Nr. 521 Ministerrat, Wien, 30. Juni 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Thinnfeld
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 1. 7.), P. Krauß 2. 7., Bach 2. 7., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 2. 7.; anw.anwesend Thinnfeld; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 2203 – KZ. 2250 –
- I. Verordnung in Presseangelegenheiten
- II. Ah. Zufriedenheitsbezeigung für Franz Baierlein und David Korn
- III. Auszeichnung für Patricius Popescul
- IV. Untersuchung und Aburteilung bei Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie
- V. Strafmilderung für Joseph Antálfy
- VI. Begnadigung des Joseph Lazich
- VII. Avitizitätsgesetz (2. Beratung)
Protokoll der am 30. Juni 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Verordnung in Presseangelegenheiten
Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate den Inhalt der Note des Reichsratspräsidenten Freiherrn v. Kübeck vom 29. Juni d. J.a mit, womit dieser mit Beziehung auf die demselben zur Begutachtung des Reichsrates mitgeteilten Entwürfe eines Patentes über eine neue Preßordnung für sämtliche Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze und einer schon vorläufig zu erlassenden kaiserlichen Verordnung über denselben Gegenstand und für bdas ganze Kaiserreichb dem Ministerpräsidenten eröffnet, daß er bei dem Umstande, wo das Patent über die Preßordnung mit der Revision des allgemeinen Strafgesetzbuches im Zusammenhange steht (deren Begutachtung längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte), die Beratung über die gedachte kaiserliche Verordnung sogleich vornehmen ließ und das Resultat derselben nun mitteilec .1
Der Minister des Inneren sei nicht, wie er gewünscht habe, dieser Beratung beigezogen worden, weil das Resultat der Vorberatung so übereinstimmend mit der Wesenheit des mitgeteilten Entwurfes ausgefallen ist, daß man dem Minister diese Mühe ersparen wollte; doch habe Baron Kübeck es für notwendig erachtet, ihm die Ergebnisse der reichsrätlichen Beratung brevi manu vorläufig mitzuteilen, der sich damit vollkommen einverstanden erklärte.
Nach der Ansicht des Reichsrates hätte der § 1 der gedachten kaiserlichen Verordnung mit den von ihm angetragenen Modifikationen (welche hier durch die unterstrichenen Worte ersichtlich gemacht worden) in folgender Art zu lauten: „Wird in einer periodischen Druckschrift beharrlich eine dem Throne, der Einheit und der Integrität des|| S. 71 PDF || Reiches, der Religion, der Sittlichkeit, wie überhaupt den Grundlagen der Staatsgesellschaft feindselige oder mit der Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung unvereinbare Richtung verfolgt, so kann von dem Statthalter des Kronlandes, in welchem eine solche periodische Druckschrift erscheint, nach von ihm vorausgegangener zweimaliger schriftlicher fruchtloser Verwarnung die weitere Herausgabe derselben zeitweilig bis auf drei Monate eingestellt werden. Eine auf längere Zeit dauernde oder die gänzliche Einstellung kann nur vom Ministerrate ausgesprochen werden. Der Rekurs gegen die Verfügungen des Statthalters hat keine aufschiebende Wirkung.
§ 2. Ausländische Druckschriften können vom Minister des Inneren für den ganzen Umfang des Kaiserstaates verboten werden. Das gehörig kundzumachende Verbot einer ausländischen Druckschrift usw. wie im Entwurfe.
§ 3. Wird wie im Entwurfe beibehalten, nur wäre statt des letzten Wortes desselben (ermächtigt) das Wort „verpflichtet“ zu setzen.
§ 4. Als Verbreiter ist anzusehen und zu bestrafen, wer verbotene ausländische oder ihnen gleichgehaltene Druckschriften in den Kaiserstaat versendet, oder deren Versendung dahin durch Bestellung ohne hiezu bei dem Statthalter erwirkte Erlaubnis veranlaßt, wer derlei Druckschriften mit Übertretung der für die Wareneinfuhr bestehenden Vorschriften in das österreichische Staatsgebiet einbringt oder einbringen läßt, wer damit Handel treibt, wer solche Druckschriften im Inlande verteilt, an öffentlichen Orten, in Lesezirkeln, Leihbibliotheken usw. auflegt oder vorliest, oder sonst an andere zur weiteren Mitteilung abtritt.
§ 5. Bleibt wie im Entwurfe.
§ 6. Das Strafverfahren im Sinne des § 5 steht in den Ländern, wo die neue Strafprozeßordnung vom 17. Jänner 1850 ins Leben trat, den Bezirkskollegialgerichten zu; in allen übrigen Teilen der Monarchie haben die lf. Kollegialstrafgerichte darüber zu erkennen.
Der Ministerrat erklärte sich mit den vom Reichsrate angetragenen, mit der Wesenheit der gedachten kaiserlichen Verordnung übereinstimmenden zweckmäßigen Ergänzungen im allgemeinen einverstanden, nur glaubte derselbe über die Motion des Grafen Thun und auch mit Zustimmung des Ministers des Inneren den im § 4 vorkommenden Zusatz „ohne hiezu bei dem Statthalter erwirkte Erlaubnis“ als bedenklich und zum Missbrauche leicht Anlaß gebend, dwegzulassen wäre, weil, wenn gleich von vornherein die Gestattung des Bezuges verbotener Druckschriften gegen Scheden ausgesprochen wird, dies die politischen Behörden in der Handhabung des Verbotes nur lässig machen würde, und es nicht angemessen zu sein scheint, bei einem ohnehin nur vorläufigen und nur für kurze Dauer bestimmten Verbotsgesetze gleichzeitig auch schon Ausnahmen zu gestatten. Solche Erlaubnisscheine würden, wie in früherer Zeitd, zur Übertretung des Gesetzes Veranlassung geben, auch würde schwer ein Maßstab zu finden sein, welchen Individuen solche Bewilligungen zu erteilen wären.|| S. 72 PDF ||
fHiernach werden nunmehr Sr. Majestät die au. Anträge erstattet werdene .2
II. Ah. Zufriedenheitsbezeigung für Franz Baierlein und David Korn
Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte für die zwei Wachkommissäre Baierlein und Korn, für welche die Unterbehörden das silberne Verdienstkreuz befürworteten, deren immerhin anerkennungswerte Verdienste er aber nicht als so hervorragend erkennt, um der gedachten Auszeichnung teilhaftig werden zu können, die Ah. Zufriedenheitsbezeigung in Antrag, womit sich der Ministerrat ebenso einverstanden erklärte3, wie mit dem weiteren Antrage
III. Auszeichnung für Patricius Popescul
desselben Ministers, dem Administrator der bischöflichen griechisch-nichtunierten Diözese Arad namens Popescul, welcher von allen Autoritäten sehr gelobt und dessen Verdienste um die Administration der gedachten Diözese und sonst besonders hervorgehoben werden, den Franz-Joseph-Orden von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erbitten4.
IV. Untersuchung und Aburteilung bei Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie
Der Kriegsminister FML. Freiherr v. Csorich brachte zur Kenntnis des Ministerrates, insbesondere der Minister der Justiz und des Inneren, daß Se. Majestät (bezüglich des § 44 des Gendarmeriestatuts) zu entschließen geruhet haben, daß dort, wo der Belagerungszustand besteht, Fälle der Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie wie gegen andere Organe der öffentlichen Sicherheit von den Kriegsgerichten zu untersuchen und abzuurteilen sind5.
V. Strafmilderung für Joseph Antálfy
Der Justizminister Ritter v. Krauß beabsichtiget, für den gewesenen Stadtrichter in Schemnitz Joseph Antálfy, welcher am 15. März 1850 zu vierjährigem schweren Kerker verurteilt wurde, bei Sr. Majestät auf die Milderung der Strafdauer auf zwei Jahre anzutragen, wornach derselben im Ah. Gewährungsfalle noch bis zum 15. März 1852 zu sitzen hätte.
Er ist teils geständig, teils beinzichtigt, in einem gedruckten Aufrufe zum Eintritte in die Guerillas aufgefordert und die sich Meldenden beeidiget zu haben. Mildernd für ihn spricht der Umstand, daß er unter moralischem Zwang und auf Befehl handelte, von schwächlicher Gesundheit ist und sein Betragen im Kerker ohne Ausstellung war.
Der Ministerrat erklärte sich mit dem Antrage des Justizministers einverstanden6.
VI. Begnadigung des Joseph Lazich
Joseph Lazich aus Pantschowa in der Militärgrenze wurde am 9. April 1849 zu dreijährigem Kerker in leichten Eisen verurteilt, weil er am 5. Jänner 1849 in einem Gasthofe in Preßburg öffentlich ausgesagt hat, die kaiserlichen Truppen seien geschlagen, er selbst habe 30 Wägen mit Verwundeten gesehen, und in sechs Tagen würden die Ungarn in Preßburg sein. Für diesen schon über zwei Jahre sitzenden, für sein Verbrechen verhältnismäßig ohnehin zu hart Bestraften wird der Justizminister mit Zustimmung des Ministerrates auf die gänzliche Nachsicht des Strafrestes bei Sr. Majestät antragen7.
VII. Avitizitätsgesetz (2. Beratung)
Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte hierauf das für die Kronländer Ungarn, Kroatien und Slawonien, die serbische Woiwodschaft und das Temescher Banat zu erlassende Avitizitätsgesetz zum Vortrage, worin man in der heutigen Sitzung bis zu dem § 18 vorgeschritten ist8.
In dem § 6 (2. Zeile und die folgenden) werden nach dem Antrage des Justizministers selbst die Worte „jedoch mit Aufrechthaltung der am Schlusse des § 3 enthaltenen Beschränkung“ als nicht notwendig weggelassen.
Die Beratung über die §§ 9 und 13 wurde aufgeschoben, über den ersteren, bis man in der Deliberation über das Gesetz und seine Bestimmungen weiter vorgeschritten sein wird, über den zweiten, weil sich der Justizminister vorbehielt, die von den Familienfideikommissen als Majoraten und Senioraten handelnden Gesetzartikel 9:1687 und 50:1723 ausheben zu lassen und in der nächsten Sitzung vorzubringen9.
§ 14. Um den in diesem Paragraphe vorkommenden Ausdruck „so ist jeder österreichische Reichsbürger berechtigt, auch in Ungarn, Kroatien, Slawonien, der serbischen Woidwodschaft und dem Temescher Banate Liegenschaften jeder Art, selbst vormals adelige zu erwerben“, für die Ungarn etc. nicht anstößig erscheinen und die volle Gleichheit der Ungarn etc. in Ansehung dieses Rechtes schon im Wortlaute dieses Paragraphes ausdrücklich bemerkbar zu machen, wurde beschlossen, diesen Paragraph beiläufig in folgender Art zu textieren: „Da nach dem § 30 der Reichsverfassung zwischen den Bewohnern aller Kronländer kein Unterschied in bezug auf das Recht, Liegenschaften jeder Art zu erwerben, mehr besteht, so ist jeder österreichische Reichsbürger in den Ländern, in welchen dieses Gesetz gilt, ebenso berechtiget, Liegenschaften jeder Art, selbst vormals adelige, zu erwerben, wie den Bewohnern von Ungarn, Kroatien und Slawonien, der serbischen Woiwodschaft und des Temescher Banats dasselbe Recht in den übrigen Teilen der Monarchie nach dem erwähnten § 30 der Reichsverfassung zusteht.“
In Ansehung des zweiten Absatzes des § 17, worin bestimmt wird, daß, wenn beim Eintritte der Wirksamkeit der gegenwärtigen Verordnung ein Zeitraum von 32 Jahren (der in Ungarn gewöhnlichen Verjährungsfrist) noch nicht verflossen ist, die Prozesse der erwähnten Art (also auch über Grenzstreitigkeiten) binnen einem Jahre bei sonstigem Verluste des Klagerechtes einzuleiten seien, fand der Finanzminister Freiherr v. Krauß || S. 74 PDF || zu bemerken, daß ihm der hier festgesetzte Zeitraum von einem Jahre für die Einleitung aller nicht bloß aus der Avitizität entspringender, sondern auch der Prozesse über Grenzstreitigkeiten etc., welche rein privatrechtlicher Natur sind, viel zu gering angenommen zu sein scheine.
Es dürften in diesen Zeitraum von einem Jahre so viele Prozesse hineingedrängt werden, daß die Richter denselben zu genügen nicht im Stande wären. Der Finanzminister wünschte aus den gegenwärtigen Verhältnissen in Ungarn etc. in den Zustand des Grundbesitzes, wie er bei uns ist, einen milderen Übergang und keinen Sprung, wie er hier angetragen wird.
Dagegen wurde von dem Justizminister erinnert, daß in Polen, wo ähnliche Verhältnisse wie in Ungarn etc. bestanden haben, gleichfalls solche Präklusivtermine gesetzt worden seien, und derselbe, sowie auch der Minister des Inneren bemerkten, daß sehr viel daran gelegen sei, die Unsicherheit des Eigentums in den gedachten Kronländern nicht lange bestehen zu lassen, daß die Regierung Präklusivtermine von jeher aufgestellt und daß die mit der Bearbeitung des Entwurfes des Avitizitätsgesetzes beauftragte Kommission sich für die Festsetzung des Termins von einem Jahre ausgesprochen hat.
Bei der hierauf gefolgten Abstimmung erklärten sich für Bestimmung des Gesetzentwurfes, nämlich für die Frist von einem Jahre, mit dem Justizminister die Minister des Inneren und der Landeskultur einverstanden; die Stimmenmehrheit sprach sich dagegen für eine Frist von drei Jahren, der Minister Graf Thun von fünf Jahren aus10.
Wien, am 1. Juli 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 6. Juli 1851.