MRP-1-2-05-0-18510611-P-0511.xml

|

Nr. 511 Ministerrat, Wien, 11. Juni 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 12. 6.), P. Krauß 18. 6., Bach 13. 6., Thinnfeld 13. 6., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 16. 6., Kulmer 13. 6.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 2002 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 11. Junius 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Bürgermeisterwahlbestätigung für Brünn

Der Minister des Inneren erhielt die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Ah. Bestätigung der auf Anton Haberler gefallenen Wahl zum Bürgermeister in Brünn1.

II. Untersuchung der Fälle der Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie durch die Militärgerichte

Der Justizminister referierte über den Antrag der Ministerien des Inneren und des Kriegs, daß die im § 44 des Gendarmeriegesetzes2 bemerkten Vergehen durch Widersetzlichkeit gegen die Gendarmen in den Orten, welche sich im Belagerungszustande befinden, von den Militärgerichten untersucht und abgeurteilt werden3.

In der Hauptsache mit diesem Antrage einverstanden, würde der Justizminister in der Form glauben, daß sich hierzu die Ah. Genehmigung Sr. Majestät zu erbitten wäre, weil es sich um eine Ausnahme von den Jurisdiktionsnormen handelt, wozu die Genehmigung Sr. Majestät erforderlich ist.

Die Minister des Inneren und des Kriegs erinnerten dagegen, daß diese Jurisdiktionsbestimmung bereits im Begriffe des Belagerungszustandes liege, daß dieser selbst in den meisten Fällen von den Länderchefs – freilich gegen nachträgliche Ah. Genehmigung – verhängt worden ist, und daß es weder nötig noch rätlich wäre, zu derlei einzelnen Bestimmungen über den Wirkungskreis der Militärautorität im Belagerungszustande jedesmal die Ah. Entscheidung Sr. Majestät in Anspruch zu nehmen.

Bei der Abstimmung traten die Minister v. Thinnfeld und Baron Kulmer dieser Meinung bei.

Dagegen erklärten sich Graf Thun, Ritter v. Baumgartner und der Finanzminister für die Einholung der Ah. Genehmigung, letzterer in einer allgemeineren Fassung in der Art,|| S. 22 PDF || „daß jede Widersetzlichkeit gegen die zur Handhabung der öffentlichen Sicherheit bestellten Organe in Orten, welche sich im Belagerungszustande befinden, von den Militärgerichten zu untersuchen und abzuurteilen sei“.

Nachdem der tg. gefertigte Ministerpräsident sich für die Einholung der Ah. Genehmigung entschieden hatte, wird der Justizminister in diesem der Stimmenmehrheit und der Bemerkung des Finanzministers entsprechenden Sinne die Eröffnung des Kriegsministeriums beantworten4.

III. Todesurteil gegen Iftemi Andrusiak

Gegen den Antrag des Justizministers auf das bei Sr. Majestät zu stellende Einschreiten um Nachlaß der Todesstrafe wider den Vatermörder Iftemi Andrusiak, worauf alle Gerichtsstellen einstimmig antragen, ergab sich nur insofern eine Erinnerung, als der Kultusminister bemerkte, daß der einstimmige Antrag der Gerichte allein den Ministerrat nicht bestimmen dürfte, auf die Begnadigung einzuraten, weil sonst leicht gar kein Todesurteil zum Vollzuge kommen könnte, indem es in der Macht der Gerichte läge, denselben durch den Begnadigungsantrag zu vereiteln5.

IV. Strafrestnachsichtsgesuch des Johann Szücs

Dem vom Justizminister unterstützten Antrage auf Nachsicht des Strafrestes des wegen Teilnahme an der ungrischen Revolution, insonderheit wegen Beteiligung bei dem Blutgerichte abgeurteilten Johann Szücs trat der Ministerrat nicht bei, weil nach der Bemerkung des Ministers für Landeskultur die zu Gunsten des Gnadenwerbers geltend gemachte Analogie mit dem Falle des kürzlich zur Begnadigung angetragenen Bezdédy (Ministerratsprotokoll vom 4. Juni 1851, Nr. XIa) nicht besteht, indem bei diesem die Teilnahme an der Abstimmung beim Blutgerichte nicht erwiesen war, während Szücs dabei wirklich fungiert hat6.

V. Strafrestnachsichtsgesuch des Ambros und des Anton Fekete

Gegend den weiteren Antrag auf Abweisung des Strafnachlaßgesuches des Ambros und Anton Fekete ergab sich keine Erinnerung7.

VI. Waffenpatent (2. Beratung)

Fortsetzung der Beratung des Waffenpatentes8.

III. Abschnitt, § 19, wurde ad a) auf Antrag des Handelsministers statt „des Dienstes etc., den sie bekleiden“ gesetzt „ihres Dienstes und Charakters“, desgleichen ad c) statt „Anwendung etc. bedingt“ „Gebrauch etc. nötig macht“.

Ad d) hätte der Finanzminister die Beseitigung dieses sowie des Absatzes g) gewünscht, ersteren damit nicht gewissermaßen eine Aufforderung zum Tragen ehemaliger Nationaltrachten, z. B. der polnischen, des Svornostkostüms9 etc. im Gesetz liege, letzteren, weil|| S. 23 PDF || Schießstände nur in Tirol bestehen. Mittels besonderer Kundmachungen könnte in den Kronländern, wo wirklich noch Nationaltrachten bestehen, das Tragen der dazu gehörigen Waffen etc. erlaubt werden.

Die mehreren Stimmen erklärten sich jedoch für die Beibehaltung dieser Punkte in der Überzeugung, daß die Hinweglassung derselben bemerkt und übel gedeutet sowie eine spezielle, in einzelnen Kronländern kundzumachende Erlaubnis nur die Eifersucht anderer erregen würde.

Bezüglich des Textes ward ad d) die Nationaltracht durch den Beisatz „der daselbst üblichen“ näher bezeichnet und ad g) über Antrag des Ministers für Landeskultur die Fassung also geändert: „Den Scheibenschützen das Tragen [der] Scheibengewehre auf die Schießstätte“.

e) vermeinten der Justiz- und der Finanzminister weglassen zu können; die Mehrheit war aber für die Beibehaltung – um unnötigen Vexationen zu begegnen – jedoch mit der Modifikation, daß statt „vermöge einer unangefochtenen Übung Waffen getragen werden“, gesetzt werde: „Waffen üblich sind“.

Der Kultusminister glaubte, daß d) und e) durch eine einfachere, allgemeinere Fassung füglich verschmolzen werden könnten.

Der Schlußsatz des Paragraphes, welcher die Beschränkungen der in den literis a)–g) enthaltenen Konzessionen aufzählt, wäre nach dem Erachten des Finanz- und des Handelsministers wegzulassen, und seine Bestimmungen bei den betreffenden literis aAbsätzen a)–g)a einzuschalten.

Der Minister des Inneren behielt sich vor, hiernach die Textierung des ganzen Paragraphes zu modifizieren.

§ 20. Statt „jeder österreichische Staatsbürger“ („Reichsbürger“, bemerkte der Finanzminister nach der Verfassung) wurde allgemein gesetzt „jedermann“, und die Klausel „im Falle eines erwiesenen Bedürfnisses“ gestrichen, nachdem dieselbe bei der Unbedenklichkeit der Person überflüssig ist.

§ 21 wurde zur vollständigen Klarheit dem Worte „Sicherheitsbehörde“ vorgesetzt „Staats-„.

§ 22 entfällt die Aufnahme des „Zweckes“, nachdem [im] § 20 das Bedürfnis gestrichen worden.

§ 24 wurde statt „nichts“ gewählt „keine andere Gebühr“.

Der Finanzminister hätte den ganzen Paragraphen entbehrlich gefunden.

§ 26 lautetet mit dem „erfolgen“ mehr wie eine Instruktion für die Behörde. Es ward also über Antrag des Handelsministers die Änderung angenommen: „so kann oder hat die Partei um Ausfertigung eines Duplikats einzuschreiten“.

§ 28 wurde als im § 29 wiederholt und im ganzen unpraktisch beseitiget.

§ 30 wurde die Geldstrafe von 20 Kreuzer auf 1 fr. erhöht, und

§ 31 vom Finanzminister die Aufnahme einer angemessenen Geldstrafe alternativ mit der Arreststrafe beantragt, und dies sowohl, als die Einschaltung von erschwerenden|| S. 24 PDF || Umständen für die höhere Arreststrafe angenommen, welche übrigens auch in der Dauer auf drei Monate abgekürzt ward.

§§ 32 und 33 wurden als nicht praktisch weggelassen10.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, den 20. Juni 1851.