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Nr. 557 Ministerrat, Wien, 19. September 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 20. 9.), P. Krauß 20. 9., Bach 22. 9., Thinnfeld 20. 9., Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Thun, Kulmer, Stadion.

MRZ. 3224 – KZ. 3432 –

Protokoll der am 19. September [1851] in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Anleihe

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß teilte dem Ministerrate die bis heute bekannten Resultate der Subskriptionen in den verschiedenen Provinzen des Inlandes auf das neue Anlehen mit1. Die Summe dieser Subskriptionen belauft sich auf 47,640.700 fr., enthält aber noch nicht alles, was subskribiert worden ist, so ist z. B. der bei dem Gemeinderate der Stadt Wien subskribierte Betrag nicht darunter. Die Gesamtsumme der Subskriptionen im Inlande dürfte über 50 Millionen betragen. Vom Auslande sind dem Finanzminister die Resultate der Subskriptionen noch nicht bekannt2.

II. Invasionsschulden Niederösterreichs, Oberösterreichs und der Steiermark

Der Finanzminister brachte hierauf folgenden wichtigen Gegenstand zum Vortrage. In den Provinzen Niederösterreich, Oberrösterreich und Steiermark bestehen Invasionsschulden aus den Jahren 1801, 1805 und 1809, welche aus den von den Franzosen ausgeschriebenen Kontributionen durch Zwangsanlehen entstanden und wofür Obligationen ausgestellt worden sind, welche in Zirkulation kamen3. Im Jahre 1811, als die aZinsen von dera Staatsschuld auf die Hälfte herabgesetzt wurden, bsind auch die Zinsen dieser Obligationen auf die Hälfte reduziert wordenb ; als aber im Jahre 1818 die Verlosung der Staatsschuldverschreibungen angeordnet wurde, sind die erwähnten Obligationen von dieser Begünstigung ausgeschlossen worden, weil man diese Obligationen nicht als Staatsschuld, nicht als solche Domestikalobligationen ansah, welche den Staatschuldverschreibungen gleich sind, sondern sie für Kriegsschäden hielt.

Die Besitzer solcher Obligationen und die Stände der genannten Provinzen sind wiederholt um die Regulierung dieser Schulden eingekommen, und im Jahre 1848 sind mehrere Ah. Handbillette deshalb hinabgelangt. Seit dem Jahre 1848 war in dieser Sache nichts zu tun, weil die Konvertierung einer Provinzialschuld in eine Staatschuld nicht ohne den Reichstag hätte geschehen können. Seit den letzten Ah. Entschließungen vom|| S. 232 PDF || 20. August d. J. verhalten sich aber die Sachen anders, und es kann jetzt in Ansehung der genannten Obligationen eine Verfügung getroffen werden.

Der Finanzminister bemerkte weiter, daß ihm eine Eingabe mehrerer Inhaber dieser Schuldverschreibungen zugekommen sei, worin sie bitten, daß dieselben in das neue Anlehen zum Kurse von 50 cfür 100 einer 2½%igen Obligationc und gegen dem einbezogen werden, daß die Besitzer den Rest zum Emissionspreise bar einzahlen4.

Die Summe dieser Obligationen in den genannten Provinzen beträgt über 16 Millionen (Niederösterreich über 5, Oberösterreich über 2 und Steiermark über 9 Millionen)5.

Bei der Erörterung der Frage, ob die Staatsverwaltung sich dieser Papiere anzunehmen habe, glaubte sich der Finanzminister für die Bejahung aussprechen zu sollen.

Der gegen die Übernahme dieser Papiere von Seite des Staates früher geltend gemachte Hauptgrund, daß sie aus Kriegsschäden entstanden, könne nicht als vollgiltig angenommen werden. Man müsse die damaligen Umstände und die Zwangslage der genannten Länder berücksichtigen, in welcher dieselben Zahlungen für andere Provinzen geleistet haben, die gedachten Schäden können demnach nicht als reine Kriegsschäden betrachtet werden. Auch sei zu berücksichtigen, daß in dem Verfahren der Regierung hinsichtlich der gedachten Obligationen Widersprüche vorkommen, indem die Zinsen derselben im Jahre 1811 auf die Hälfte gleich den Staatsschuldverschreibungen herabgesetzt worden sind, wodurch man in der Ansicht bestärkt wurde, daß sie zu den öffentlichen Schulden gehören und diesen gleich werden behandelt werden, während man im Jahre 1818 sie von der Begünstigung der Verlosung ausgeschlossen hat.

Auch den jetzigen Zeitpunkt glaubte der Finanzminister für die Übernahme der Obligationen als günstig erkennen zu sollen. Er bemerkte, daß der größere Teil dieser Schuld sich im Auslande befindet, daß die ausländischen Staatsgläubiger in dem Vorgange der Regierung in Ansehung der gedachten Obligationen eine Inkonsequenz wahrnehmen und daß eine diesen Obligationen zugewendete Begünstigung ihre gute Wirkung nicht verfehlen würde.

Nach der Ansicht des Finanzministers wären die gedachten Obligationen von der Regierung nicht als Ärarialschuld auf das Ärar zu übernehmen; das Ärar hätte wohl diese Schulden auf sich zu nehmen, würde sich aber das Recht gegen die Stände vorbehalten, sodaß in dem Verhältnisse dieser Schulden zu den drei Provinzen keine Änderung einträte.

Was den Maßstab der Ausgleichung anbelangt, würde der Finanzminister einen früheren Vorschlag der oberösterreichischen Stände, nämlich für diese Obligationen den Kurs von 40 anzunehmen, als den angemessensten erkennen. Hiernach wäre der Preis von 93 zu halbieren, die Obligationen wären zu 40 anzunehmen und der Rest (46½) wäre bar einzuzahlen.|| S. 233 PDF ||

Der Finanzminister bemerkte weiter, daß es nicht gleichgiltig sei, die Summe des Anlehens (85 Millionen) ganz voll zu machen. Sollte das Ausland nicht bedeutende Beträge subskribiert haben, müßte sich die Staatsverwaltung, da sie große Zahlungen für das Ausland und im lombardisch-venezianischen Königreiche im Gelde zu leisten hat, in die Lage setzen, sich in anderen Wegen die Mittel dazu zu verschaffen.

Die einfachste Art, dieses zu tun, wäre nach seiner Ansicht, da der Zeitraum zu den Subskriptionen auf das Anlehen ein bis zum 27. d. M. beschränkter ist, die, daß für die Depositenkasse des Tilgungsfonds ein gewisser Betrag (etwa 20 Millionen) subskribiert und der Depositenkasse einige Millionen der in der Rede stehenden Papiere vorbehalten werden. Es wäre eine Kundmachung zu erlassen, daß die Besitzer der gedachten Obligationen sich an dem Anlehen in der oben angedeuteten Art beteiligen können und daß die Depositenkasse ihnen Obligationen des neuen Anlehens überlässe [sic!].

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen des Finanzministers einverstanden; nur glaubten die Minister Edler v. Thinnfeld und Ritter v. Baumgartner , ohne sich übrigens dadurch von der Meinung des Finanzministers zu trennen, bemerken zu sollen, der erstere, daß ihm die Annahme von 33 % als Maßstab der Ausgleichung hinreichend und der Behandlung der anderen Staatsgläubiger entsprechend geschienen hätte, Ritter v. Baumgartner, daß man sich in Beziehung auf die erwarteten moralischen Vorteile diese Maßregel wohl leicht täuschen könnte. Es werden dafür vorzüglich zwei Gründe geltend gemacht: a) das Gutmachen eines früher begangenen Unrechtes und b) daß die Summe des Anlehens von 85 Millionen voll werde.

Was den ersten Punkt anbelangt, sei die daraus erwartete gute Wirkung keineswegs so klar, als man wünschen muß, vielmehr zu besorgen, daß eine ganz entgegengesetzte Wirkung möglich sei. Das Publikum habe das ihm widerfahrene Unrecht bereits vergessen und verschmerzt, und die Obligationen befinden sich, vielleicht zu geringen Preisen, großenteils in anderen als den ursprünglichen Händen.

Was den anderen Punkt anbelangt, so sei die Maßregel immer nur ein Kunstmittel, das Anlehen voll zu machen, was aber in der Wirklichkeit doch nicht der Fall sei. Da die Maßregel dingend ist und Se. Majestät gegenwärtig abwesend sind, kam auch die Frage zur Sprache, ob der Ministerrat es auf sich nehmen wolle, gegen umständliche nachträgliche Darstellung des Sachverhaltes an Se. Majestät die angetragenen Verfügungen selbst und sogleich treffen zu lassen.

Der Ministerrat nahm jedoch Anstand, eine so wichtige Maßregel selbst zu treffen, indem er sich dazu nicht für ermächtiget halten könne.

Der Finanzminister wird demnach, nach vorläufig brevi manu genommener Rücksprache mit dem Reichsratspräsidenten Freiherrn v. Kübeck, die oberwähnten Anträge mit aller Beschleunigung mittelst eines Kuriers an Se. Majestät absenden und sich die Ah. Schlußfassung darüber au. erbitten6.

III. Ernennung eines Vorstehers der Bankfilialescompteanstalt in Pest-Ofen

In Pest und Ofen soll eine Filialescompteanstalt der österreichischen Nationalbank ins Leben treten7. Nach den Statuten ist einer solchen Anstalt ein Vorsteher zu geben, welchen Se. Majestät ernennen.

Die Handelskammer in Pest hat für diesen Posten den dortigen Handelsmann Malvieux vorgeschlagen, und der interimistische Statthalter Baron Geringer und die Bankdirektion erklärten sich mit diesem Vorschlage einverstanden8.

Der Ministerrat teilte die Ansicht des Finanzministers Freiherrn v. Krauß, daß es nicht gut wäre, zum Vorsteher der genannten Escompteanstalt einen Handelsmann zu machen.

Der Finanzminister meinte, daß zum Vorsteher der Filialescompteanstalt in Pest ein Mann höherer Stellung vorzuschlagen wäre, und nannte den Statthaltereirat in Pest Szalay und den Grafen Szapáry9. Als Vizevorsteher könnte Malvieux immerhin mit gutem Erfolge bestellt werden, wie auch hier der Bankgouverneursstellvertreter ein Handelsmann ist.

Nachdem jedoch in Ansehung des Szalay bemerkt worden ist, daß er als Statthaltereirat viel beschäftiget ist, beide Ämter daher ohne Nachteil für das eine oder das andere nicht wohl versehen könnte, und Graf Szapáry häufig von Pest abwesend ist, beide also, abgesehen von ihrer sonstigen Eignung, für den gedachten Posten nicht vorgeschlagen werden können10, so wird der Finanzminister bei dem Umstande, daß daran liegt, die Filialescompteanstalt in Pest bald ins Leben zu setzen, der Bankdirektion antworten, daß rücksichtlich der vorgeschlagenen Direktoren für diese Anstalt nichts zu erinnern sei und daß die Ernennung des Vorstehers nachfolgen werde, bis wohin einer der Direktoren die Leitung der Anstalt zu übernehmen habe11.

Hinsichtlich des zu ernennenden Vorstehers wird der Finanzminister den Minister des Inneren angehen, ihm ein höher gestelltes Individuum zu bezeichnen, welches für den gedachten Posten Sr. Majestät vorgeschlagen werden könnte12.

IV. Zolltarif (8. Beratung)

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner setzte hierauf den Vortrag über den neuen allgemeinen österreichischen Zolltarif fort13.

Bei der IX. Tarifklasse, Abteilung 35, Tarifsatz a) (Brennholz) wurde der Einfuhrzoll von 1 Kreuzer auf 25 Kreuzer, und bei dem Tarifsatze b) (Werkholz gemeines) von 1 Kreuzer|| S. 235 PDF || auf 45 Kreuzer nach dem Antrage der Kommission, welchem der Handelsminister beitrat, erhöht.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte hier, daß im Einvernehmen mit dem Handelsministerium eine Verhandlung wegen Verzollung des Schiffsbauholzes (der Eichenstämme etc.) bei seinem Ministerium in der Absicht im Zuge sei, um die Ausfuhr des Schiffsbauholzes zu erschweren. Der diesfällige au. Vortrag wird nun an Se. Majestät ablaufen gemacht werden.

X. 41 c (Pelzwerk) wurde beschlossen, den Einfuhrzoll von 7 fr. 30 Kreuzer (im Zollvereine beträgt er 8 fr. 34¼ Kreuzer) auf 10 fr. zu erhöhen14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 5. Oktober 1851.