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Nr. 513 Ministerrat, Wien, 16. Juni 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 17. 6.), P. Krauß 20. 6., Bach 18. 6., Thinnfeld 20. 6., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 20. 6., Kulmer; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 2003 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, abgehalten zu Wien am 16. Junius 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Systemisierung des Reichsratspersonals

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate den Inhalt des an ihn herabgelangten Ah. Kabinettschreibens vom 24. d. [M.] über die Sytemisierung des Hilfspersonale des Reichsrates zur Kenntnisnahme mit1.

II. Anschluß der österreichischen und bayerischen Eisenbahnen

Die Bemerkungen des Finanzministers im Ministerrate vom 13. d. M. ad IV. betreffend den beabsichtigten Bau der Eisenbahnen von Kufstein nach Innsbruck und von Klesheim über Salzburg nach Bruck beziehen sich nach den heute abgegebenen Erklärungen vornehmlich auf die Festsetzung der Frist, binnen welcher damit zustande zu kommen die österreichische Regierung der bayerischen die Zusicherung geben will.

Im finanziellen Interesse sowohl als in jenem der möglichsten Ausdehnung der inländischen Bahnen in der östlichen Richtung würde der Finanzminister lebhaft wünschen, daß die Frist zur Herstellung jener Bahnen nicht vor dem Jahre 1860 festgesetzt werde, um einesteils gegen mögliche Eventualitäten, welche den Bau zu verzögern vermöchten, gesichert zu sein, anderenteils aber um freie Hand und die Mittel zu behalten, die, wie ihm scheint, viel wichtigeren Bahnbauten in Ungern, Galizien und im lombardisch-venezianischen Königreiche mit Nachdruck betreiben zu können.

Der Handelsminister machte dagegen geltend, daß eine längere Hinausschiebung der Frist über das Jahr 1858 hinaus bayerischerseits zuverlässig ungern gesehen werde und leicht die nachteilige Wirkung haben dürfte, daß jene Regierung in einer anderen Richtung die Vorteile zu suchen bestimmt werden könnte, welche sie sich von dem Anschlusse an die österreichischen Bahnen verspricht; daß daher der Vorteil unsererseits entschieden ist, wenn der Anschluß so bald als möglich zustande kommt, und erst hierdurch die österreichischen Südbahnen ihre wahre Bedeutung im Weltverkehr erhalten werden; daß endlich die Bahnbauten im Osten des Reiches darum nicht werden vernachlässigt werden, indem dort auch die Baukosten bedeutend geringer als in Tirol und Steiermark etc. sind, und überdies durch die im kommenden Jahre bevorstehende Vollendung des Baues am|| S. 31 PDF || Semmering2 die dafür in Anspruch genommenen bedeutenden Geldmittel für die anderen Objekte disponibel werden.

Bei der Abstimmung vereinigte sich die Majorität, nämlich die Minister Dr. Bach, v. Thinnfeld, Baron Kulmer, Graf Thun und Freiherr v. Csorich mit dem Antrage des Handelsministers für die Festsetzung des Vollendungstermins bis 18583.

aBezüglich der ungrischen Bahnen erklärte der Handelsminister vorläufig die Absicht, bei Sr. Majestät die Ermächtigung zu erbitten, einstweilen zur Ausarbeitung der Pläne für die Hauptverkehrspunkte zu schreiten, in welcher Beziehung die umständlichere Besprechung vorbehalten warda .4

III. Meeresgrundüberlassung an den österreichischen Lloyd

Referierte der Finanzminister über den Antrag des vorigen Handelsministers Freiherrn v. Bruck vom 12. Dezember 1850, MRZ. 5114, wegen unentgeltlicher Überlassung eines Teiles des Meeresgrunds zur Herstellung einer Schiffswerfte an den österreichischen Lloyd in Triest5.

Nach den von der Finanzlandesdirektion gepflogenen Erhebungen ist sich in ähnlichen Fällen nicht gleichmäßig benommen worden, indem teils unentgeltliche, teils entgeltliche Überlassungen solcher Anteile stattgefunden haben. Die Finanzdirektion ist gegen eine unentgeltliche Überlassung6, und der Finanzminister ist mit ihr darin umso mehr einverstanden, als das Ärar wirklich in den Fall gekommem ist, sein einst unentgeltlich vergebenes Eigentum itzt für die k. k. Marine von dem Pr[ofessor] Tonello um 90.000 f. zurückzukaufen7. Mit dem von der Landesdirektion vorgeschlagenen Preise von 8000 f. ist aber der Minister nicht einverstanden, weil es derzeit an einem Maßstabe dazu gebricht. Vielmehr wäre er der Meinung, daß dem Lloyd die gebetene Meeresgrundfläche zu überlassen, nach erfolgter Anschüttung abzuschätzen und von dem nach Abzug der Anschüttungskosten sich darstellenden Wertkapitale nach Ablauf von zehn Freijahren ein angemessener jährlicher Zins abzunehmen, endlich für den Fall der Auflösung der Lloydgesellschaft|| S. 32 PDF || etc. der Rückfall der gewonnenen Grundfläche an das Ärar gegen Vergütung des Werts der darauf befindlichen Gebäude zu bedingen wäre. Der Finanzminister hätte dabei vorzüglich den Gesichtspunkt im Auge, den Grundsatz zu wahren, daß ärarisches Eigentum nicht unentgeltlich vergeben werde, und sich gegen ähnliche Vorkommnisse wie beim Tonello’schen Anteile zu schützen.

Der Handelsminister fände es hart für den Lloyd, sich auf eine erst zu ermittelnde Zahlung einzulassen, und würde die Festsetzung eines Peises gleich itzt vorgezogen haben; nachdem jedoch der Minister des Inneren bei der wahrscheinlich sehr unbedeutenden Ziffer des nach dem Antrage des Finanzministers auszumittelnden Zinses für die unentgeltliche Überlassung des fraglichen Meeresgrundes, jedoch mit Vorbehalt des Rückfalls an das Ärar, sich ausgesprochen hatte, trat nicht nur der Handelsminister, sondern auch die Mehrheit des Ministerrates dem Antrage des Ministers des Inneren bei.

Der Justizminister teilte die Ansicht des Finanzministers umso mehr, als es sich um die Veräußerung nicht nur von Staatseigentum, sondern auch des Dispositionsrechts damit gegenüber einer auf Gewinn und Erwerb berechneten Aktiengesellschaft handelt8.

IV. Einführung des Salzfreihandels in Ungarn und dessen einstigen Nebenländern

Brachte der Finanzminister das ihm von Sr. Majestät mitgeteilte Gutachten des Reichsrats über seinen Vortrag vom 22. April 1851, MRZ. 1368, wegen Regulierung der Salzpreise und Einführung des Salzfreihandels in Ungern etc. zum Vortrage9. Die Anträge des Finanzministers gingen dahin: 1. von den in Ungern etc. bestehenden Ärarsalzmagazinen diejenigen aufzulassen, welche sich vermöge ihres bisherigen geringen Absatzes als entbehrlich darstellen; 2. in dem Maße der Reduktion derselben mit der Salzpreisregulierung (da bisher in jedem Magazin andere Salzpreise bestanden) vorzugehen, zugleich aber unter Auflassung der bisher gegen die in Ansehung des Salzpreises bevorzugten Landesteile (Arvaer, Thuroczer und Liptauer Komitat, die Militärgrenze und Siebenbürgen) bestandenen Kordone, welche bei dem Aufgeben der Zwischenzollinie überhaupt nicht mehr bestehen können, den gedachten Landesteilen den Bezug des Limitosalzes zu gewähren.

Der Reichsratspräsident, auf Grundlage des ausgeführten Votums des Reichsrates v. Purkhart, vermißte bei diesen Anträgen die vorläufigen genauen Erhebungen aller Verhältnisse im Lande, insbesondere über den Bedarf der Bevölkerung in den einzelnen Gegenden, besorgte von dem Aufheben der Magazine bei dem schlechten Zustande der Verkehrsmittel Mangel an diesem notwendigen Lebensbedürfnisse und hätte gewünscht, daß durch Aufstellung mehrerer Salzverschleiße dieser Besorgnis vorgebeugt würde. Mit Rücksicht auf den Umstand jedoch, daß Se. Majestät die Aufhebung der Zwischenzollinie mit 1. Juli 1851 genehmigt haben10, stimmte der Reichsrat v. Purkhart den Anträgen|| S. 33 PDF || des Finanzministers mit der Klausel bei, daß bezüglich des Limitosalzes die individuelle Verteilung in entsprechender Weise durch die politischen Behörden bewirkt, vor Ablauf von fünf Jahren über die progressive Regulierung der Salzpreise beraten und die Einführung des Salzfreihandels nur nach Einvernehmung der Lokal- und Landesbehörden ausgedehnt, endlich solche Einrichtungen getroffen werden, um das Publikum dabei gegen Salzmangel und Überhaltung zu schützen.

Der Reichsratspräsident erklärte sich mit den Anträgen des Finanzministers überhaupt nicht einverstanden, indem er nicht nur die Besorgnisse des Reichsrates Purkhart wegen zu befürchtenden Salzmangels teilte, sondern auch darauf hindeutete, welch üblen Eindruck es im Lande machen würde, wenn eine Erhöhung der Salzpreise einträte. Er machte insbesondere gegen die Einführung des – ihm überhaupt unpraktisch erscheinenden – Salzfreihandels in Ungern noch zwei Rücksichten geltend: 1. daß mehrere Grundherrschaften infolge besonderer Privilegien das Recht zum Salzverschleiße haben, und 2. daß mit Einführung des Tabakmonopols die Aufstellung von Tabakkleinverschleißen stattgefunden hat11, womit nunmehr sehr leicht Salzverschleiße verbunden werden könnten, welche nicht nur die Konsumenten mit diesem notwendigen Lebensbedürfnisse im kleinen versehen, sondern auch noch den Vorteil gewähren würden, daß sie zur Versorgung pensionierter Offiziere und hierdurch zur günstigen Einwirkung auf die Stimmung der Bevölkerung Gelegenheit geben.

Der Finanzminister bemerkte vor allem, daß er in der Hauptsache bei seinen Anträgen verharre.

Es bestehet kein Grund zu einer Besorgnis, daß irgendwo im Lande Salzmangel eintreten werde. Denn die Absicht ist nicht, alle Magazine und auf einmal, sondern nur diejenigen aufzuheben, bei welchen ein geringer Absatz stattgefunden hatte, die also für den wirklichen Bedarf als entbehrlich erscheinen.

Was die Vernehmung der politischen Landsbehörden über die in Rede stehenden Maßregeln anbelangt, so liegen dieselben, freilich nicht in der vom Reichsrate bv. Purkhart gewünschten Ausführlichkeitb, aber doch mit der bestimmten Erklärung vor, daß sobald als möglich mit der Auflassung der entbehrlichen Ärarmagazine und mit Einführung des Salzfreihandels im Lande vorgegangen werde, um der Privatbetriebsamkeit damit ein neues Objekt zu verschaffen. Ins einzelne gehende Nachweisungen über den Bedarf der Bevölkerung an Salz sind wohl nicht eingeholt worden; die Ursache aber ist, weil, wie die Erfahrung gelehrt hat, solche Nachweisungen durchaus unzuverlässig, in ihren Resultaten widersprechend und nie der Wahrheit angemessen, sondern nach dem jeweiligen Interesse der Beteiligten berechnet sind.

Übrigens besteht der Salzfreihandel selbst in Ungern faktisch schon; er soll nur von dem unnötigen Rüstzeuge, von dem das Produkt wesentlich verteuernden Ärarial-Transports-, Magazins-, Kontrolls- und Beamtenwesen befreit und dadurch die Verminderung und nicht – wie Baron Kübeck besorgt – eine Erhöhung der Salzpreise ermöglicht werden.|| S. 34 PDF ||

Die vom Reichsratspräsidenten insbesondere bemerkten politischen Rücksichten belangend, so wird ad 1. der Bestand des einigen Grundherrschaften zustehenden Salzverschleißprivilegiums vom Causarum Regalium-Direktor widersprochen. Bestände es aber wirklich, so wird es durch die in Rede stehenden Maßregeln nicht berührt, und der Finanzminister nimmt keinen Anstand, nach dem Wunsche der Kultusministersc ausdrücklich zu erklären, daß etwaige Rechte dieser Art unberührt bleiben.

Ad 2. hat sich die Vereinigung des Salz- mit dem Tabakverschleiße durch die frühere Erfahrung als sehr nachteilig und zweckwidrig bewährt. Insofern aber zur Aufstellung abgesonderter Salzverschleiße die Analogie der Tabaktrafiken geltend gemacht werden will, so muß dagegen auf die wesentliche Verschiedenheit dieser beiden Verbrauchsartikel hingewiesen werden, von denen der eine gewöhnlich nur im kleinen verbraucht und versandt, der andere – wenigstens nicht ohne bedeutende Kosten und Nachteile – niemals in kleinen Quantitäten transportiert werden kann.

In Ansehung der durch die Aufstellung von Salzverschleißen gebotenen Gelegenheit zur Versorgung pensionierter Offiziere muß auf das dermal bezüglich der Monopolsverschleiße bestehende veränderte System hingewiesen werden, wornach nur die geringfügigen Ertrag abwerfenden Verschleißplätze im Konzessionswege, die einträglicheren aber durch Konkurrenz an den Bestbieter verliehen werden. Was aber die vorausgesetzte günstige Einwirkung auf die Bevölkerung von Seite der Ärarialverschleiße anbelangt, so zeigt das Beispiel des lombardisch-venezianischen Königreiches in den Revolutionsjahren zur genüge, wie wenig von einem solchen politischen Einflusse zu erwarten sei.

Indem daher der Finanzminister im wesentlichen bei seinen Anträgen vom 22. April 1851 beharrt, ist er nicht entgegen, auf die vom Reichsrate v. Purkhart angetragenen Klauseln bezüglich der Vorsorge für Verteilung des Limitosalzes etc. (was jedoch Sache der vollziehenden Behörden sein wird) anzunehmen, und nur in Ansehung der Auflassung der Salzkordone ist er bemüßigt, eine Modifikation darin eintreten zu lassen, daß der einstweilige Fortbestand derselben auch nach der Aufhebung der Zwischenzollinie auf so lange ausgesprochen werde, bis die Einleitungen zur Bestimmung des den begünstigten Landesteilen zuzugestehenden Limitosalzes vollendet sind, wozu dermalen, nachdem die Anträge vom 22. April 1851 noch nicht Ah. genehmigt, das Aufhören der Zwischenzollinie aber mit 1. Juli 1851 bereits ausgesprochen ist, die hinlängliche Zeit nicht mehr erübrigt.

Gegen die Anträge des Finanzministers ergab sich keine Erinnerung12.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 21. Juni 1851.