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Nr. 553 Ministerrat, Wien, 12. September 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 16. 9.), P. Krauß 20. 9., Bach 8. 10., Thinnfeld 20. 9., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3154 – KZ. 3211 –

Protokoll des am 12. September 1851 zu Wien stattgefundenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Errichtung eines Obergymnasiums in Capodistria

Über Ah. Aufforderung von Seite Sr. Majestät des Kaisers entwickelte und motivierte der Minister des Kultus und des Unterrichtes seine in einem Allerhöchstenorts erliegenden Vortrage gestellten Antrage wegen Errichtung eines Obergymnasiums in Capodistria mit italienischer Lehrsprache1.

Im Verlaufe der hierüber gepflogenen näheren Erörterung äußerte der Finanzminister , es scheine ihm von besonderer Wichtigkeit, bei diesem Gymnasium, wie bei jenen in Triest, das Deutsche als Lehrsprache einzuführen und sich nicht bloß darauf zu beschränken, daselbst eine Lehrkanzel der deutschen Sprache zu errichten. Der diesfällige Mehraufwand käme gegenüber den damit verbundenen wichtigen Vorteilen in politischer Beziehung nicht zu berücksichtigen.

Im selben Sinne sprachen sich die Minister der Justiz und des Inneren aus, welcher letztere noch bemerkte, er glaube sich zu erinnern, daß eine fanatisierte Italienerin, Gräfin Grisoni, das Gymnasium zu Capodostria mit einer großen Stiftung bedacht habe, um es dann als Agitationsmittel zu benützen.

Nachdem der Unterrichtsminister noch geäußert hatte, daß er – obgleich ursprünglich den Anträgen des Statthalters wegen eines italienischen Gymnasiums beipflichtend2 – völlig damit einverstanden sei, daß in Capodistria ein großer Teil der Lehrgegenstände deutsch vorgetragen werde, geruhten Se. Majestät der Kaiser demselben seinen Vortrag mit dem Ah. Auftrage zurückzustellen, die Frage über die Notwendigkeit eines Obergymnasiums in der gedachten Stadt nochmals genau in Erwägung zu ziehen, bezüglich der Grisoni-Stiftung Erhebungen anzustellen und, wofern sich dann noch die Errichtung dieses Obergymnasiums als rätlich darstellen sollte, im Lehrplan darauf Rücksicht zu nehmen, daß ein großer Teil der Fächer deutsch vorgetragen werden müsse.

Hierüber gewärtigen Se. Majestät neuerlichen Vortrag3.

II. Einkommensteuer der venezianischen Handelsunternehmungen

Über die von Sr. Majestät aufgeworfene Frage, ob es nicht ausführbar wäre, die von der Handelskammer zu Venedig durch Dr. Benedetti angesuchte Befreiung der Venezianer Handels­unternehmungen von Entrichtung der Einkommensteuer im zweiten Semester 1851 zu bewilligen und daselbst für die Zukunft ein Einkommensteuerpauschal mit Beseitigung der individuellen Einkommensteuerfassionen einzuführen, äußerte der Finanzminister , er halte es nicht rätlich, in Venedig solche Ausnahmen zu bewilligen, welche, an sich nachteilig, durch die Exemplifikationen noch schädlicher werden würden4. Auch Triest habe sich der Fatierung unterziehen müssen5. Zu einem Pauschal fehle es an allen Anhaltspunkten, übrigens seien den Handels- und Gewerbsleuten im lombardisch-venezianischen Königreiche alle jene Erleichterungen in Absicht auf Fatierung und Umlegung zugestanden worden, welche man in den deutschen Provinzen nachträglich eingeführt hat; überdies werde die Finanzverwaltung bei der Steuerumlage in Venedig mit tunlichster Schonung zu Werke gehen6.

III. Urteil gegen den Redakteur des „Urchristentum“

Se. Majestät geruhten den Justizminister zu beauftragen, aüber dena Vorgang der steirischen Gerichtsbehörden bei der allzu gelinden Bestrafung des Redakteurs des „Urchristentum“ die geeigneten Weisungen an den dortigen Oberlandesgerichtspräsidenten zu erlassen7.

IV. Ernennung Erzherzog Albrechts zum Zivil- und Militärgouverneur von Ungarn

Se. Majestät der Kaiser geruhten die Ah. Absicht auszusprechen, Se. kaiserliche Hoheit den durchlauchtigsten Erzherzog Albrecht zum Zivil- und Militärgouverneur von Ungarn zu ernennen, um die Oberste Leitung der Landesangelegenheiten in eine energische Hand zu legen8. Da jedoch sehr viel darauf ankommt, Se. kaiserliche Hoheit durch die Beigebung eines erfahrenen und vertrauenswürdigen Mannes für die Zivilgeschäfte zu unterstützen, geruhten Se. Majestät den Ministerrat zur Namhaftmachung eines solchen Mannes aufzufordern. Es kamen hierauf Baron Hauer, Baron Mécsery, die Grafen Cziráky und Nádasdy zur Sprache.

Da jedoch keiner derselben den Anforderungen völlig entsprechen zu können schien, blieb die Ah. Wahl noch unentschieden, und Se. Majestät geruhten nur zu bestimmen,|| S. 219 PDF || daß der interimistische Statthalter Baron Geringer bis zum Eintreffen des durchlauchtigsten Erzherzoges in Pest auf seinem Posten zu verbleiben habe9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 3. Oktober 1851.