MRP-1-2-05-0-18510623-P-0517.xml

|

Nr. 517 Ministerrat, Wien, 23. Juni 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, nur VIII–X, 24. 6.), P. Krauß 25. 6., Bach 24. 6., Thinnfeld 25. 6., Thun (nur VIII–X), Csorich (nur VIII–X), K. Krauß, Baumgartner 25. 6.; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. – KZ. 2247 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten in Wien am 23. Juni 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg. Der Justizminister referierte über nachstehende Begnadigungsgesuche für politische Verbrecher:

I. Begnadigungsgesuche politischer Verbrecher aus Ungarn

Eduard Németh, gewesener Stuhlrichter, verurteilt zu sechsjährigem Festungsarrest in Eisen, mit dem Antrage auf Herabsetzung der Strafe auf zwei Jahre, oder – wie der Minister des Inneren meinte, dem sowohl der Justizminister als auch die übrige Stimmen beitraten – auf gänzliche Begnadigung, nachdem dem Verurteilten außer seiner fortgesetzten Amtstätigkeit auch unter der revolutionären Regierung nichts besonders Gravierendes zur Last fällt1.

II. Begnadigungsgesuche politischer Verbrecher aus Ungarn

Michael Jantso, gewesener Bürgermeister, welcher mehr kompromittiert ist als obiger und nur zu zwei Jahren Arrest verurteilt wurde, erscheint zu keiner Berücksichtigung geeignet.

III. Begnadigungsgesuche politischer Verbrecher aus Ungarn

Ladislaus Zorkóczy, minder graviert, zu drei Jahren verurteilt, wovon mehr als die Hälfte bereits abgebüßt sind, ward zur Begnadigung angetragen2, ebenso

IV. Begnadigungsgesuche politischer Verbrecher aus Ungarn

Ignaz Gallász, Vizedechant, unter ganz gleichen Verhältnissen, nur mit dem vom Minister des Inneren beantragten Beisatze, daß mit dem betreffenden Bischofe das Einvernehmen zu pflegen sei, damit Gallász nach seiner Freilassung nicht in der Seelsorge wieder angestellt, sondern auf geeignete Weise versorgt werde3.

V. Verdienstkreuz für Franz Ackermann

Erhielt der Minister des Inneren die Zustimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes an den am|| S. 53 PDF || 6. Oktober 1848 wegen Verhinderung des Sturmläutens mit dem Tode bedrohten Rechnungsoffizial Ackermann4.

VI. Adelsangelegenheit der Tarnawiecki recte Prokopczyk

Im Jahre 1791 ward der Adel der polnischen Familie Tarnawiecki Allerhöchstenorts bestätigt. Im Jahre 1820 erwirkte der Schuldirektor Tarnawiecki in Stanislau auf Grund der angegebenen Abstammung von Basil Tarnawiecki die Anerkennung des Adels dieser Familie für sich. Später meldete sich ein anderer Abkömmling, und es kam an den Tag, daß jener Schuldirektor gar nicht aus der gedachten Familie stamme, eigentlich Prokopzyk und Tarnowiecki heiße und es ward ihm und seinen Söhnen die Führung des Adels etc. eingestellt.

Letztere haben nun in einem Ah. signierten Gesuche um Verleihung des Adels aus Gnade gebeten, weil sie so lange bona fide im Besitze desselben waren5.

Allein, der Minister des Inneren fände bei der Art, wie der Adel erschlichen worden, und beim Mangel besonderer persönlicher Verdienste der Bittsteller keinen Grund, auf die Gewährung des Gesuchs bei Sr. Majestät einzuraten, welcher Ansicht auch die übrigen Stimmen beipflichteten6.

VII. Steuerbehandlung der Staatsgebäude des Montanistikums in Ungarn

Der Finanzminister referierte über die Frage wegen der Steuerbehandlung der Staatsgebäude etc. des Montanwesens in Ungern7.

a) In Ansehung der Grund- und Gebäudesteuer kann es keinem Zweifel unterliegen, daß solche, gleich Privatrealitäten, dieser Steuer unterliegen.

b) Die Einkommensteuer belangend, erscheint es eben auch nur konsequent, das aus Gewerbsunternehmungen entspringende Einkommen der Steuer zu unterwerfen, und nur für das Vergangene, insofern sie noch nicht fatiert und vorgeschrieben ist, darüber hinauszugehen.

Die hierbei vom Minister für Landeskultur und Bergwesen vorgeschlagene Modifikation, vorerst von dem ganzen Reinertrage die Bergfrone in Abzug zu bringen und erst von dem Reste die Einkommensteuer zu bemessen, erklärte der Finanzminister in Anwendung bringen zu lassen.

Sonst ergab sich gegen den Antrag keine Einwendung8.|| S. 54 PDF ||

aAn den vorstehenden Besprechungsgegenständen hatten der Ministerpräsident, der Kultus- und Kriegsminister nicht teilgenommen.a

VIII. Ankauf der Galerie Manfrin

Der Ministerpräsident brachte die Frage über den Ankauf der Bildergalerie Manfrin in Venedig für den Staat zur Abstimmung9.

Für denselben erklärten sich übereinstimmend mit dem Minister des Inneren der Justiz-, der Kultus-, Handelsminister und der Minister für Landeskultur, damit diese schätzbare Sammlung nicht zerstückt und der Stadt Venedig entzogen werde.

Der Finanzminister stimmte von seinem Standpunkte aus unter den jetzigen Verhältnissen umso mehr gegen den Ankauf dieser Galerie, als nicht alleine der Anschaffungspreis (bdie Manfrinschen Erben verlangtenb 300.000 f., Krafft trägt an, 180–150.000 f. zu bieten10), sondern auch die künftigen Erhaltungs-, insonderheit aber diejenigen Kosten berücksichtigt werden müssen, welche die Restaurierung der vielen verdorbenen Bilder erfordern werde und welche, nach Kraffts Versicherung, dermalen nicht ziffermäßig angegeben werden können, jedenfalls aber bedeutend sein werden11.

cAn der Abstimmung über den vorstehenden Punkt hat der Kriegsminister nicht teilgenommen.c

IX. Ungarische Bahnen

Der Handelsminister machte bezüglich des im Ministerrate vom 16. d. M. (2060) sub Nr. II. vorbehaltenen Antrags wegen Erwirkung der Ah. Genehmigung der Hauptpunkte für die ungrischen Eisenbahnen die Mitteilung, daß hierwegen bereits die von seinem Vorgänger im Ministerium erwirkte Ah. Genehmigung der bezüglichen Anträge vom 22., resolviert 29. April 1851, vorliege12.

X. Ausdehnung des Militärgrenzkordons in der Lombardei

Schließlich brachte der Kriegsminister die Ah. Entschließung vom 22. Juni 1851 (MRZ. 1956), wodurch die Ausdehnung des Militärgrenzkordons in der Lombardie genehmigt wurde, zur Kenntnis des Ministerrates13.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 28. Juni 1851.