDF ||

Der Ministerrat erklärte sich mit den Ansichten des Finanzministers einverstanden, weil der verstorbene Erzherzog Palatinus Fruchtnießer des gedachten Gartens war, als solcher Meliorationen vorgenommen hat, wofür der erweisliche Aufwand vergütet werden müsse.

Wegen der der Masse zu bewilligenden Summe wird der Finanzminister mit dem Herrn Erzherzoge Stephan unterhandeln und womöglich einen Vergleich zu schließen bemüht sein8.

IV. Hochverratsprozeß gegen Ferdinand Graf v. Bakowski

Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte schließlich die Hochverratsangelegenheit gegen Grafen Bakowski, Gutsbesitzer in Galizien und in Steiermark, (seit mehreren Jahren in Gräz wohnhaft) zur Sprache. Es sind, bemerkte derselbe, in der dortigen Gegend 6 und 10 Kreuzer Münzscheine unter den Leuten mit aufrührerischen Devisen auf der Rückseite gefunden worden, rücksichtlich welcher die Voruntersuchung herausgestellt hat, daß sie von einem Beamten des Bakowski ausgegeben wurden, und daß die Aufschriften darauf auf dessen Geheiß gemacht worden sind. Bei der hierauf bei Bakowski vorgenommenen Haussuchung wurde Korrespondenz mit der Emigration in Paris gefunden. Ferner wurde konstatiert, daß er die Drucklegung eines demokratischen Werkes auf seine Kosten veranstaltet, demokratische Zeitungen unterstützt, den emigrierten Polen Geldgeschenke gegeben und 30.000 f. an die Zentralisation geschickt hat etc.

Hierdurch wäre das Verbrechen des Hochverrates oder wenigstens der Störung der inneren Ruhe des Staates angedeutet.

Der Generalprokurator in Gräz zeigte dies mit dem Beisatze an, daß, da noch kein Reichsgericht für die Aburteilung von Hochverratsprozessen besteht, die dortigen Gerichte für diese Angelegenheit nicht kompetent seien9.

Der Justizminister bemerkte, daß es, um mit der in der Rede stehenden Angelegenheit vorwärts zu kommen, nur das Mittel gebe, Se. Majestät zu bitten, entweder die Ah. Schlußfassung über den in Ah. Händen befindlichen Antrag hinsichtlich der Bestellung des Reichsgerichtes für jene Kronländer, in welchen die Strafprozeßordnung vom Jahre 1850 gilt, auch abgesondert von dem allgemeinen Strafgesetzbuche zu erlassen, oder aber, daß Allerhöchstdieselben zur weiteren Untersuchung und Aburteilung des vorliegenden Falles nach den bestehenden Gesetzen das Lemberger Strafgericht zu delegieren geruhen, wofür auch der Umstand spreche, daß sich unter den Papieren des Bakowski polnische Briefe und Urkunden in dieser Sprache befinden.|| S. 273 PDF ||

cDer Justizminister war für die erste Maßregel.c

Der Ministerrat erklärte sich für die zweite Alternative.

Der Justizminister wird nun in diesem Sinne den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Lemberg, den 19. Oktober 1851.